Urteil des BPatG vom 23.05.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
17 W (pat) 95/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
23. Mai 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 198 35 897.0-55
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2006 unter Mitwirkung …
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G
06
F des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 17. Juli 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhand-
lung,
Beschreibung Seiten 1 bis 3, 5 bis 7 vom 9. Dezember 1999,
Seiten 3a, 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
Seiten 8 bis 13 vom Anmeldetag,
8 Blatt Zeichnungen mit 7 Figuren vom 21. Oktober 1998.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 7.August 1998 beim Deutschen Patent-
und Markenamt unter der Bezeichnung
„Verfahren und Vorrichtung für das Wiedereinschreiben von
Servoinformation auf eine Platte in einer Festplattenvorrichtung“
angemeldet worden.
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und
Markenamts durch Beschluss vom 17.
Juli
2003 mit der Begründung
zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu sei.
- 3 -
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhand-
lung,
Beschreibung Seiten 1 bis 3, 5 bis 7 vom 9. Dezember 1999,
Seiten
3a, 4, überreicht in der mündlichen
Verhandlung,
Seiten 8 bis 13 vom Anmeldetag,
8 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7 vom 21. Oktober 1998.
Die Anmelderin ist der Ansicht, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu und ba-
siere auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet in der Fassung, die in der mündlichen
Verhandlung am 23. Mai 2006 eingereicht wurde:
„1. Verfahren
zum
Wiedereinschreiben von Servoinformation auf
mindestens eine Platte (100) eines Festplattenlaufwerks (18) mit
folgenden Schritten:
a) Positionieren eines Festplattenarms
(20, 108) auf einer
äußersten Spur der Platte (100);
b) Schreiben neuer Servomuster mit mindestens einem
Lese/Schreibkopf (110 a-d);
c)
Prüfen, ob der Festplattenarm (20, 108) einen Kollisionsstop
des inneren Durchmessers erreicht hat;
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d) Fortsetzen des Schreibens neuer Servomuster mit dem
Lese/Schreibkopf (110 a-d) so lange, bis der Festplatten-
arm (20, 108) den Kollisionsstop des inneren Durchmessers
erreicht hat;
e) wenn in Schritt
c) ermittelt wurde, dass der
Festplattenarm
(20, 108) den Kollisionsstop des inneren
Durchmessers erreicht hat, Positionieren des Lese/
Schreibkopfes auf einer Spur (200) jenseits einer Position
des Kollisionsstops des inneren Durchmessers;
f)
Schreiben neuer Servomuster und Daten
g)
Wiederholen des Schrittes f) für eine vorbestimmte Anzahl
von Spuren, die sich jenseits des Kollisionsstops des inneren
Durchmessers befinden.“
Der geltende, ebenfalls in der mündlichen Verhandlung am 23.
Mai
2006
eingereichte, nebengeordnete Patentanspruch 5 lautet:
„5. Festplattenlaufwerk
(18), das angepasst ist, um das
Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche aus-
zuführen, wobei das Laufwerk ein Gehäuse, einen Spindel-
motor
(104), der an dem Gehäuse befestigt ist, einen
Verstellarm (108), eine Vielzahl von Platten (100), jede mit einer
Vielzahl von Spuren und eine Vielzahl von Lese/
Schreibköpfen (110 a-d) umfasst, und
wobei der Verstellarm (108) mittels eines externen mechanischen
Positioniersystems bewegbar ist, um die Vielzahl von Lese/
Schreibköpfen auf einer Spur (200) jenseits einer Position des
Kollisionsstops des inneren Durchmessers zu positionieren.“
Die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe besteht gemäß Seite 3a letzter
Absatz und Seite
4 erster Absatz der geltenden Beschreibung darin, ein
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verbessertes Verfahren und eine verbesserte Vorrichtung für das
Wiedereinschreiben von Servoinformation auf einem Plattenpaket in einer
Festplattenvorrichtung anzugeben.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende
Druckschriften in Betracht gezogen worden:
D1: DE 197 21 719 A1,
D2: US 5 650 882,
D3: DE 196 54 589 A1.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt ver-
wiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch begründet, da die Gegenstände des An-
spruchs 1 und des nebengeordneten Anspruchs 5 nach §§ 1 bis 5 PatG patentfä-
hig sind.
