Urteil des BPatG vom 13.09.2005

BPatG: beschreibende angabe, verwechslungsgefahr, begriff, bestandteil, kennzeichnungskraft, brücke, verkehr, funk, bekleidung, wörterbuch

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 170/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
13. September 2005
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 301 20 085
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
den Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, die Richterin Friehe-Wich und die
Richterin Prietzel-Funk auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2005
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Eintragung der Wortmarke 301 20 085
POLAR FUR
für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 ent-
halten
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen
ist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke GM 001774488
Polarskin
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eingetragen für die Waren und Dienstleistungen
Klasse 24: Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 ent-
halten; Bettwäsche und Tischdecken
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen.
Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch durch Beschluss vom 14. April 2004 zurückgewiesen. Zur Begrün-
dung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, die die
Löschung der jüngeren Marke rechtfertigen könnte, sei selbst bei Zugrundelegung
der teilweisen Identität bzw hohen Ähnlichkeit der beiderseits beanspruchten Wa-
ren nicht gegeben. Die Ähnlichkeit der Marken sei hierfür nicht ausreichend. Beide
Marken besäßen als werbeübliche Wortbildungen für kältetaugliche Waren, hier
Häute (skin) und Felle/Pelze (fur) nur eine sehr geringe Kennzeichnungskraft. Das
englische Wort "polar" habe im Deutschen eine entsprechende Bedeutung und
werde, wie zitierte Belege zeigten, in der Werbung vielfach eingesetzt, wenn die
entsprechenden Waren kältetauglich, also selbst für sehr niedrige Temperaturen
in den Polargebieten geeignet seien. Für derartige Marken sei der Schutzbereich
eng zu bemessen und nur auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprä-
gung zu beschränken. Daher seien die sich gegenüber stehenden Marken weder
in klanglicher, noch in visueller oder begrifflicher Hinsicht verwechselbar, denn
"skin" und "fur" unterschieden sich hinreichend voneinander. Das Wort "polar" sei
aber auch wegen der erörterten Kennzeichnungsschwäche nicht geeignet, die
Marken zu prägen und eine selbständig kennzeichnende Funktion auszuüben. Da-
her komme auch eine assoziative Verwechslungsgefahr nicht in Betracht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffas-
sung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der beiderseitigen Wa-
renanmeldungen erforderliche Abstand der Marken sei nicht eingehalten. Eine
Haut sei im weiteren Sinne auch ein Fell und umgekehrt, zudem werde sowohl
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"skin" als auch "fur" mit "Fell" übersetzt. Die angegriffene Marke sei wegen des
Bestandteils "Polar" eingetragen worden. Dieser Bestandteil sei aber identisch in
der Widerspruchsmarke enthalten. Die Marken bestünden jeweils aus der Kombi-
nation eines deutschen und englischen Wortes, daher könne auch die assoziativer
Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene
Marke zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den Beschluss der Markenstelle als auch unter Berücksichtigung des
Beschwerdevorbringens der Widersprechenden zutreffend und hält eine Ver-
wechslungsgefahr nicht für gegeben.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen
den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr
von Verwechslungen der Vergleichsmarken iSd §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
zutreffend verneint.
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Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeit-
rang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten
Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen
besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Ver-
bindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem
allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen
allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlich-
keit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft
der älteren Marke (st Rspr; vgl BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR
2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 239 – DONLINE; GRUR 2004, 594, 596 –
Ferrari-Pferd; GRUR 2005, 427, 428 – Lila-Schokolade).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke ist als äußerst gering anzusehen, denn das Markenwort "Polarskin"
lehnt sich ersichtlich an eine rein beschreibende Angabe an.
Im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs "Polar" im Zusammenhang mit kälte-
tauglicher Bekleidung hat die Markenstelle in dem angegriffenen Beschluss bereits
zutreffende Belege zitiert, denen aus Sicht des Senats lediglich hinzuzufügen ist,
dass es sogar den Begriff "Polarbekleidung" selbst gibt. Auch die Widerspre-
chende hat nicht vorgetragen, aus welchem Grunde der Begriff "Polar" nicht be-
schreibend sei, wenn dieser sogar, wie sie selbst zutreffend ausgeführt hat, in die
deutsche Sprache eingegangen ist. Der Begriff "skin" gehört zum Grundwort-
schatz der englischen Sprache und wird ohne weiteres von deutschsprachigen
Verkehrskreisen als "Haut" verstanden, und zwar im Zusammenhang mit Beklei-
dung als im übertragenen Sinne "2. Haut", wie auch die Widersprechende nicht in
Abrede stellt. Zutreffend hat die Markenstelle darauf abgestellt, dass sog schwa-
chen Marken, also solchen Marken, deren Markenwort sich wie hier an eine be-
schreibende Angabe anlehnt, auf sie Bezug nimmt oder eine sonstige Nähe zu ihr
aufweist, nur ein geringer Schutzumfang zuzubilligen ist, und zwar nach Maßgabe
der Eigenprägung und Unterscheidungskraft, die dem Zeichen - trotz seiner An-
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lehnung an die freizuhaltende Angabe - die Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl BGH
GRUR 1989, 264, 265 - REYNOLDS R 1/EREINTZ; GRUR 1989, 349, 350
- ROTH-HÄNDLE-KENTUCKY/Cenduggy; GRUR 1999, 238, 240 - Tour de cul-
ture; GRUR 2003, 963, 964 AntiVir/AntiVirus). Ein darüber hinausgehender Schutz
kann nicht beansprucht werden. Bei Zeichen, die sich wie "Polarskin" als Abwand-
lungen freihaltungsbedürftiger Angaben darstellen, kann demnach bei der Prüfung
einer Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit
der beschreibenden Angabe selbst abgestellt werden. Maßgebend für die Beur-
teilung der Verwechslungsgefahr muss vielmehr gegenüber der angegriffenen
Bezeichnung "Polar Fur" der Eindruck der Widerspruchsmarke "Polarskin" in der
den Schutz dieses Zeichens begründenden Gestaltung sein (vgl BGH aaO,
AntiVir/AntiVirus). Trotz der hier festzustellenden bis zur Identität reichenden Wa-
renähnlichkeit kann daher selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe wie geboten
eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 S 2 MarkenG nicht bejaht wer-
den. Zwar weist auch die angegriffene Marke den Wortbestandteil "Polar" auf.
