Urteil des BPatG vom 15.02.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 359/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
15. Februar 2007
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 197 29 654
BPatG 154
08.05
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent 197 29 654 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt
aufrechterhalten:
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Ansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung
-
im Übrigen wie erteilt.
G r ü n d e
I.
Gegen das am 24. Juli 2003 veröffentlichte Patent 197 29 654 mit der Bezeich-
nung „Ballenpresse mit vertikal wirkender Pressplatte“ ist am 24. Oktober 2003
Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die
Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu und
der Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 2 beruhe nicht auf einer erfin-
derischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende ausschließlich auf eine
offenkundige Vorbenutzung und bietet Zeugenbeweis für die Richtigkeit ihres Vor-
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trages an. Die angebotenen Zeugen sind in der mündlichen Verhandlung ver-
nommen worden.
Als Nachweis der angeblichen Vorbenutzung legt die Einsprechende folgende
Unterlagen vor:
E1:
Kopie eines Lieferscheins an die Fa. Köster GmbH &
Co, KG
E2.1-E2.5: 5
Zeichnungen der Strautmann Umwelttechnik
GmbH & Co, KG
E3.1-E3.10: 10 Fotos, welche die im Juni 1996 gelieferte Ballen-
presse zeigen
E4.1-E4.4: 4 weitere Zeichnungen der Strautmann Umwelttech-
nik GmbH & Co, KG.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent 197 29 654 zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt,
das Patent 197 29 654 mit folgenden Unterlagen beschränkt auf-
rechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung
im Übrigen wie erteilt.
Der geltende Anspruch 1, den der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung
eingereicht hat, lautet:
„Ballenpresse mit vertikal wirkender Pressplatte zur Erstellung von
Pressballen aus verbrauchten Verpackungsmaterialien, mit einem
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Presskasten (2), in dem ein Pressschacht (3) untergebracht und
auf dem ein Antriebsträger (4)
angeordnet ist, sowie mit einer an
der Pressplatte (28) angreifenden und am Antriebsträger (4)
ge-
haltenen Kolben-Zylindereinheit (5, 6), wobei der Antriebsträger
(4)
für den Pressbetrieb funktionsfest, jedoch für die Vorbereitung und
Durchführung eines Transportes der Ballenpresse lösbar mit dem
Presskasten (2) verbunden ist und wobei zudem der Zylinder (6)
im Pressschacht (3) versenkbar ist und dass als Montagehilfe (9)
ein an einem Träger (24) befestigter Kranarm (10) mit einem Fla-
schenzug (11) am Presskasten (2) lösbar befestigt ist.“
Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 und 3 sowie
wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich des vom
Senat erhobenen Zeugenbeweises, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Im Prüfungsverfahren sind zusätzlich noch folgende Druckschriften berücksichtigt
worden:
DE 93 11 662 U1
DE 93 08 604 U1
DE 89 00 054 U1
DE 74 38 777 U1.
II.
1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach
§ 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99
Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zustän-
dig.
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2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert
und auch im Übrigen zulässig.
Die Patentinhaberin hat zum einen angeregt, zu prüfen, ob die Einspruchsgebühr
rechtzeitig gezahlt worden ist, und zum anderen ausgeführt, dass der Einspruch
nicht ausreichend substantiiert sei, da die zum Nachweis der behaupteten offen-
kundigen Vorbenutzung vorgelegten Unterlagen Zweifel an der Richtigkeit des
Vortrags der Einsprechenden aufkommen ließen. Eine Prüfung dieser beiden Vor-
halte hat ergeben, dass ausweislich des in der Akte befindlichen Einzahlungsbele-
ges einerseits die Einspruchsgebühr rechtzeitig gezahlt worden ist und dass ande-
rerseits die an eine Substantiierung einer offenkundigen Vorbenutzung zu stellen-
den Anforderungen erfüllt sind, da die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist
dargetan hat, was, wann, wo und durch wen vorbenutzt und wodurch dies offen-
kundig geworden sein soll. Ob dieser Vortrag als solches überzeugend ist, ist
keine Frage der Substantiierung, sondern eine Frage der Begründetheit und kann
somit die Zulässigkeit eines Einspruchs nicht in Frage stellen.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung
im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 bis 3 sind in den ursprünglichen
bzw. den erteilten Unterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Ansprüchen 1 und 3 bzw.
den ursprünglichen Ansprüchen 1, 3 und 8. Der geltende Anspruch 2 ergibt sich
aus dem erteilten Anspruch 2 bzw. dem ursprünglichen Anspruch 9 und der gel-
tende Anspruch 3 ergibt aus dem erteilten Anspruch 3 bzw. dem ursprünglichen
Anspruch 2.
