Urteil des BPatG vom 16.05.2006

BPatG: stand der technik, patentanspruch, kunststoff, behandlung, erfindung, bahn, ausbildung, abnutzung, beschränkung, neuheit

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
34 W (pat) 22/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Mai 2006
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 195 47 164
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hat der 34. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2006 durch …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der
Patentabteilung 27 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
19. Februar 2003 aufgehoben und das Patent widerrufen.
G r ü n d e
I
Mit Beschluss vom 19. Februar 2003 hat die Patentabteilung das Patent be-
schränkt aufrechterhalten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.
Die Patentinhaberin verteidigt das Patent im Beschwerdeverfahren zuletzt mit ei-
nem neugefaßten Patentanspruch
1 gemäß Hilfsantrag
II, eingegangen am
7. April 2006, der folgenden Wortlaut hat:
Kalander für die Behandlung einer Papierbahn, die nacheinander
erste und zweite Arbeitsspalte durchläuft, die jeweils zwischen ei-
ner harten Walze und einer elastischen Walze gebildet sind, wobei
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die eine Seite der Bahn in den ersten Arbeitsspalten an den harten
Walzen und in den zweiten Arbeitsspalten an den elastischen
Walzen anliegt, wobei die elastischen Walzen einen elastischen
Bezug (31) aus Kunststoff tragen, dadurch gekennzeichnet, dass
zumindest die den letzten Arbeitsspalt (16) begrenzende elasti-
sche Walze (9; 41) eine geringere Oberflächenrauhigkeit als alle
einen ersten Arbeitsspalt (11 bis 14) begrenzende elastische Wal-
zen (2, 4, 6; 36, 38) besitzt, diese geringere Oberflächenrauhigkeit
R
a
< 0,35 μm ist und alle die zweiten Arbeitsspalte (15, 16) be-
grenzenden elastischen Walzen (7, 9; 39, 41) eine geringere
Oberflächenrauhigkeit R
a
< 0,35 μm besitzen.
Die Einsprechende macht geltend, der Kalander gemäß dem geltenden Patentan-
spruch 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu wi-
derrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
das Patent mit dem am 7. April 2006 eingegangenen Patentan-
spruch 1 (gemäß Hilfsantrag II) sonst wie erteilt beschränkt auf-
rechtzuerhalten und die weitergehende Beschwerde zurückzuwei-
sen.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 (Hilfsan-
trag II) gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu sei und auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhe.
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Von den im Verfahren befindlichen Druckschriften ist die folgende von Bedeutung:
(D1) Lauterbach, Thomas J.: Synthetic Composite Covers in Su-
percalenders: update. In: Tappi Journal, Vol. 76, No. 6, Juni 1993,
Seiten 115 bis 119.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Der Einspruch ist unstreitig zulässig.
Der Kalander gemäß dem verteidigten Anspruch 1 ist nicht neu.
1) Zum Verständnis der Lehre des geltenden Patentanspruchs 1:
Beansprucht wird ein Kalander, der erste und zweite Arbeitsspalte aufweist, d. h.
jeweils mindestens zwei Spalte, die jeweils zwischen einer harten und einer elasti-
schen Walze gebildet sind. Gemäß dem Oberbegriff des geltenden Patentan-
spruchs 1 liegt eine Seite der Papierbahn in den ersten Arbeitsspalten an den
harten Walzen und in den zweiten Arbeitsspalten an den elastischen Walzen an.
Für den Fachmann, einen Maschinenbau-Ingenieur mit jahrelanger Erfahrung in
der Entwicklung und Konstruktion von Kalandern, ist ohne weiteres ersichtlich,
dass bei lediglich zwei zweiten Arbeitsspalten nur eine elastische Walze erforder-
lich ist, wenn diese mit zwei an ihr anliegenden harten Walzen zwei Arbeitsspalte
bildet. Eine entsprechende Ausbildung ist demgemäß durch den Patentanspruch 1
mit umfasst.
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2) Die Erfindung bezieht sich auf einen Kalander für die Behandlung einer Pa-
pierbahn, die nacheinander erste und zweite Arbeitsspalte durchläuft, die jeweils
zwischen einer harten Walze und einer elastischen Walze gebildet sind, wobei die
eine Seite der Bahn in den ersten Arbeitsspalten an den harten Walzen und in den
zweiten Arbeitsspalten an den elastischen Walzen anliegt.
