Urteil des BPatG vom 08.01.2003

BPatG (könig, marke, beschwerde, begründung, verwechslungsgefahr, sache, benutzung, form, internet, kennzeichnungskraft)

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 86/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. Januar 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 396 26 703
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel, des Richters Paetzold und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Be-
schlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts – Marken-
stelle für Klasse 29 – vom 5. Juni 2000 und 10. April 2002
aufgehoben.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke 906 711 wird die
Löschung der angegriffenen Marke 396 26 703 angeordnet.
G r ü n d e
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 26 703 fol-
gende Wort/Bildmarke
siehe Abb. 1 am Ende
als Kennzeichnung für die Waren "Meerrettich, Saucen nach Gravad Art".
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Die Inhaberin der rangälteren, seit 1973 für die Waren "Gewürze" eingetragenen
Marke 906 711
Würzkönig
hat hiergegen Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in
zwei Beschlüssen den Widerspruch im wesentlichen mit der Begründung zurück-
gewiesen, wegen des häufigen Vorkommens des Wortes "König" in anderen Mar-
ken sei dieser Markenteil kennzeichnungsschwach, so dass trotz der großen Wa-
renähnlichkeit der Markenabstand ausreiche. In der Begründung des Erinne-
rungsbeschlusses ist allerdings von einer unrichtigen Widerspruchsmarke, nämlich
von "Gewürzkönig" statt "Würzkönig" ausgegangen worden.
Die Widersprechende hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie bestreitet eine
Kennzeichnungsschwäche ihrer Marke, denn von den von der Markenstelle er-
wähnten 300 Markeneintragungen mit dem Bestandteil "König" betreffe nur ein
Teil die hier maßgeblichen Warenbereiche der Klassen 29 und 30. Lasse man die
bereits gelöschten, sowie die sich erkennbar aus einem Eigennamen hergeleiteten
Marken (zB Kurt König oder König Ludwig) außer Betracht, blieben nur wenige
Marken übrig, die ähnlich wie die Widerspruchsmarke gebildet seien. Diese Mar-
ken würden aber häufig auf ganz andere Lebensmittelbereiche hinweisen (zB
Weißwurst-König, Brötchen König, Käse König). Keine dieser Drittmarken sei für
Gewürze oder Meerrettich eingetragen. Die Widerspruchsmarke sei im Gegenteil
besonders kennzeichnungskräftig, denn sie werde seit Jahren umfangreich be-
nutzt (Durchschnittumsatz pro Jahr € …). Angesichts dessen reichten die
geringen klanglichen Unterschiede der Markenwörter nicht aus um
Verwechslungen zu vermeiden.
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Die Widersprechende beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Lö-
schung der jüngeren Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen der Markenstelle für zutreffend und meint, bei Meerret-
tich handle es sich um kein Gewürz, womit keine große Warennähe bestehe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Das Gericht hat von einer Zurückverweisung der Sache an die Markenstelle
nach § 70 Abs 3 Nr 1 MarkenG abgesehen. Im Erinnerungsbeschluss sind
in der Begründung falsche Marken gegenübergestellt worden - insoweit ist
also noch keine Sachentscheidung ergangen und eine Zurückverweisung
wäre möglich. Keiner der Beteiligten hat aber eine Zurückverweisung be-
antragt; die Widersprechende hat im Gegenteil in der mündlichen Ver-
handlung ihr Interesse an einer Sachentscheidung durch das Gericht be-
kundet. Die von dem Verstoß Betroffene will also in erster Linie eine Verzö-
gerung des Verfahrens verhindern, was es rechtfertigt in der Sache selbst
zu entscheiden.
2. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache auch Erfolg, denn zwi-
schen den Marken besteht Verwechslungsgefahr (§ 42 Abs 1, 2 Nr 1, § 9
Abs 1 Nr 2 MarkenG).
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Die Rechtsfrage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2
Markengesetz vorliegt, ist unter Berücksichtigung des Einzelfalls durch die Abwä-
gung insbesondere der Faktoren Ähnlichkeit der Waren, Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke und Ähnlichkeit der Marken zu entscheiden (ständige Recht-
sprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - Canon; BGH MarkenR 2001, 204
- EVIAN/REVIAN).
Hier stehen sich bei den Produkten "Gewürze" und "Meerrettich" nicht nur ähnli-
che, sondern identische Waren gegenüber. Bei Meerrettich, der als Frischprodukt
oder tafelfertig gerieben in Gläsern und Tuben und auch in pulverisierter Form an-
geboten wird, handelt es sich nicht um ein Gemüse, sondern um ein sog. Wurzel-
gewürz oder eine Gewürzwurzel (Dr. Oetker, Warenkunde Lexikon, 10. Auflage;
Ortiz, Kräuter, Gewürze & Essenzen; Internet x4u.net/kochen/gewuerze). Ge-
würze können Pflanzenteile verschiedenster Art sein (zB Blätter, Blüten, Beeren,
Wurzeln), vom Gemüse unterscheiden sie sich durch den starken Gehalt von
aromatischen oder scharf schmeckenden Inhaltsstoffen, so dass sie in der Regel
nur als Zugabe zu einer anderen Speise verzehrt werden können. Ebenso wie zB
die Wurzelpetersilie wird Meerrettich vorwiegend zur Herstellung von pikanten So-
ßen oder als Beigabe bei Fleisch- und Fischgerichten verwendet. Insbesondere
Meerrettich in pulverisierter Form findet sich im übrigen in jedem gut sortierten
Gewürzregal. Bezüglich dieser Ware liegt also Warenidentität vor.
