Urteil des BPatG vom 20.02.2001

BPatG: beschreibende angabe, papier, unterscheidungskraft, wortmarke, materialien, begriff, kunst, patent, gestaltung, markenschutz

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 177/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 12 555.0
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 20. Februar 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Wink-
ler, des Richters Dr. Albrecht und der Richterin am Amtsgericht Dr. Hock
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 26. Januar 2000 und 15. Juni 2000 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 8. Oktober 1999 die Wortmarke
ART
unter der Nr. 399 62 519.4 für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet
worden:
"Klasse
1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissen-
schaftliche und fotografische Zwecke, einschließlich
von Lignin befreite pflanzliche Rohstoffe; Zellulose,
auch als Brei, als Folie zur Filmherstellung oder ge-
trocknet; Zellulosederivate und Präparate; Lignin und
Derivate hiervon;
Klasse 16: Papier, Pappe, Karton und Waren aus diesen Materia-
lien, soweit in Klasse
16 enthalten, einschließlich
Schreib- und Papeteriewaren sowie Verpackungsma-
terial; Zellulose für Verpackungszwecke;
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Klasse 40: Materialbearbeitung einschließlich der Extraktion von
Lignin aus pflanzlichen Rohstoffen und der Gewin-
nung und Bearbeitung von Zellulose;
Klasse 42: Entwicklung,
Forschung und technische und
technologische Beratung, einschließlich auf dem Ge-
biet der Materialforschung, Materialprüfung und Mate-
rialbearbeitung."
Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung durch den von einem Mitglied
des Patentamts erlassenen Beschluß vom 26. Januar 2000 im Umfang der Waren:
"Papier, Pappe, Karton und Waren aus diesen Materialien, soweit in
Klasse
16 enthalten, einschließlich Papeteriewaren sowie Ver-
packungsmaterial"
zurückgewiesen und diese Entscheidung durch Beschluß vom 15. Juni 2000 im
Erinnerungsverfahren bestätigt. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß
es dem Zeichen im Hinblick auf die beanspruchten Waren an der erforderlichen
Unterscheidungskraft fehle (§ 37 Abs 1 MarkenG iVm § 8 Abs 2 Ziff 1 MarkenG).
Die hier vorliegende Marke werde in ihrer englischen Bedeutung im Sinne von
"Kunst" erkannt werden. Der Verkehr werde die Marke so verstehen, daß es sich
um Papierwaren handle, die zur Herstellung von künstlerischen Arbeiten geeignet
seien.
Gegen diese Entscheidung des Patentamts hat die Anmelderin Beschwerde ein-
gelegt. Sie beantragt,
die Beschlüsse aufzuheben und die Marke einzutragen.
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Sie trägt vor, daß die angesprochenen Verkehrskreise in der Marke keine sachbe-
zogene Angabe sehen könnten. Die angemeldete Marke könne beispielsweise ein
Hinweis auf eine besondere "Art" des Herstellungsverfahrens, auf die "Art" wie das
Papier aufzuspannen und/oder zu bemalen sei oder auch auf die Verwendung für
eine bestimmte Kunstrichtung od.dgl sein. Eine weitere und im vorliegenden Fall
auch zutreffende Deutungsmöglichkeit der angemeldeten Marke in ihrer konkreten
Form sei die Abkürzung für die vollständige Firma der Anmelderin.
Am 26. Juli 2000 hat die Beschwerdeführerin die Teilung der Anmeldung erklärt.
Die Anmeldung mit den Waren der Klasse 16 erhielt die Anmeldenummer
300 12 555.0/1.
Sie legt für den abgetrennten Teil folgendes geändertes Warenverzeichnis vor:
"Klasse 16: Kopierpapier, Schreibmaschinenpapier, Druckerpa-
pier, Zeitungspapier, Papiergeldpapier, Toilettenpa-
pier, Sackpapier, Filterpapier, Isolierpapier, Lösch-
und Fließpapier; Umzugs- und Transportkartons,
Postversandrollen aus Pappe; Papier, Pappe und
Karton als Füllmaterial."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist begründet.
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Der Senat hält die angemeldete Marke "ART" im Zusammenhang mit den nun-
mehr noch beanspruchten Waren – entgegen der Beurteilung der Markenstelle
des Patentamts – für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so
daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutz-
hindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG entgegenstehen.
1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnen-
den konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der
Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber sol-
chen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger
Maßstab anzulegen, dh jede auch noch geringe Unterscheidungskraft reicht aus,
um dieses Schutzhindernis zu überwinden (st.Rspr. vgl BGH MarkenR 2000, 48
- Radio von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Dies gilt insbeson-
dere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel
so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrach-
tungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruch-
ten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um ein so ge-
bräuchliches Wort der deutschen oder einer sonst im Inland geläufigen Sprache,
das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel ver-
standen wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke ver-
wendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unter-
scheidungskraft fehlt (BGH aaO – Partner wich the Best; BGH GRUR 1999, 1089
– YES; BGH GRUR 1999, 1093 – For You mwN).
Zwar hat die Markenstelle des Patentamts zutreffend ausgeführt, daß die hier vor-
liegende Marke in ihrer englischen Bedeutung im Sinne von "Kunst" erkannt wer-
den wird. Dieser zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörende Begriff
ist auch nach der Auffassung des Senats den angesprochenen Verkehrskreisen
- hier dem allgemeinen Publikum – bekannt. Auf Grund des von der Anmelderin
vorgelegten eingeschränkten Warenverzeichnisses vermag der Senat einen be-
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schreibenden Bezug zwischen den angemeldeten Waren und dem Zeichen jedoch
nicht mehr zu erkennen. Die nunmehr noch beanspruchten Waren, verschiedene
Papiersorten bzw aus Papier gefertigte Gebrauchsgegenstände, sind zur Herstel-
lung von künstlerischen Arbeiten sämtliche nicht geeignet; auch kann es sich bei
ihnen nicht um Erzeugnisse mit künstlerischem Anspruch auf Grund der Gestal-
tung, der Aufmachung oder der Materialverarbeitung handeln. Es fehlt daher nun-
mehr an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, daß der Verkehr den Begriff "ART"
nur im Sinne einer schlagwortartigen Aussage über die damit gekennzeichneten
Waren wertet, nicht aber als Kennzeichnungsmittel verstehen wird.
2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur
Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung
sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen dienen
können. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann
besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine
solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409
– PROTECH). Zu den nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vom Markenschutz ausge-
schlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die ausdrücklich aufgeführten,
sondern auch solche, die für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen
Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die
betreffenden Waren selbst beschreiben (vgl BGH GRUR 1998, 813, 814
- CHANGE; BGH aaO – For You). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die
angemeldete Wortmarke "ART" nicht. Eine Verwendung dieser Bezeichnung als
beschreibende Angabe im Zusammenhang mit dem eingeschränkten Warenver-
zeichnis ist nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sach-
angabe beruhenden Freihaltebedürfnis kann deshalb nicht ausgegangen werden.
Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammen-
hang mit den beanspruchten Waren, wie Kopierpapier, Umzugs- und Transport-
kartons, Papierpappe und Karton als Füllmaterial in Zukunft eine Verwendung der
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angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird.
Winkler
Dr. Albrecht
Dr. Hock
Cl