Urteil des BPatG vom 30.05.2000

BPatG: marke, widerspruchsverfahren, pflege, ware, verwechslungsgefahr, patent, kennzeichnungskraft, gesamteindruck, verfügung, firma

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 265/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
10.99
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betreffend die Marke 395 08 462
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Ströbele sowie des Richters Dr. Hacker und der Richterin Werner
beschlossen:
Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen, so-
weit sie gegen die Anordnung der Löschung der angegriffenen
Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 071 503 ge-
richtet ist.
Soweit die Beschwerde des Markeninhabers gegen die Anord-
nung der teilweisen Löschung der angegriffenen Marke wegen des
Widerspruchs aus der Marke 1 167 306 gerichtet ist, ist das
Verfahren derzeit gegenstandslos.
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G r ü n d e
I
Für die in das Register eingetragene Marke 395 08 462
VASOLIN
wird jetzt noch Schutz begehrt für die folgenden Waren:
"Desodorierungsmittel für den persönlichen Gebrauch
(Parfümerieware); Parfümerien, ätherische Öle, Haarwässer;
Zahnputzmittel, einschließlich medizinische Zahnputzmittel".
Die Eintragung wurde am 20. April 1996 veröffentlicht.
Dagegen ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 071 503
VASENOL INTENSIVE CARE,
die seit dem 15. Juli 1994 eingetragen ist für die Waren:
"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheits-
pflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; nichtmedizinische Haut-
cremes".
Ein weiterer Widerspruch ist erhoben worden aus der Marke 1 167 306
BASOCIN,
die seit dem 6. November 1990 eingetragen ist für folgende Waren:
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"Apothekenpflichtige pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich
Dermatologika und Antimykotika".
Mit Beschluß von 13. Juli 1999 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen
Patent- und Markenamts wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 071 503
"VASENOL INTENSIVE CARE" die vollständige Löschung der angegriffenen
Marke angeordnet mit der Begründung, daß zwischen den konkurrierenden Mar-
ken Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe. Die Waren seien
entweder identisch oder einander sehr ähnlich. Die Marken kämen einander ver-
wechselbar nahe. Die Widerspruchsmarke werde von dem Wortbestandteil
"VASENOL" geprägt, weil es sich bei den weiteren Wortbestandteilen "INTEN-
SIVE CARE" um eine nicht kennzeichnungskräftige Warenbeschreibung handele.
Wegen des weiteren Widerspruchs aus der Marke 1 167 306 "BASOCIN" hat die
Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke für einen Teil der bean-
spruchten Waren angeordnet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers.
Er hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens gegenüber der Widerspruchsmarke
2 071 503 "VASENOL INTENSIVE CARE" die Einrede der Nichtbenutzung erho-
ben, diesen Einwand aber nach Vorlage entsprechender Glaubhaftmachungs-
unterlagen seitens der Widersprechenden hinsichtlich der Ware "Hand- und Na-
gelpflegelotion" ausdrücklich fallengelassen. Im übrigen vertritt er die Auffassung,
daß zwischen den konkurrierenden Marken keine Verwechslungsgefahr iSv § 9
Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe. In diesem Zusammenhang ist der Markeninhaber
ua der Meinung, daß die Widerspruchsmarke nicht von dem Wortbestandteil
"VASENOL" geprägt werde.
Der Markeninhaber stellt den (sinngemäßen) Antrag,
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den Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 13. Juli 1999 aufzuheben, soweit darin
die Löschung der angegriffenen Marke wegen der Widersprüche
aus den Marken 2 071 503 und 1 167 306 angeordnet worden ist.
Die Widersprechende aus der Marke 2 071 503 "VASENOL INTENSIVE CARE"
stellt den Antrag,
die Beschwerde des Markeninhabers zurückzuweisen.
Nachdem das Widerspruchsverfahren 1996 beim Deutschen Patent- und Marken-
amt anhängig geworden war, wurde die Widerspruchsmarke 2 071 503 mit Verfü-
gung vom 3. Dezember 1998 auf die Firma U… N.F. in R… (N…)
umgeschrieben. Der Markeninhaber hat einem Eintritt dieser neuen Inha-
berin in das laufende Widerspruchsverfahren widersprochen.
