Urteil des BPatG vom 31.10.2002

BPatG (beschreibende angabe, marke, verkehr, unterscheidungskraft, bezeichnung, beschwerde, eintragung, angabe, patent, breite)

BPatG 152
10.99
Bundespatentgericht
32 W (pat) 421/02
_______________
(Aktenzeichen)
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 11 104.2
hat der 32.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
14. Januar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Winkler, Richter Viereck und
Richter Sekretaruk
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent-
und Markenamts –
Markenstelle für Klasse
11
– vom
31. Oktober 2002 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die für
Leuchten
angemeldete Wortmarke
e-ray
hat die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für
Klasse
11 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom
21. Oktober 2002 als nicht unterscheidungskräftige Angabe von der Eintragung
zurückgewiesen.
Der Bezeichnung komme wegen ihrer allgemeinverständlichen beschreibenden
Aussage (elektrischer/elektronischer Strahl; Leuchten, die mittels elektronischer
Strahlen funktionierten, solche aussendeten) nicht die Eignung zu, vom Verkehr
als Unterscheidungsmittel für Waren eines Unternehmens aufgefasst zu werden.
Selbst wenn es sich um eine neue Wortzusammensetzung handeln sollte, sei
diese durchaus sprachüblich gebildet und weise kein Mindestmaß an phantasie-
voller Eigenart auf. Der unmittelbar beschreibende Sinngehalt sei für einen durch-
- 3 -
schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher ohne weite-
res erkennbar.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat im
Laufe des Beschwerdeverfahrens das Warenverzeichnis wie folgt eingeschränkt:
Leuchten, ausgenommen für refraktometrische Messungen oder
Anwendungen für naturwissenschaftliche, technische oder medizi-
nische Zwecke.
Leuchten sendeten im Betrieb zwar Licht- oder Wärmestrahlen aus, die jedoch
vom Fachmann nicht als elektrische oder elektronische Strahlen bezeichnet wür-
den. Gegenüber Anwendungen, wie etwa refraktometrischen Messungen zur Be-
stimmung von Materialeigenschaften (z.B. von Kristallen) mittels eines "außeror-
dentlichen Strahls", sei durch die Aufnahme des Disclaimers eine ausreichende
Abgrenzung erfolgt.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Eintragung der
angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren anzuordnen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und nach Einschränkung des Waren-
verzeichnisses in der Beschwerdeinstanz auch begründet, weil einer Registrierung
der angemeldeten Bezeichnung keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Mar-
kenG mehr entgegenstehen.
- 4 -
1.) Die Marke e-ray entbehrt nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke in-
newohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die
von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens ge-
genüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der
Marke ist es, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren oder Dienst-
leistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist
grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wort-
marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender
Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein ge-
bräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom
Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung –
stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt
es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung
und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2002, 85
– INDIVIDUELLE).
Ein für breite Verbraucherkreise im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt von e-ray läßt sich nicht feststellen. Diese Beurteilung gilt unabhängig
davon, in welchem Sinne man den Warenbegriff "Leuchten" versteht. Nach neu-
erem Sprachgebrauch bezeichnet Leuchte ein Gerät zur Aufnahme und zum Be-
trieb künstlicher Lichtquellen (Lampen, z.B. Glühlampen, Leuchtstofflampen,
Leuchtröhren), d.h. ohne diese Leuchtmittel selbst (vgl BROCKHAUS Enzyklopä-
die, 20. Aufl, Bd. 13, S. 338). Danach wäre eine Leuchte keine Lichtquelle und so-
mit gar nicht in der Lage, einen Strahl (englisch: ray) auszusenden. Aber selbst
wenn man den Begriff Leuchte im herkömmlichen Sinn mit Lampe oder sonstiger
Lichtquelle gleichsetzt (vgl DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Spra-
che, 3. Aufl., Bd. 6, S. 2415) – in diesem Sinne verwendet ersichtlich auch die An-
melderin selbst die beanspruchte Warenbezeichnung -, ist e-ray, unabhängig von
der exakten Bedeutung dieses Kürzels, für das angesprochene breite Publikum
nicht beschreibend, da dieses mit der naturwissenschaftlich-technischen Fachter-
- 5 -
minologie und den dort gebräuchlichen Abkürzungen im Regelfall – und so auch
hier – nicht vertraut ist. Diese Bewertung gilt erst recht, nachdem die Anmelderin
durch die Einschränkung des Warenverzeichnisses ausdrücklich Anwendungen
naturwissenschaftlicher, technischer und medizinischer Art ausgenommen hat,
mithin nicht (auch) auf Fachkreise und deren Verständnis abgestellt werden darf.
2.) Die angemeldete Marke stellt auch keine Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG dar. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die aus-
schließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung
u.a. der Art, Beschaffenheit, Bestimmung oder sonstiger Merkmale der bean-
spruchten Waren dienen können. Dass e-ray – wie von der Markenstelle ohne nä-
here Belege behauptet – eine Abkürzung für die Fachbezeichnungen Elektronen-
strahl, elektronischer Strahl (bzw. die entsprechenden englischsprachigen Aus-
drücke) wäre, konnte der Senat trotz eingehender Nachforschungen in der Fach-
literatur und im Internet nicht ermitteln. Zu belegen ist insoweit allein der Gebrauch
von e-beam (für electron beam). Demgegenüber wird die Abkürzung e-ray für den
physikalischen (optischen) Fachbegriff "extraordinary ray" (im Gegensatz zum "or-
dinary ray" = o-ray) verwendet, z.B. in der Mineralogie (Kristallographie) und
möglicherweise auch auf anderen Gebieten wie etwa der Astrophysik. Nachdem
die Anmelderin aber durch den Disclaimer im Warenverzeichnis ausdrücklich auf
Anwendungen der beanspruchten Leuchten für refraktometrische Messungen und
sonstige naturwissenschaftliche, technische und medizinische Zwecke verzichtet
hat, stellt e-ray für die verbleibenden Leuchten – soweit man diese als Strahlen
emittierend ansieht – keine ausschließlich beschreibende Angabe dar. Behinde-
rungsmöglichkeiten für einen deskriptiven Gebrauch durch Konkurrenzunterneh-
men sind weder aktuell, noch zukünftig ersichtlich.
Winkler Sekretaruk Viereck
Hu