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Die Zulässigkeit der Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht
bestritten worden.
b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Ballenpresse nach Anspruch 1 ist
neu.
Keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften ist eine Ballenpresse zu ent-
nehmen, bei der als Montagehilfe ein an einem Träger befestigter Kranarm mit
einem Flaschenzug am Presskasten lösbar befestigt ist.
Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 ist im Übrigen seitens
der Einsprechenden auch nicht mehr bestritten worden.
c. Die Ballenpresse gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit.
Wie die Vernehmung der von der Einsprechenden benannten Zeugen im Einzel-
nen bestätigt hat, kann zwar von der Richtigkeit des Vortrags der Einsprechenden
hinsichtlich der Anlagen E1 und E3.1 bis E3.10 ausgegangen werden, wonach aus
dem Stand der Technik bekannt ist eine
Ballenpresse mit vertikal wirkender Pressplatte zur Erstellung von
Pressballen aus verbrauchten Verpackungsmaterialien, mit einem
Presskasten, in dem ein Pressschacht untergebracht und auf dem
ein Antriebsträger
angeordnet ist, sowie mit einer an der Press-
platte angreifenden und am Antriebsträger gehaltenen Kolben-Zy-
lindereinheit, wobei der Antriebsträger für den Pressbetrieb funk-
tionsfest, jedoch für die Vorbereitung und Durchführung eines
Transportes der Ballenpresse lösbar mit dem Presskasten ver-
bunden ist und wobei zudem der Zylinder im Pressschacht ver-
senkbar ist.
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Jedoch ist von diesem Stand der Technik ausgehend der Gegenstand der Erfin-
dung mit den nach der Zeugenvernehmung eingereichten neuen Ansprüchen pa-
tentfähig, so dass von einer detaillierten Beweiswürdigung abgesehen werden
kann. Vom Stand der Technik unterscheidet sich die Ballenpresse gemäß dem
nunmehr geltenden Anspruch 1 dadurch, dass
als Montagehilfe ein an einem Träger befestigter Kranarm mit ei-
nem Flaschenzug am Presskasten lösbar befestigt.
Eine solche Ausgestaltung ist weder den seitens der Einsprechenden vorgelegten
Anlagen noch dem im Prüfungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik zu
entnehmen.
Dort ist an keiner Stelle ein Hinweis gegeben, dass an einer Ballenpresse oder
überhaupt an einer beim Endkunden zusammenzubauenden Maschine als Monta-
gehilfe ein an einem Träger befestigter Kranarm mit einem Flaschenzug am
Presskasten lösbar befestigt ist.
Somit vermag der Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammen-
schau eine Anregung in dieser Richtung zu liefern.
Eine solche Anregung erhält der Fachmann auch nicht allein aus seinem Fachwis-
sen. Zwar kennt er grundsätzlich verschiedene Arten von Montagehilfen, wie z. B.
anschraubbare Kranösen o. dgl., um jedoch die hier beanspruchte Montagehilfe
zu wählen, bedarf es gewisser Überlegungen, die nicht naheliegend waren. Denn
üblicherweise werden zur Montage der hier in Frage stehenden Ballenpressen
Gabelstapler, Hubwagen, stationäre Krane o. dgl. verwendet, was auch die Zeu-
gen bestätigt haben.
Somit gab es für den Fachmann weder aus dem Stand der Technik noch aus sei-
nem allgemeinen Fachwissen heraus eine Veranlassung, als Montagehilfe einen
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an einem Träger befestigten Kranarm mit einem Flaschenzug am Presskasten
lösbar zu befestigen.
d. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die Unteransprüche 2 und 3 be-
standsfähig.
gez.
Unterschriften