Urteil des BPatG vom 05.06.2002

BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, internet, patent, verkehr, begriff, alter, fremdsprache, hobby, heimatort

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 141/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 00 841.1
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 5. Juni 2002 unter Mitwirkung des Richters Kraft als Vorsitzendem
sowie des Richters Reker und der Richterin Eder
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts vom 3. Mai 2000 und 26. Juli 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung
REISEFREUNDE
für die Dienstleistungen
"Veranstaltung von Ausflugsfahrten und Reisen; Beförderung von
Personen mit Autobussen; Buchung von Reisen; Reisebegleitung"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese
Anmeldung zurückgewiesen, weil es sich bei ihr um eine freihaltebedürftige, be-
schreibende und nicht unterscheidungskräftige Angabe handle. Die angemeldete
Bezeichnung stelle nämlich eine Bestimmungsangabe in dem Sinne dar, daß sich
die so gekennzeichneten Dienstleistungen an Personen richteten, die Freunde des
Reisens seien, also gerne reisten. Dabei werde das Grundwort durch das Be-
stimmungswort lediglich näher erläutert. Zum einen gebe es eine Reihe vergleich-
bar gebildeter, in der Umgangssprache übliche Begriffe (wie Jugendfreund, Blu-
menfreund, Tierfreund usw), zum anderen habe eine Recherche im Internet erge-
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ben, daß eine Vielzahl von Reiseveranstaltern den angemeldeten Begriff zur An-
rede und näheren Bestimmung ihrer Zielgruppe verwende. Die beanspruchten
Dienstleistungen ließen sich auch sämtlich dem thematisch einschlägigen Touris-
mussektor zuordnen. Damit stehe die Sachaussage ohne jegliche Mehrdeutigkeit
im Vordergrund, ohne daß Raum für eine die Unterscheidungskraft begründende
Eigenart bleibe.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Das angemeldete
Wort sei weder im Sprachgebrauch noch lexikalisch nachweisbar. Vielmehr sei es
phantasievoll mehrdeutig. Ein „Reisefreund“ könne sowohl ein Freund, also ein
Anhänger von Reisen, aber auch ein von einer Reise her eng verbundener
Mensch sein. Hinsichtlich der im Internet gefundenen und der Anmelderin entge-
gengehaltenen Fundstellen sei anzumerken, daß das Internet mit seinen Fund-
stellen nicht wirklich aussagekräftig sei und auch nicht den allgemeinen Sprach-
gebrauch wiedergebe. Auf ähnliche Voreintragungen wird hingewiesen.
Die Anmelderin beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 2000 und
26. Juli 2001 aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Be-
zeichnung stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht
entgegen.
Die angemeldete Bezeichnung ist keine Angabe, die im Verkehr zur Bezeichnung
der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger
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Merkmale der beanspruchten Dienstleistungen dienen kann (§ 8 Abs 2 Nr 2 Mar-
kenG). Zu den nach dieser Vorschrift vom Markenschutz ausgeschlossenen An-
gaben zählen nicht nur die dort aufgeführten, sondern auch solche, die für die
Erbringung von Dienstleistungen wichtige und die umworbenen Abnehmerkreise
irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden
Dienstleistungen selbst beschreiben (BGH GRUR 1998, 813, 814 – CHANGE;
BlPMZ 1999, 410, 411 – FOR YOU) und die entweder gegenwärtig bereits als
Sachaussage benutzt werden oder deren Benutzung als Sachaussage aufgrund
konkret feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (BGH
GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH). Eine solche konkret und unmittelbar dienst-
leistungsbeschreibende Angabe ist der angemeldeten Bezeichnung jedoch nicht
zu entnehmen.
