Urteil des BPatG vom 19.12.2002

BPatG (akteneinsicht, interesse, akten, patg, geheimhaltung, auftraggeber, antrag, begründung, antragsteller, vergleich)

BUNDESPATENTGERICHT
3 ZA (pat) 58/02
zu 3 Ni 38/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Akteneinsichtssache
BPatG 152
10.99
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betreffend das Nichtigkeitsverfahren 3 Ni 38/02
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom
19. Dezember 2002 unter Mitwirkung der Richterin Sredl als Vorsitzender sowie
der Richter Dipl.-Ing. Riegler und Brandt
beschlossen:
Dem Antragsteller wird Einsicht in die Akten des Nichtigkeits-
verfahrens 3 Ni 38/02 gewährt.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller begehrt Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens
3 Ni 38/02. Die Beteiligten des Nichtigkeitsverfahrens haben dem Antrag wider-
sprochen. Zur Begründung trägt die Nichtigkeitsklägerin vor, dass die Parteien des
Ausgangsverfahrens derzeit über einen außergerichtlichen Vergleich verhandel-
ten, der ua Stillschweigen über die Umstände der Nichtigkeitsklage umfasste. Dies
stehe einer Akteneinsicht entgegen. Außerdem stamme der Antrag offensichtlich
von einem berufsmäßigen Rechercheur, der keinen Auftraggeber benannt habe.
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Das Eigeninteresse des Antragstellers könne nur von untergeordneter Bedeutung
sein.
Der Nichtigkeitsbeklagte weist zudem darauf hin, dass Personen, die gewerbsmä-
ßig Auskünfte über Patentangelegenheiten erteilten, den Auftraggeber nennen
müssten, um den Beteiligten des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zu geben, ein
gegen diesen Hintermann bestehendes Interesse an der Geheimhaltung geltend
zu machen.
II.
Der Antrag auf Akteneinsicht hat Erfolg, weil die Parteien des Ausgangsverfahrens
ein hinreichend schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung nicht dargelegt
haben, § 99 Abs 3 Satz 3 PatG.
Die Einsicht in die Akten von Nichtigkeitsverfahren ist grundsätzlich frei, es sei
denn, die Patentinhaberin beruft sich auf ein entgegenstehendes schutzwürdiges
Interesse, § 99 Abs 3 Satz 3 PatG (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl., § 99, Rdnr. 26 ff).
Soweit auch der Nichtigkeitsklägerin ein Widerspruchsrecht zusteht (vgl BGH
GRUR 1972, 441 – Akteneinsicht IX), ist es deren Aufgabe, substantiiert ein der
Akteneinsicht entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse darzulegen.
Das Vorbringen der Nichtigkeitsbeklagten, die zwischen den Parteien des Aus-
gangsverfahrens anhängigen Vergleichsverhandlungen stünden der beantragten
Akteneinsicht entgegen, betreffen private Interessen am Bestand des Streitpatents
und begründen kein schutzwürdiges Interesse im Sinne des § 99 Abs 3 Satz 3
PatG. Nach dieser Vorschrift ist die Akteneinsicht grundsätzlich frei, und es steht
nicht im Belieben der Beteiligten, wer Akteneinsicht nehmen kann (vgl BPatGE 22,
66). So kann der Abschluss eines Vergleichs im Nichtigkeitsverfahren ebenso
wenig wie schwebende Vergleichsverhandlungen zu einer generellen Versagung
der Akteneinsicht führen. Allenfalls kann der Vergleich selbst ausgenommen wer-
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den (vgl BGH GRUR 1972, 195 – Akteneinsicht VIII; BPatGE 34, 9). Im übrigen
müssen die privaten Interessen eines Verfahrensbeteiligten gegenüber dem Inter-
esse des Antragstellers im Akteneinsichtsverfahren zurückstehen, weil sein
Begehren im Einklang mit dem allgemeinen Anliegen der Öffentlichkeit steht,
bestehende Patente, deren Rechtsbestand in Frage gestellt ist, überprüfen zu las-
sen (BGH aaO).
Entgegen der Ansicht des Nichtigkeitsbeklagten kommt es auch nicht darauf an,
ob die Akteneinsicht im eigenen oder in fremdem Namen beantragt wird und in
wessen Interesse sie erfolgen soll (BGH GRUR 1999, 226 – Akteneinsicht XIV).
Soweit Aktenteile betroffen sind, die die Interessen des Nichtigkeitsbeklagten
berühren könnten, ist er gehalten, dieses der freien Akteneinsicht entgegenste-
hende Interesse sofort substantiiert geltend zu machen. Hierfür reicht es nicht aus,
die Stellungnahme von der Kenntnis des Auftraggebers abhängig zu machen.
Ohne Vorliegen besonderer Umstände, auf die sich der Nichtigkeitsbeklagte hier
nicht berufen hat, ist es für die Begründung eines schutzwürdigen Interesses an
der Geheimhaltung der Akten nicht notwendig, den Auftraggeber zu kennen (BGH
GRUR 2001, 143 – Akteneinsicht XV).
Sredl Riegler
Brandt
Fa