Die Anmeldung betrifft ein Verfahren zum Wiedereinschreiben von
Servoinformation einer oder mehrerer Platten eines Festplattenlaufwerks.
In einem Festplattenlaufwerk ist jede Platte in Spuren eingeteilt, auf die ein an
einem Festplattenarm befestigter Lese/Schreibkopf zugreifen kann. Vor dem
Datenschreiben oder Datenlesen wird Servoinformation von einer oder mehreren
Platten gelesen und dazu benutzt, den oder die Lese/Schreibköpfe zu
positionieren. Soll eine Platte völlig neu formatiert und beschrieben werden, so
wird zunächst neue Servoinformation auf die Platte geschrieben. Wenn alle
Spuren einer Platte, die bereits existierende Servoinformation aufweist, mit zu
dieser versetzt angeordneter, neuer Servoinformation beschrieben werden, so
existieren in jeder Spur der Platte sowohl Bereiche mit alter als auch Bereiche mit
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neuer Servoinformation. Damit dies nicht zu Verwirrung und Fehlern bei der
Positionierung führt, wird beim in der Anmeldung beschriebenen Stand der
Technik vor dem Wiedereinschreiben von Servoinformation die gesamte Platte
gelöscht.
Im Festplattenlaufwerk sind üblicherweise ein innerer und ein äußerer
Kollisionstop vorhanden, die verhindern, dass der Arm mit dem Lese/Schreibkopf
über den innersten bzw. äußersten Plattenbereich hinausbewegt wird.
Beim Wiedereinschreiben von Servoinformation werden gemäß der vorliegenden
Anmeldung in einer Anzahl von Spuren im innersten Plattenbereich sowohl
Servomuster als auch Daten auf alle Sektoren der ganzen Spur geschrieben, so
dass dort evtl. vorhandene alte Servomuster überschrieben und damit gelöscht
werden, vgl. Figur 7a mit der zugehörigen Beschreibung. Die so beschriebenen
Spuren liegen jenseits einer durch den inneren Kollisionsstop vorgegebenen
Position, also in einem Bereich, der üblicherweise in einem Festplattenlaufwerk für
einen Schreib- oder Lesezugriff nicht zugänglich ist. Ein Vorteil dieser
Vorgehensweise ist, dass vor dem Servoschreiben nicht die gesamte Platte (bzw.
das gesamte Plattenpaket) gelöscht werden muss, und dass der gesamte
Plattenbereich besser als bisher ausgenutzt wird.
Als Fachmann ist hier ein Ingenieur mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung in der
Entwicklung von Plattenlaufwerken anzusehen.
Die Patentansprüche 1 bis 5 sind zulässig.
Der Patentanspruch 1 geht aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 sowie der
Figur 7A mit der zugehörigen Beschreibung hervor.
Der nebengeordnete Patentanspruch 5 geht aus dem ursprünglichen Anspruch 7
sowie den Figuren 3A, 3B und 4 mit der zugehörigen Beschreibung hervor. Das
ein externes mechanisches Positioniersystem betreffende Merkmal ist zwar in den
ursprünglichen Unterlagen nicht explizit erwähnt. Ein spezielles derartiges
Positioniersystem ist jedoch insbesondere der Figur 3B in Verbindung mit der
zugehörigen Beschreibung zu entnehmen. Die Angabe „externes mechanisches
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Positioniersystem“ stellt eine Verallgemeinerung des in Figur 3B dargestellten
Systems dar. Für den Fachmann war ohne Weiteres erkennbar, dass eine solche
Verallgemeinerung von der Erfindung umfasst ist; der Anspruch 5 ist somit
zulässig, vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Auflage, § 34 Rdn. 314, ebenso BGH in
Mitt. 2005, 552 „Einkaufswagen II“.
Auch die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 4 sind in den
ursprünglichen Unterlagen offenbart; sie gehen aus den Figuren 7A (Anspruch 2),
7B (Anspruch 3), jeweils in Verbindung mit der zugehörigen Beschreibung, und
aus der Beschreibung Seite 6 Absatz 2 (Anspruch 4) hervor.