Zwischen dem Sinngehalt der angemeldeten Marke und den beanspruchten
Dienstleistungen besteht kein beschreibender, unmittelbarer Sachzusammen-
hang. Die angemeldete Bezeichnung beinhaltet nämlich bei unbefangener Be-
trachtungsweise von Hause aus zwei Sinngehalte. Sie bezeichnet Menschen, die
gerne reisen, also Freunde des Reisens sind, aber auch solche, die ein Dritter auf
einer Reise kennen- und schätzengelernt hat und nunmehr als seine Freunde be-
zeichnet. Damit ist die angemeldete Bezeichnung bereits aus sich heraus mehr-
deutig. Auch wenn der Aussagegehalt der angemeldeten Bezeichnung angesichts
der beanspruchten Dienstleistungen und der im Internet auch vom Senat gefun-
denen Nachweise auf die erste der beiden Möglichkeiten, nämlich auf Menschen,
die gerne reisen, eingeschränkt wird, steht ihr kein Eintragungshindernis entge-
gen. Zu unklar bleibt nämlich bei dieser Deutung, für welche konkrete Zielgruppe
die betreffenden Dienstleistungen bestimmt sind. Ist eine Zielgruppe bei Bezeich-
nungen wie "Senioren", "Kinder", "Singles", aber auch beispielsweise "Jagd-
freunde", "Angelfreunde" oder "Wanderfreunde" klar umrissen und auf Menschen
eingegrenzt, die entweder bestimmte Eigenschaften wie Alter oder Personensta-
tus oder ein bestimmtes Hobby haben, so trifft dies auf den Begriff "Reisefreunde"
nicht zu. Als "Reisefreunde" können nämlich im Grunde genommen alle Men-
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schen bezeichnet werden, die reisen, also sich in wie auch immer gearteter
Weise von ihrem Heimatort wegbegeben. Hinzu kommt, daß auch die Gestaltung
der angebotenen Dienstleistungen anders als möglicherweise bei einer eingrenz-
baren Zielgruppe völlig offen ist. "Reisefreunde" können sich in Geschlecht, Alter,
Interessen, Hobbies usw in einem solchen Ausmaß unterscheiden, daß der vor-
liegende Begriff mithin nicht als unmittelbar beschreibende, konkrete Sachangabe
angesehen werden kann. Damit stellt die angemeldete Angabe keine hinreichend
beschreibende Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe oder eine sonst ir-
gendwie für die beanspruchten Dienstleistungen eindeutige beschreibende An-
gabe im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dar.
Der angemeldeten Bezeichnung kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im
Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft
besitzt eine Marke dann, wenn sie geeignet ist, die Dienstleistungen eines Unter-
nehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dabei reicht
nach der Formulierung des Gesetzes jede wenn auch noch so geringe Unter-
scheidungskraft aus, um das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungs-
kraft zu überwinden. Einer Marke kann aber dann nicht jegliche Unterscheidungs-
kraft abgesprochen werden, wenn ihr kein für die in Frage stehenden Dienst-
leistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet
werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deut-
schen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches
und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH BlPMZ 1999, 408 -
YES).
Die angemeldete Marke ist jedoch, wie bereits festgestellt, nicht unmittelbar be-
schreibend. Der Senat hat auch keine Feststellungen zu treffen vermocht, die die
angemeldete Bezeichnung als gebräuchliches Wort der Alltagssprache ausweist,
das vom Verkehr allein und stets als solches aufgenommen und nur in seinem Ur-
sprungssinn verstanden wird. Dem stehen im vorliegenden Fall auch die im Inter-
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net gefundenen Nachweise nicht entgegen. Für diese gilt ebenfalls die oben dar-
gelegte Mehrdeutigkeit des angemeldeten Begriffs. Im übrigen ist zu berücksichti-
gen, daß der Verkehr erfahrungsgemäß wenig geneigt ist, eine Waren- oder
Dienstleistungsbezeichnung begrifflich zu analysieren und eine solche Bezeich-
nung in der Regel so annimmt, wie sie ihm entgegentritt (BGH GRUR 1992, 515
- Vamos; aaO - PROTECH), wenn sie markenmäßig verwendet wird (BGH BlPMZ
2000, 53, 55 - FÜNFER).
Kraft Reker Eder
Bb