Urteil des BPatG vom 10.12.2009

BPatG (beschreibende angabe, internet, marke, bezeichnung, daten, verwendung, buchstabe, anmeldung, klasse, beschwerde)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 22/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 307 03 941.2
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 10. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Vogel
von Falckenstein, die Richterin Winter und den Richter Paetzold
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 23. Oktober 2008 und vom 21. August 2007 aufgehoben.
- 2 -
- 3 -
G r ü n d e
I .
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung
Inavigation
„Geräte zum Senden, Aufzeichnen, Übertragen, Verarbeiten und
Wiedergeben von Ton, Bild oder Daten; Software und Software-
plattform (Software) für solche Geräte; Senden und Übertragen
von Ton, Bild oder Daten von Rundfunksendungen; elektronische
Übermittlung von Audiodaten, Videodaten oder Daten; Bereitstel-
lung des Zugriffs auf Informationen und von Plattformen im Inter-
net; Sammeln und Verarbeiten von Audiodaten, Videodaten oder
von Daten für Dritte durch elektronische Speicherung“.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid durch Erstbe-
schluss wegen fehlender Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihal-
tebedürfnisses zurückgewiesen. Die Marke sei eine Kombination aus der Abkür-
zung „I“ für „Internet“ und „Navigation“ (= alle Maßnahmen zur Standortbestim-
mung) und in der Bedeutung „Internet-Navigation“ ein beschreibender Hinweis auf
Führung und Unterstützung im Internet. Die hiergegen eingelegte Erinnerung ist
erfolglos geblieben. Unter Verneinung der Unterscheidungskraft ist ergänzend
ausgeführt, dass die Anmeldung auch im Sinn von „Navigation mittels Internetver-
bindung“ verstanden werden könne. Angeführte Voreintragungen mit dem Be-
standteil „Navigation“ seien ohne Bindungswirkung und nicht geeignet, den Schutz
der angemeldeten Bezeichnung zu begründen.
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Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Mit näheren Ausführungen ist sie der
Auffassung, dass der Buchstabe „I“ als Abkürzung mehrere Bedeutungen habe;
zudem seien zahlreiche Marken mit dem Bestandteil „Navigation“ in das Register
Inavigation
schreibend.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 auf-
zuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Bezeichnung insge-
samt stehen Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG nicht
entgegen.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr
u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger
Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können. Es kann nicht festge-
Inaviga-
tion
Zwar besteht die Anmeldung rein formal betrachtet aus dem Buchstaben „I“ und
dem Wort „navigation“.
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Der Buchstabe „I“ ist vor allem eine Abkürzung für „Information" (vgl. Duden, Das
Wörterbuch der Abkürzungen S 203; Schulte, Fachverzeichnis Informationstech-
nologie von A - Z, 2007, S 497; BPatG 30 W (pat) 328/96-i-System, Zusammen-
fassung
veröffentlicht
auf
PAVIS
PROMA
CD-ROM;
30 W (pat) 97/02
- Buchstabe I, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts, Zusammenfassung
veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM). Außerdem kann der Buchstabe „i/I“
- neben weiteren Bedeutungen - auch die Abkürzung für „Internet“ sein (vgl.
BPatG 25 W (pat) 249/02 - , veröffentlicht auf der Homepage des Ge-
richts, Zusammenfassung veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM). „Naviga-
tion“ im ursprünglichen Sinn ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Bestimmung
des Standorts und zur Einhaltung des gewählten Kurses (vgl. Duden, Das große
Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007, S. 922). Über diesen Anwendungsbereich hinaus
hat der Begriff, wie auch bereits von der Markenstelle in ihrem Beschluss ausge-
führt, eine Bedeutungserweiterung erfahren und wird im übertragenen Sinn zur
Beschreibung von Systemen verwandt, das deren Nutzer anleitet und führt (vgl.
BPatG 33 W (pat) 130/04 - Marken-Navigationssystem).
Inavigation
mittels Internetverbindung oder auch Navigation im Internet verstanden werden
könnte.
Eine derartige Betrachtung wird hier aber der Marke in ihrer Gesamtheit nicht ge-
recht. Abgesehen davon, dass Abkürzungen als bloßen sprachlichen Hilfsmitteln
nicht dieselbe Bedeutung wie der korrekten Wiedergabe des Fachausdrucks zu-
kommt, sind jedenfalls nur solche Abkürzungen schutzunfähig, die aus sich heraus
verständlich sind sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der
betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden wer-
den können (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl. § 8 Rdn. 135; 264 ff. m. w. N.).
Eine analysierende Betrachtungsweise findet dabei allerdings nicht statt (vgl.
Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 251). Unter diesen Umständen fehlen hinrei-
chend sichere Anhaltspunkte dafür, dass die angemeldete Marke ohne analysie-
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rende Betrachtung überhaupt in die Bestandteile „I“ und „navigation“ zergliedert
Inavigation
vor allem als einheitliches Gesamtwort. Dies beruht darauf, dass die geschlossene
Schreibweise eine Verschmelzung der Einzelbestandteile bewirkt, die einer Zer-
gliederung in „I“ und „navigation“ entgegensteht.
Eine beschreibende Bedeutung der Bestandteile „I“ und „navigation“ vermag hier
damit ein Freihaltebedürfnis an der Gesamtmarke nicht zu begründen. Soweit im
Internet Begriffe wie „iNavigation“, „I-Navigation“ oder „INavigation“ nachweisbar
sind, werden jedenfalls in der gewählten Schreibweise bzw. die Verwendung eines
Bindestriches gerade die Einzelbestandteile des Wortes erkennbar, was, wie
ausgeführt, bei der angemeldeten Marke nicht der Fall ist.
Soweit im Internet vereinzelt die Bezeichnung „inavigation“ nachweisbar ist, erfolgt
die Verwendung markenmäßig. Eine darüber hinausgehende beschreibende Ver-
wendung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsbereich hat der Senat nicht
feststellen können.
Inavigation
halt entnehmbar. Ihr kann demzufolge auch kein konkreter und unmittelbarer Aus-
sagegehalt mit Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ent-
nommen werden. Eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe der angemel-
deten Bezeichnung i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lässt sich damit nicht fest-
stellen.
Da der angemeldeten Marke aus den dargelegten Gründen für die beanspruchten
Waren und Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Be-
Inavigation
Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Zu beachten ist allerdings, dass sich der Schutzbereich Marke nach der konkreten
Eigenprägung der Gesamtbezeichnung bestimmt und beschränkt, ohne dass ein
hiervon losgelöster Schutz für einzelne Elemente oder auch die Abkürzung „I" und
das Wort „N/navigation“ beansprucht werden kann und deshalb andere Mitbewer-
ber nicht an der (beschreibenden) Verwendung einer Bezeichnung wie
„I Navigation“ oder „INavigation“ oder der einzelnen Markenelemente gehindert
sind.
Dr. Vogel von Falckenstein
Winter
Paetzold
Cl