Die Widersprechende aus der Marke 1 167 306 "BASOCIN" stellt - sinngemäß -
den Antrag,
die Beschwerde des Markeninhabers zurückzuweisen.
Nachdem das Beschwerdeverfahren im August 1999 beim Bundespatentgericht
anhängig geworden war, wurde die Widerspruchsmarke 1 167 306 mit Verfügung
vom 12. Oktober 1999 auf die Firma G… S.A. in C… (S…) umge-
schrieben. Der Markeninhaber hat einem Eintritt dieser neuen Inhaberin in das
laufende Widerspruchsverfahren widersprochen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.
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II
Beschwerdegegnerinnen sind unverändert die ursprünglichen Inhaberinnen der
beiden Widerspruchsmarken. Da nach der neueren Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs (vgl BGH GRUR 1998, 940 "Sanopharm") § 265 Abs 2 ZPO im
Widerspruchsverfahren entsprechend anzuwenden ist, konnten die Rechtsnach-
folgerinnen der bisherigen Inhaberinnen der beiden Widerspruchsmarken das
Widerspruchsverfahren nur mit Zustimmung des Markeninhabers übernehmen.
Der Markeninhaber hat diese Zustimmung in beiden Fällen ausdrücklich verwei-
gert. Daher ist das Verfahren mit den ursprünglichen Inhaberinnen der beiden
Widerspruchsmarken fortzusetzen.
Die Beschwerde des Markeninhabers ist, soweit sie sich gegen die Löschung der
angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2
071
503
"VASENOL INTENSIVE CARE" richtet, nicht begründet.
Daß die Widerspruchsmarke, deren Benutzung gem § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG
zulässig bestritten ist, im maßgeblichen Benutzungszeitraum für eine "Hand- und
Nagelpflegelotion" benutzt worden ist, ist zwischen den Verfahrensbeteiligten un-
streitig. Daß die Marke außerdem auch für andere Waren benutzt worden wäre,
hat die Widersprechende weder behauptet noch glaubhaft gemacht.
Die insoweit gemäß § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG jedenfalls zu berücksichtigende
Ware "Hand- und Nagelpflegelotion" ist unter die "Mittel zur Körper- und Schön-
heitspflege" im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke 2 071 503 zu subsu-
mieren. Ob die Widersprechende im Wege der sogenannten "Integration" über
"Hand- und Nagelpflegelotion" hinaus Schutz für einen weitergehenden Waren-
begriff in Anspruch zu nehmen vermag, kann dahinstehen, weil bereits die Ware
"Hand- und Nagelpflegelotion" allen Waren aus dem Warenverzeichnis der ange-
griffenen Marke eindeutig ähnlich ist. Diese Feststellung entspricht ständiger
Rechtsprechung (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstlei-
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stungen, 11. Auflage, Seiten 176, 241 ff und 248). Umstände, die eine Änderung
dieser Rechtsprechung erforderlich machen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist, bezogen auf Hand- und
Nagelpflegelotion als durchschnittlich zu bewerten. Anhaltspunkte für eine Stär-
kung oder Schwächung der Kennzeichnungskraft wurden nicht vorgetragen und
sind auch sonst nicht ersichtlich.
Bei dieser Ausgangslage muß die angegriffene Marke von der Widerspruchs-
marke einen deutlichen Abstand halten. Diese Anforderung erfüllt die angegriffene
Marke nicht. Sie kommt vielmehr der Widerspruchsmarke iSv § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG verwechselbar nahe.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist von
dem jeweiligen Gesamteindruck der konkurrierenden Marken auszugehen, der
auch von einem einzelnen Markenbestandteil geprägt sein kann. Die Wider-
spruchsmarke "VASENOL INTENSIVE CARE" wird nach Ansicht des Senats in-
soweit von dem Wortbestandteil "VASENOL" geprägt. Der Ausdruck "VASENOL"
ist ein Phantasiewort ohne konkreten Sinngehalt. Dagegen stellen die englischen
Wörter "INTENSIVE CARE" einen einheitlichen Begriff für eine konkrete Be-
schreibung der unter dieser Marke angebotenen Hand- und Nagelpflegelotion dar.