Zu der "Sauce nach Gravad Art" - einem Produkt, das sich aus der für Lachsfilet
üblichen Pökellösung, nämlich Salz, Zucker, Pfeffer und Dill, sowie entsprechen-
der Beigabe von Sauce, zusammensetzen dürfte - sind die "Gewürze" der Wider-
sprechenden erheblich ähnlich, denn Gewürze, Saucen, Senf, Mayonnaise, Dres-
sings udgl gehören alle in den Bereich "Würzen und Verfeinern" von Speisen.
Demzufolge werden sie im Handel häufig in demselben Regal angeboten und zu
Hause nebeneinander aufbewahrt. Die von der Rechtsprechung für die Bejahung
einer Warenähnlichkeit geforderte Nähe von Art, Verwendungszweck, Nutzung
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und Eigenart der Produkte auch als einander ergänzende Waren, ist hier also im
großen Maß gegeben.
Im Bereich dieser identischen und stark ähnlichen Waren kann der Rechtsinhaber
des älteren Markenrechts einen besonders deutlichen Abstand der jüngeren Mar-
ken verlangen, der hier jedoch nicht eingehalten ist.
Von einer Schwächung der Widerspruchsmarke wegen der behaupteten vielfa-
chen Verwendung der Bezeichnung "König" kann nicht ausgegangen werden. Die
Schwächung einer Marke wegen ähnlicher oder gleicher Drittmarken stellt einen
Ausnahmetatbestand dar. Sie setzt voraus, dass diese Drittzeichen im Bereich der
gleichen oder zumindest eng benachbarter Warenbereiche tatsächlich in Erschei-
nung getreten sind und zwar in einem Umfang, dass sich der Verkehr an das Vor-
handensein solcher Zeichen gewöhnt hat (st. Rspr, BGH, MarkenR 2002, 256 –
IMS; MarkenR 2001, 307 – CompuNet/ComNet). Auch eine Vielzahl von eingetra-
genen ähnlichen Drittmarken lässt keinen Schluss auf deren tatsächliche Benut-
zung und Bekanntheit zu; dies zeigt die hier von der Widersprechenden vorgelegte
Nachprüfung der jeweiligen Marken anschaulich. So bleiben nach der Aussonde-
rung von gelöschten, wegen der Art und Weise der Bildung der Marken nicht ver-
gleichbaren und auf entfernten Warengebieten verwendeten "Königs – Marken"
nur wenige (21) übrig, deren den Schutzbereich der Widerspruchsmarke einen-
gende Verwendung überhaupt in Betracht zu ziehen ist. Da aber die bloße Eintra-
gung einer Marke im Markenregister keinerlei Aussagekraft zu deren tatsächlicher
Benutzung und noch weniger zu deren Bekanntheit im Verkehr hat, bedarf es in-
soweit eines entsprechenden Sachvortrags desjenigen, der sich darauf beruft. Die
Markeninhaberin hat hierzu jedoch nichts vorgetragen. Nach den Feststellungen
des Gerichts finden sich im Internet nur 5 Treffer mit "Würzkönig", 4 davon stam-
men von der Widersprechenden selbst. Damit steht fest, dass die Kombination der
Begriffe "Würz" und "König" ungewöhnlich ist, auch wenn das Wort "König" selbst
durchaus sowohl in der Kennzeichnung als auch der Werbung beliebt ist um auf
eine herausragende Stellung des Produkts hinzuweisen. Entscheidend ist aber
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jeweils der Gesamtbegriff und "Würzkönig" besitzt in dieser Kombination für den
Produktbereich "Gewürze" eine originäre durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Eine Ausweitung des damit der Widersprechenden zustehenden durchschnittli-
chen Schutzumfangs durch gesteigerte Verkehrsgeltung der Widerspruchsmarke
wegen intensiver Benutzung liegt nicht vor. Die von der Widersprechenden vorge-
tragenen Umsätze von etwa … € pro Jahr wurden von der Gegnerin zwar
nicht bestritten, sind aber für sich genommen - also ohne genaue Kenntnis des
Gesamtumsatzes auf dem Gewürzsektor - nicht ausreichend eine derart heraus-
ragende Marktstellung zu belegen.
Unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte besteht zwischen den Worten Wurzel-
könig und Würzkönig eine Verwechslungsgefahr. Der Gesamteindruck der jünge-
ren Wort/Bildmarke wird durch den Wortbestandteil "Wurzelkönig" geprägt, denn
solche kombinierten Marken werden in aller Regel durch das Wort benannt
(st
Rspr
zB BGH MarkenR 2001 – Dorf MÜNSTERLAND). Dies gilt insbesondere dann,
wenn wie hier das Bild (Krone) das Wort nur unterstreicht. Die Marken stimmen
völlig überein in "-könig" und fast völlig in "Wu(ü)rz-". Alleinige Abweichung sind
die zusätzlichen Buchstaben "el" in der Wortmitte der jüngeren Marke, was aber
angesichts der im übrigen vorliegenden Übereinstimmungen nicht ausreicht. Es
gibt auch keinen abweichenden Sinngehalt, der in der Erinnerung an die Marken
ein Auseinanderhalten erleichtern könnte, vielmehr haben die Begriffe "Wurzel"
und "Würz" die Gemeinsamkeit, dass Wurzeln ein Gewürz sein können. Hinzu
kommt, dass diese nah verwandten Begriffe jeweils mit "könig" kombiniert sind,
was ungewöhnlich ist. Gerade dies aber wird es dem Verbraucher unmöglich ma-
chen, die Marken bei identischen oder sehr nahe verwandten Waren vor allem aus
der Erinnerung heraus sicher auseinander zu halten.
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Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.
Stoppel Paetzold
Schwarz-Angele
Bb
Abb. 1