Urteil des BPatG vom 04.07.2007

BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, patentgericht, auflage, wortmarke, kostenregelung, billigkeit, verfahrenskosten, beschwerdeschrift, gegenüberstellung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 112/07
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 43 160
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 4. Juli 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke 302 43 160
Pinu-Color
ist am 24. März 2003 in das Register eingetragen worden für die Waren „Lacke
und Farben“. Dagegen ist Widerspruch erhoben worden aus der Wortmarke
66 519
Pina
die seit 1904 in das Register eingetragen ist für die Waren „Teerfarbstoffe und
chemische Präparate für photographische Zwecke“ und deren Schutzdauer zuletzt
mit Wirkung vom 13. September 2003 verlängert worden ist.
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Zur Begründung ihres Widerspruchs hat die Widersprechende vorgetragen, die
Vergleichswaren seien identisch oder ähnlich. Die angegriffene Marke werde
durch den Wortbestandteil „Pinu“ geprägt und dieses Wort komme der Wider-
spruchsmarke verwechselbar nahe. Der zweite Wortbestandteil der angegriffenen
Marke „Color“ habe im Zusammenhang mit den für diese Marke eingetragenen
Lacken und Farben eine rein beschreibende Bedeutung und trete deswegen hinter
„Pinu“ zurück.
Demgegenüber vertrat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Auffassung,
dass der Gesamteindruck ihrer Marke gleichmäßig von beiden Wortbestandteilen
bestimmt werde, der Wortbestandteil „Pinu“ daher nicht isoliert kollisionsbegrün-
dend wirken könne. Selbst wenn die angegriffene Marke von „Pinu“ geprägt wer-
den sollte, wäre eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen,
weil sich das Kurzwort „Pinu“ durch die auf „u“ endende zweite Silbe deutlich
genug von der Widerspruchsmarke „Pina“ unterscheide.
Mit Beschluss vom 13. Januar 2006 hat die Markenstelle für Klasse 2 des Deut-
schen Patent- und Markenamts die angegriffene Marke gelöscht aus den von der
Widersprechenden vorgetragenen Gründen. Ihre Erinnerung gegen diesen Be-
schluss hat die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht begründet. Mit Erinne-
rungsbeschluss vom 16. November 2006 hat die Markenstelle den Erstbeschluss
bestätigt.
Hiergegen hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2006 Be-
schwerde eingelegt. Die anwaltlich vertretene Markeninhaberin hat ihre Beschwer-
de nicht begründet und hat auch keine Anträge gestellt.
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Die Widersprechende hat beantragt,
die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen
und der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens
aufzuerlegen.
In der Sache hat die Widersprechende im Beschwerdeverfahren keine Stellung-
nahme abgegeben.
Zu den weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Akten.
II.
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen
Erfolg, weil auch nach Auffassung des Senats zwischen den Vergleichsmarken
Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäi-
schen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände
des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Iden-
tität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den
Marken erfassten Waren. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren
Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzum-
fang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der
Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten
Faktoren (vgl. EuGH GRUR
1998, 387, 389 [Nr.
22] -
Sabèl/Puma; GRUR
Int. 2000, 899, 901 [Nr. 40] - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 [Nr. 18 f.]
- PICASSO; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 2001,
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507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2002, 626, 627 - IMS; GRUR 2004, 865, 866
-
Mustang; GRUR
2005, 513, 514 -
MEY/Ella May; GRUR
2006, 859, 860
- Malteserkreuz).
Vorliegend können sich die Vergleichsmarken im Bereich ähnlicher und identi-
scher Waren begegnen (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und
Dienstleistungen, 13. Auflage, S. 177, „Lacke“ den „Teerfarbstoffen“ ähnlich, und
S. 302, „Teerfarbstoffe“ den „Lacken“ und „Lackfarben“ ähnlich). Das hat die
Markenstelle bereits in ihrem ersten Beschluss festgestellt und die Markeninhabe-
rin hat diese Feststellung seitdem nicht in Frage gestellt.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich.
Bei dieser Ausgangslage muss die jüngere Marke einen klaren Abstand zur
Widerspruchsmarke halten. Diese Anforderung erfüllt die angegriffene Marke
nicht.
Sie unterscheidet sich zwar dadurch deutlich von der Widerspruchsmarke, dass
sie aus zwei verschiedenen Wörtern besteht, die Widerspruchsmarke dagegen nur
aus einem. In der angegriffenen Marke tritt jedoch der Wortbestandteil „Color“
hinter dem Bestandteil „Pinu“ so stark zurück, dass er für die Beurteilung des
Gesamteindrucks der angegriffenen Marke vernachlässigt werden muss und
„Pinu“ isoliert kollisionsbegründend wirkt.