Dieser ist aber, wie erörtert, als rein beschreibend für die in Anspruch genomme-
nen Waren anzusehen, so dass er entgegen der Auffassung der Widersprechen-
den nicht geeignet ist, eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Der zweite Be-
standteil "fur" der angegriffenen Marke dagegen ist als für diese Marke selbständig
schutzbegründend anzusehen. Der Beschluss des Bundespatentgerichts vom
29. Januar 2003 (32 W (pat) 286/01), auf den die angegriffene Marke eingetragen
worden ist, führt insoweit aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Be-
standteil "fur" (Pelz/Fell) derart in die deutsche Sprache eingegangen sei, dass
seine Bedeutung innerhalb der maßgeblichen Verkehrskreise des inländischen
Verkehrs verstanden wird. Dem schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall
insoweit an, als auch er es nicht auszuschließen vermag, dass der Begriff "fur"
von einem hier maßgeblichen Teil des angesprochenen Verkehrs nicht zutreffend
verstanden wird. Schon aus diesen Gründen kommt eine begriffliche Brücke zu
"skin" nicht in Betracht. Selbst wenn aber Teile des Verkehrs "fur" als Wort der
englischen Sprache kennen, so werden sie es entsprechend seiner Bedeutung mit
"Pelz" oder "Fell", nicht aber mit "Haut" im Sinne von "skin" übersetzten. Eine ge-
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dankliche Brücke von "fur" zu "skin" ergibt sich entgegen der Auffassung der Wi-
dersprechende auch nicht aus der Tatsache, dass nach einer von ihr vorgelegten
Fotokopie aus einem Wörterbuch für die englische Sprache sowohl das Wort "fur"
als auch das Wort "skin" mit "Fell" übersetzt werden kann. Es kann aber nicht da-
von ausgegangen werden, dass deutschen Sprachkreisen diese Feinheit der eng-
lischen Sprache in noch zu berücksichtigendem Maße bekannt ist und deshalb
Verwechslungsgefahr besteht. Vielmehr begegnet der deutschsprachige Verkehr
dem Begriff "skin" oft in Verbindung mit Kosmetik, also im Zusammenhang mit
menschlicher Haut - und nicht einem tierischen Fell oder gar Pelz, zudem wird mit
dem bekannten Begriff "skin-head" ganz überwiegend ein Mensch mit einem glatt
geschorenen Schädel assoziiert. Daher ist der Begriff "skin" ganz vorrangig mit
der Assoziation "menschliche Haut" sowie "glatt (unbehaart)" belegt. Der Begriff
"fur" ist dagegen begrifflich allein auf eine Tierhaut zu beziehen, egal ob diese
eine lange, dichte Behaarung im Sinne eines Pelzes oder sonstige Behaarungs-
merkmale eines Felles aufweist. Die semantischen Überschneidungen zwischen
"skin" und "fur" sind demnach so gering, dass sie für die Beurteilung der Ver-
wechslungsgefahr zu vernachlässigen sind.
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr in dem Sinne, dass das Publikum die Kolli-
sionszeichen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 MarkenG gedanklich miteinan-
der in Verbindung bringt, ist ebenfalls nicht gegeben. Diese Art der Verwechs-
lungsgefahr kommt in Betracht, wenn der Verkehr zwei an sich unterschiedliche
Marken wegen eines gemeinsamen charakteristischen Bestandteils derselben be-
trieblichen Ursprungsstätte zuordnet. Hierfür ist der gemeinsame Begriff "Polar"
jedoch nicht geeignet, weil er, wie oben erörtert, rein beschreibend ist und daher
keine Herkunftshinweisfunktion wahrnehmen kann.
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III.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 S 2 Mar-
kenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. van Raden
Friehe-Wich
Prietzel-Funk
Hu