Kalander der hier betrachteten Art sind bekannt. Um der Papierbahn beidseitig
einen hohen Glanz bzw. eine hohe Glätte zu verleihen, wird zunächst die eine
Oberfläche in den ersten Arbeitsspalten elastisch gegen die glatten harten Walzen
und dann in den zweiten Arbeitsspalten die andere Oberfläche elastisch gegen die
harten Walzen gepresst. Zu diesem Zweck weist der Kalander einen Walzenstapel
auf, der zwischen den ersten und den zweiten Arbeitsspalten einen Wechselspalt
besitzt.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Kalander anzugeben, mit dem es
möglich ist, der Papierbahn beidseitig annähernd gleiche, hohe Glanz- oder Glät-
tewerte zu verleihen (vgl. Patentschrift Spalte 1 Zeilen 31 bis 34).
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch einen Kalander mit den Merkmalen
des Patentanspruchs 1 gelöst.
Der geltende Patentanspruch 1 beschreibt einen Kalander, der in seiner einfachs-
ten Ausführungsform sechs Walzen mit einem Wechselspalt aufweist, der durch
zwei harte Walzen gebildet ist. An diese beiden harten Walzen schließt sich bei
vertikaler Anordnung des Walzenstapels oben und unten je eine elastische Walze
an, an die sich wiederum jeweils eine harte Walze anschließt. Ein derartiger
Kalander war nach Auffassung des Senats am Anmeldetag bekannt, was auch die
Patentinhaberin eingeräumt hat. Die elastischen Walzen können zudem einen Be-
zug aus Kunststoff tragen, wie er aus der D1 bekannt ist, was die Patentinhaberin
ebenfalls nicht bestreitet.
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Ein derartiger Kalander zur Behandlung einer Papierbahn weist somit oberhalb
des Wechselspaltes zwei erste Arbeitsspalte und unterhalb zwei zweite Arbeits-
spalte auf, die jeweils zwischen einer harten und einer elastischen Walze gebildet
sind. Die eine Seite der Papierbahn liegt dabei in den ersten Arbeitsspalten an den
harten Walzen und in den zweiten Arbeitsspalten an der elastischen Walze an. Die
Ausbildung der zweiten Arbeitsspalte mit nur einer elastischen Walze wird, wie
oben dargelegt, durch den Patentanspruch 1 mit umfasst. Dieser bekannte Kalan-
der weist daher die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 auf.
Die mit einem Bezug aus Kunststoff nach der D1 versehenen elastischen Walzen
weisen zu Beginn ihres Einsatzes im Kalander Rauhigkeitswerte von ca. 0,4 µm
auf. Durch die Benutzung im Kalander vermindern sich die Rauhigkeitswerte auf
< 0,2 µm (vgl. D1, Seite 118, mittlere Spalte, Abs. 2). Wenn danach die obere
elastische Walze auf Grund von Beschädigungen oder Abnutzung ausgetauscht
werden muss, weist sie wieder Rauhigkeitswerte von ca. 0,4 µm auf.
Zumindest direkt nach dem Austausch der oberen elastischen Walze besitzt damit
die den letzten Arbeitsspalt begrenzende elastische Walze eine geringere Ober-
flächenrauhigkeit als die die ersten Arbeitsspalte begrenzende elastische Walze.
Die Oberflächenrauhigkeit der den letzten Arbeitsspalt begrenzenden elastischen
Walze ist < 0,2 µm, mithin < 0,35 µm. Außerdem besitzen alle die zweiten Arbeits-
spalte begrenzenden elastischen Walzen, vorliegend eine Walze, eine geringere
Oberflächenrauhigkeit R
a
< 0,35 µm. Auch alle kennzeichnenden Merkmale des
geltenden Patentanspruchs 1 sind somit verwirklicht.
Der bekannte Kalander weist somit während des Betriebs unmittelbar nach dem
Austausch der oberen elastischen Walze sämtliche Merkmale des Patentan-
spruchs 1 auf.
Der geltende Patentanspruch 1 ist daher mangels Neuheit seines Gegenstandes
nicht gewährbar.
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Mit ihm fallen zwangsläufig die auf ihn rückbezogenen Ansprüche.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass bei
dem patentgemäßen Kalander der Wechselspalt üblicherweise durch elastische
Walzen gebildet ist. Im verteidigten Patentanspruch 1 findet diese Auffassung
keine Stütze. Der Senat hat von einem Hinweis zur Beschränkung des Patents in
diesem Sinne abgesehen, da der Gegenstand eines entsprechend eingeschränk-
ten Patentanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen würde.
gez.
Unterschriften