Das Englische ist in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Mittel zur
Körper- und Schönheitspflege neben dem Deutschen zur zweiten Werbesprache
geworden. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß jedenfalls ent-
scheidungserhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise das in diesem
Zusammenhang übliche englische Vokabular kennen und verstehen, zu dem die
Wörter "intensive" und "care" gehören. Der englische Ausdruck "intensive" be-
deutet ua "stark, gründlich, intensiv", was schon wegen der weitgehenden Über-
einstimmung mit dem eingedeutschten Fremdwort "intensiv" ohne weiteres er-
kennbar ist. "Care" heißt ua "Behandlung, Pflege" und ist im Bereich englisch-
sprachiger Warenbezeichnungen und -beschreibungen für in Deutschland ver-
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triebene Kosmetika zu einem Standardausdruck für "Pflege, Pflegemittel" gewor-
den. Die sprachregelmäßig gebildete Wortverbindung "INTENSIVE CARE" wird
demnach in der Bedeutung "gründliche, starke Pflege" ohne weiteres verstanden.
Darin liegt in bezug auf die unter der Widerspruchsmarke vertriebene Hand- und
Nagellotion eine konkrete Angabe über die Wirkungsweise des angebotenen
Pflegemittels. Deshalb erscheint bei einer Betrachtung des Gesamteindrucks der
Widerspruchsmarke 2 071 503 allein der Wortbestandteil "VASENOL" als kenn-
zeichnungskräftiger Hinweis auf die Herkunft der angebotenen Waren aus einem
bestimmten Unternehmen, während die übrigen Wortbestandteile "INTENSIVE
CARE" in einer Weise zurücktreten, daß sie für den Gesamteindruck vernachläs-
sigt werden können, weil sie sich in keinem Punkt von einer konkreten Warenbe-
schreibung lösen und sich auch in der Zusammenstellung mit dem vorangehenden
"VASENOL" nicht zu einem einheitlichen Phantasiebegriff verbinden (vgl auch
BGH GRUR 1998, 927 "Bisotherm Stein").
Die insoweit zu vergleichenden Markenwörter "VASOLIN" und "VASENOL" kom-
men sich klanglich verwechselbar nahe. Beide Wörter weisen mit Ausnahme der
Vokale "i" (in "VASOLIN") und "e" (in "VASENOL") dieselben Einzellaute auf. Die
Anfangssilbe und der Anfangsbuchstabe der zweiten Silbe sind identisch. Die
Buchstabenfolgen in den jeweils zweiten und dritten Silben stimmen zwar nicht
vollständig überein, ergeben aber eine anagrammatische Klangrotation und wer-
den einander dadurch verwechselbar ähnlich. In beiden Silben kommen die iden-
tische Lautfolge "OL" und die sehr ähnlichen Lautverbindungen "IN" bzw "EN" vor,
wobei sie lediglich in umgekehrter Reihenfolge erscheinen. Das kann zu Ver-
wechslungen beim Durchschnittsabnehmer führen, der sich häufig zwar an ein-
zelne Bestandteile einer Marke, nicht dagegen an deren richtige Reihenfolge er-
innert (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl, § 9 Rdn 86). Jedenfalls
reichen die genannten Unterschiede angesichts der weitgehenden Übereinstim-
mungen beider Markenwörter nicht aus, Verwechslungen der Marken hinreichend
sicher auszuschließen.
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Aus diesen Gründen ist die Beschwerde des Markeninhabers insoweit als unbe-
gründet zurückzuweisen, als sie sich gegen die Anordnung der Löschung der an-
gegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 071 503 richtet.
Damit bleibt es bei der Anordnung der vollständigen Löschung der angegriffenen
Marke.
Auf die Frage, ob die angegriffene Marke außerdem wegen des Widerspruchs aus
der Marke 1 167 306 teilweise gelöscht werden muß, kommt es bei dieser
Sachlage nicht mehr an. Daher ist die Beschwerde des Markeninhabers insoweit
zur Zeit gegenstandslos, als sie auch gegen die Anordnung der teilweisen
Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke
1 167 306 gerichtet ist.
Kosten werden nicht auferlegt (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Dr. Ströbele
Dr. Hacker
Werner
Bb