Die Gegenstände des Patentanspruchs
1 und des nebengeordneten
Patentanspruchs 5 sind neu und beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der in der Druckschrift D1 ausgewiesene Stand der Technik kommt der
vorliegenden Anmeldung am nächsten. In D1 ist ein Verfahren zum
Wiedereinschreiben von Servoinformation auf Platten in einem Plattenlaufwerk
ausgewiesen. Gemäß Fig. 1 und 3 mit Beschreibung wird beginnend im äußeren
Plattenbereich die Servoinformation jeweils versetzt auf die einzelnen Spuren
(Zylinder) einer Platte geschrieben. Ist beim Schreibverfahren eine von mehreren,
besonders eingestellten Spuren erreicht, so wird diese und die folgenden, ebenso
eingestellten Spuren mit einem „konventionellen Servoschreibverfahren“
beschrieben; hierbei werden zusätzlich Daten zwischen die Servosektoren
geschrieben, um frühere dort aufgezeichnete Servoinformation zu löschen, vgl.
insbesondere Spalte
5 Zeilen
8 bis 13. Die besonders eingestellten, derart
beschriebenen Spuren befinden sich in der Nähe des inneren Kollisionsstops
(Absturzstops), vgl. insbesondere Spalte 4 Zeilen 28 bis 34. Hieraus kann jedoch
nicht geschlossen werden, dass sich diese Spuren jenseits des Absturzstops
befinden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Spuren in dem
üblicherweise beschriebenen Plattenbereich auf der dem Außenbereich der Platte
zugewandten Seite diesseits des inneren Absturzstops liegen. Zum
Servoschreiben den jenseits des Absturzstops bzw. Kollisionsstops liegenden
- 8 -
Plattenbereich zu verwenden, der üblicherweise nicht beschrieben wird und in
einem konventionell aufgebauten Gerät für einen Schreib- oder Lesezugriff nicht
erreichbar ist (vgl. das hierzu von der Anmelderin auf Seite 5 der Beschwerde-
begründung Ausgeführte), war für den Fachmann durch D1 nicht nahegelegt.
Hinsichtlich des aus D1 Bekannten ist das Verfahren nach Anspruch 1 somit neu
und beruht diesbezüglich auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
D2 zeigt die Steuerung einer Platteneinheit über von Platten gelesene
Sektorpulse. D3 betrifft das Schreiben von speziellen Servomustern, die das
Erkennen feiner Defekte in den Servofehlleistungssignalen eines Festplatten-
laufwerks erlauben.
Ein Einschreiben von Servoinformation in einen Plattenbereich jenseits einer
durch einen Kollisionsstop vorgegebenen Position ist weder in D2 noch in D3
angesprochen und wird durch diese Druckschriften auch nicht nahegelegt.
Somit sind diejenigen Merkmale des Anspruchs 1, die eine Servoaufzeichnung in
Spuren betreffen, welche jenseits eines durch einen Kollisionsstop vorgegebenen
Plattenbereichs liegen, durch den Stand der Technik gemäß D1 bis D3 weder
vorweggenommen noch nahegelegt. Da in einem konventionellen Festplatten-
laufwerk solche Spuren ohne zusätzliche Maßnahmen nicht erreichbar sind, liegt
eine solche Aufzeichnung auch nicht im Bereich fachüblichen Handelns.
Der Patentanspruch 1 ist somit neu und beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Dies gilt ebenso für den nebengeordneten Patentanspruch
5, der auf ein
Festplattenlaufwerk gerichtet ist, das angepasst ist, um das Verfahren nach
Anspruch 1 auszuführen.
Die Patentansprüche 1 und 5 sind somit gewährbar.
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Die auf den Anspruch 1
rückbezogenen Unteransprüche
2 bis 4 enthalten
spezifische, nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen und sind folglich
ebenfalls gewährbar.
Das Patent war somit mit den oben aufgeführten Unterlagen zu erteilen.
gez.
Unterschriften