Die angegriffene Marke setzt sich aus den beiden Wörtern „Pinu“ und „Color“
zusammen, die in gleicher Type gleich groß geschrieben und durch einen Binde-
strich verbunden sind. Schriftbildlich stellen sich beide Wörter daher als gleichge-
wichtig dar. Begrifflich ist der Wortbestandteil „Pinu“ uneingeschränkt kennzeich-
nungskräftig, denn in Bezug auf die „Farben und Lacke“, für die die angegriffene
Marke eingetragen ist, enthält dieses Wort keine beschreibenden Anklänge. Dem-
gegenüber ist das zweite Wort „Color“ der u.s.-amerikanische Ausdruck für Farbe
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und hat mit dieser Bedeutung Eingang in die allgemeine deutsche Umgangs- und
Werbesprache gefunden. Im Zusammenhang mit den Waren „Farben und Lacke“
ist er glatt beschreibend und kann daher - für sich genommen - keine Kennzeich-
nungskraft entwickeln. Auch die Kombination mit dem Markenbestandteil „Pinu“
ändert nichts an der zeichenrechtlichen Bedeutungslosigkeit des Markenbestand-
teils „Color“. Denn durch diese Kombination entsteht kein Sinngehalt, der über die
bloße Summe der beiden einzelnen Wörter hinausginge. Auch in der Kombination
tritt nur „Pinu“ als Herkunftszeichen in Erscheinung, während „Color“ direkt auf die
Waren hinweist, die unter diesem Herkunftszeichen vertrieben werden.
Für die Beurteilung einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr kommt es
daher nur auf die Gegenüberstellung der Widerspruchsmarke „Pina“ und dem
Wortbestandteil „Pinu“ aus der angegriffenen Marke an. Diese Wörter kommen
sich verwechselbar nahe. Sie sind identisch, ausgenommen nur der letzte Buch-
stabe. Hier stehen sich die Vokale „a“ und „u“ gegenüber, die in der deutschen
Phonetik keine so klaren Gegensätze darstellen, dass mit ihrer Hilfe trotz der
bestehenden Übereinstimmungen im Übrigen eine Verwechslung sicher ausge-
schlossen werden könnte.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke
zurückzuweisen.
Eine Kostenauferlegung zu Lasten der Inhaberin der angegriffenen Marke in
Abweichung von der Kostenregelung gem. § 71 Abs. 1 MarkenG, wonach jeder
Beteiligte seine Kosten selbst trägt, kam nicht in Betracht. Die Widersprechende
hat keine Umstände vorgetragen, die es aus Gründen der Billigkeit erforderlich
machen könnten, die Verfahrenskosten der Markeninhaberin aufzuerlegen. Solche
Umstände sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere stellt es keine verfah-
rensrechtliche Sorgfaltspflichtverletzung dar, dass die Markeninhaberin ihre Be-
schwerde nicht begründet hat. Denn im registerrechtlichen Beschwerdeverfahren
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besteht dazu keine Verpflichtung (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 66
Rdn. 34 und § 71 Rdn. 16 mit weit. Nachw.)
Diese Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen. Das Patentgericht
entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche
Verhandlung, § 69 MarkenG. Eine mündliche Verhandlung ist lediglich vorge-
schrieben, wenn einer der Beteiligten sie beantragt, Beweis erhoben werden soll
oder wenn das Patentgericht eine solche für sachdienlich hält. Die Beteiligten des
Beschwerdeverfahrens haben also zu gewärtigen, dass das Beschwerdegericht
ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht ist als Beschwerdegericht
grundsätzlich auch nicht gehalten, den Beteiligten Äußerungsfristen zu setzen
oder einen beabsichtigten Termin zur Beschlussfassung mitzuteilen. Das Gebot
zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gebietet lediglich, dass für die Verfahrensbe-
teiligten die Möglichkeit besteht, sich in eigener Sache und zu dem Vorbringen der
Gegenseite zu äußern. Insoweit genügt in der Regel ein Zeitraum von zwei
Wochen (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 - „Ceco“). Hier hat die anwaltlich vertre-
tene Inhaberin der angegriffenen Marke keinen Antrag auf Durchführung einer
mündlichen Verhandlung gestellt. Auf den entsprechenden Hilfsantrag der Wider-
sprechenden und Beschwerdegegnerin kommt es nicht an, weil dieser Antrag nur
für den Fall gestellt worden war, dass der Senat den Anträgen der Wider-
sprechenden nicht bereits im schriftlichen Verfahren stattgeben wollte. Die Inhabe-
rin der angegriffenen Marke hatte seit Einreichung ihrer Beschwerdeschrift am
21. Dezember 2006 mehr als fünf Monate Zeit, ihre Beschwerde zu begründen
und ihre Anträge zu stellen. Einer Entscheidung des Gerichts im schriftlichen
Verfahren stand daher nichts im Wege.
gez.
Unterschriften