Urteil des BPatG vom 15.10.2007

BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, gesamteindruck, billigkeit, sorgfalt, verkehr, aufmerksamkeit, ware, nummer, vogel

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 40/06
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 302 36 159
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 15.
Oktober
2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Vogel von Falckenstein, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Eingetragen seit dem 21. Oktober 2002 unter der Nummer 302 36 159 für die Wa-
ren
Diätetische Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke
zur Gewichtsreduzierung
ist die Wortmarke
REDUX.
Widerspruch wurde erhoben aus der am 7.
Oktober
1998 unter der Num-
mer 398 34 148 für die Waren
Pharmazeutische Präparate und Substanzen; Nahrungsmittel für
Kinder und Kranke; diätetische Erzeugnisse für medizinische
Zwecke; Vitamin- und Mineralpräparate
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eingetragenen Wortmarke
Reduxade.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den
Widerspruch in zwei Beschlüssen - einer davon ist im Erinnerungsverfahren er-
gangen - wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Selbst ange-
sichts identischer und hochgradig ähnlicher Waren sowie durchschnittlicher Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die daraus resultierenden hohen
Anforderungen an den Markenabstand eingehalten. Trotz Übereinstimmung in der
Lautfolge „Redux-“ unterschieden sich die Wörter in der Gesamtlänge, im Wortauf-
bau, in der Vokalfolge sowie in der Silbengliederung deutlich. Die abweichende
Silbenanzahl bedinge zudem eine abweichende Sprech- und Betonungsweise, so
dass die Vergleichsmarken nur in einer Silbe identisch übereinstimmten. Zudem
erscheine der Bestandteil „Redux-“ nicht eigenständig in der Widerspruchsmarke
„Reduxade“.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Eine Begründung ist
nicht eingegangen.
Sie beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
23. März 2004 und vom 13. Dezember 2005 aufzuheben und die
Löschung der Marke 302 36 159 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die
Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
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Sie hat sich in der Sache nicht geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 398 34 148 be-
steht nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr. 2
MarkenG, so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände,
insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähn-
lichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesonde-
re ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der
Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st.
Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang;
GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBO-
LEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Nach diesen Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen.
a) Bei seiner Entscheidung hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte eine
normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit zugrun-
de gelegt. Zwar lassen sich beschreibende Anklänge an „Redux“ (lateinisch für zu-
rückführend) erkennen, wodurch ein gewisser Hinweis auf das Anwendungsgebiet
der Widerspruchswaren erkennbar wird, beispielsweise zur Verwendung im Rah-
men einer Reduktionsdiät. Im Arzneimittelbereich sind jedoch häufig mehr oder
weniger deutliche Sachhinweise in den Zeichen enthalten, die aber regelmäßig
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nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke führen, wenn diese
insgesamt eine ausreichend eigenständige Abwandlung einer beschreibenden An-
gabe darstellt (vgl. BGH GRUR 1998, 815 - Nitrangin). Das ist vorliegend der Fall,
da die Widerspruchsmarke „Reduxade“ jedenfalls durch die Endung „-ade“ eine
ausreichende schutzbegründende Eigenprägung aufweist.
b) Ausgehend von der Registerlage können die Vergleichsmarken wegen der weit-
reichenden Warenoberbegriffe der angegriffenen Marke zur Kennzeichnung identi-
scher und eng ähnlicher Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist hierbei,
dass bei den vorliegenden pharmazeutischen Erzeugnissen und Substanzen
ebenso wie bei den diätetischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke keine Re-
zeptpflicht besteht, so dass allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu be-
rücksichtigen sind. Dabei ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf ei-
nen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnitt-
lich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ab-
zustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch
sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbeson-
dere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerk-
samkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50 – Indorektal/Indohexal).
c) Der unter diesen Umständen gebotene deutliche Markenabstand wird von der
angegriffenen Marke eingehalten.
Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen
Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den jeweili-
gen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht
dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt,
in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden,
möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unter-
zieht. Dabei bleibt auch ein beschreibender Bestandteil bei der Feststellung des
Gesamteindrucks nicht außer Betracht, sondern ist mit zu berücksichtigen. Zudem
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ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebe-
nen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede
abzustellen (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden
Marken in ihrem klanglichen Gesamteindruck ausreichende Unterschiede aufwei-
sen.
So ist zwar die angegriffene Marke vollständig in der Widerspruchsmarke enthal-
ten und die Marken stimmen damit in der Anfangssilbe „RE-“ und in den folgenden
drei Buchstaben „-DUX“ überein. Sie unterscheiden sich jedoch, wie die Marken-
stelle bereits festgestellt hat, in der Silbenzahl, der Buchstabenanzahl, Vokalfolge
und damit im Sprech- und Betonungsrhythmus wesentlich. Die Widerspruchsmar-
ke verfügt mit den zusätzlichen drei Buchstaben „ade“ gegenüber der zweisilbigen
angegriffenen Marke „RE-DUX“ und der dadurch herbeigeführten veränderten Sil-
bengliederung über zwei weitere Silben „(Re-du)-xa-de“, die weder übersehen
noch überhört werden können, zumal sie sich harmonisch an die vorhergehenden
Silben anschließen. Es handelt sich bei der Endung „-ade“ auch nicht um eine
Lautfolge, die in zahlreichen ähnlichen Produktkennzeichnungen verwendet wird
und deshalb vom Verkehr weniger beachtet wird. Vielmehr finden sich in der aktu-
ellen Roten Liste lediglich einzelne Präparate mit der Endung „-ade“. Zudem führt
die Betonung auf dem Vokal „-a“ der dritten Silbe der Widerspruchsmarke „Re-
duxade“ zu einem langgezogenen weichen Wortausklang gegenüber dem durch
das markante „X“ bestimmten harten und prägnanten Wortende der angegriffenen
Marke „REDUX“ und damit zu einem deutlich unterschiedlichen klanglichen Ge-
samteindruck der Vergleichsmarken.
In schriftbildlicher Hinsicht halten die Vergleichsmarken in allen üblichen Wieder-
gabeformen ebenfalls einen noch ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zu be-
rücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer
Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei
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mündlicher Benennung entsteht (vgl. BPatG GRUR 2004, 950, 954 - ACELAT/
Acesal). Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der
aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimittelmar-
ken über ein erhöhtes Unterscheidungsvermögen verfügt, im Vordergrund (vgl.
BGH a. a. O. Indorektal/Indohexal). Unter diesen Voraussetzungen reichen auch
bei einer schriftlichen Wiedergabe die Abweichungen durch die zusätzlichen bei-
den Silben der Widerspruchsmarke „-ade“ aus, um eine Unterscheidbarkeit der
Marken zu gewährleisten.
Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslun-
gen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.
Nachdem die Widersprechende ihre Beschwerde nicht begründet hat, ist im Übri-
gen nicht erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten die Beschwerdeführerin die
angefochtenen Beschlüsse für aufhebbar hält.
2. Der Antrag der Markeninhaberin, der Widersprechenden die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens aufzuerlegen, ist nicht begründet. Kosten werden nicht aufer-
legt, so dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten
selbst trägt (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Eine Abweichung von diesem
Grundsatz kommt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nur dann in Betracht, wenn
dies der Billigkeit entspricht. Hierfür bedarf es stets besonderer Umstände
(Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11). Solche von der Norm ab-
weichende Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vor-
liegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH
GRUR 1972, 600, 601 - Lewapur). Davon ist zum Beispiel auszugehen, wenn ein
Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aus-
sichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation
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sein Interesse an dem Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen
versucht (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 11 m. w. N.).
Anhaltspunkte für ein derartiges, die Auferlegung von Kosten rechtfertigendes Ver-
halten der Widersprechenden sind nicht ersichtlich und von der Markeninhaberin
auch nicht vorgetragen.
Es entspricht daher nicht der Billigkeit, der Widersprechenden Verfahrenskosten
nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ganz oder teilweise aufzuerlegen. Es bleibt bei
dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt
(vgl. § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Dr. Vogel von Falckenstein
Paetzold
Hartlieb
Ko