Urteil des BPatG vom 20.01.2010

BPatG (erneuerbare energien, marke, eugh, zeichen, verkehr, unterscheidungskraft, verwendung, beschwerde, allgemeininteresse, mitbewerber)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 528/10
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 025 617.9
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
20. September 2010 unter Mitwirkung der Richterin Martens sowie der Richter
Paetzold und Schell
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beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent-
und Markenamts – Markenstelle für Klasse 29 – vom 20. Ja-
nuar 2010 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wortmarke
Erneuerbare Energien
für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klassen 29 und 30
„Konfitüren, Marmeladen; Honig, Kaffee, Kaffeegetränke, Kakao,
Kakaogetränke, Rohkaffee, Schokolade, Schokoladegetränke,
Tee“.
Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2
MarkenG zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Wortkombination
sei den angesprochenen Verkehrskreisen als beschreibender Sachhinweis auf die
energie- bzw. kraftfördernde Wirkung der beanspruchten Waren verständlich.
Dabei würden die Verbraucher den Bedeutungsgehalt des aus der Energie-
wirtschaft bekannten Sachbegriffs auf den hier einschlägigen Produktzusam-
menhang übertragen und die Marke in erster Linie nur als anpreisende Werbe-
botschaft und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Produkte
wahrnehmen.
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Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt. Er trägt zur
Begründung vor, ein beschreibender Begriffsgehalt müsse sich immer im Hinblick
auf die konkret beanspruchten Produkte ergeben. Ein entsprechender Zusam-
menhang scheide im vorliegenden Fall jedoch erkennbar aus. Als Fachbegriff aus
dem Bereich der Energiewirtschaft sei die angemeldete Marke für die ver-
fahrensgegenständlichen Nahrungsmittel als völlig sachfremd anzusehen und
beschreibe keinerlei Produkteigenschaften. Ohne einen relevanten Produktbezug
vermittle die wortspielartige Ironie der Aussage „Erneuerbare Energien“ der
angemeldeten Marke aber jedenfalls das erforderliche Minimum an Unter-
scheidungskraft. Bei dieser Sachlage könnten ihr keine absoluten Schutz-
hindernisse entgegengehalten werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders erweist sich als begründet. Der
angemeldeten Marke stehen keine absoluten Schutzhindernisse entgegen.
Vom Ausschlussgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG werden nur solche Angaben
oder Zeichen erfasst, die dazu dienen können, im Verkehr relevante Pro-
duktmerkmale zu beschreiben (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 Rdn. 35, 36 –
BIOMILD; BGH GRUR 2008, 900, Rdn. 12 – SPA II, m. w. N.). Dadurch soll dem
Allgemeininteresse an der freien Verwendbarkeit solcher Bezeichnungen Rech-
nung getragen und der Verbleib eines ausreichenden Gestaltungsspielraums für
die Mitbewerber sichergestellt werden. Der Tatbestand des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG bezieht sich nicht nur auf ein von vornherein festgelegtes, abschließend
definiertes Spektrum von Produkteigenschaften, sondern umfasst sämtliche
Merkmale, die im geschäftlichen Verkehr mit den beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen von Bedeutung sein können.
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Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um einen Fachbegriff aus dem
Bereich der Energiewirtschaft, mit dem so genannte regenerative Energiequellen
bezeichnet werden, wie etwa Wasserkraft, Wind-, Solar- und Bioenergie sowie
Geothermie. Die fraglichen Energiequellen werden dabei deshalb als „erneuerbar“
bezeichnet, weil es sich bei ihnen um Energiesysteme handelt, die sich entweder
kurzfristig von selbst erneuern oder deren Nutzung nicht zur Erschöpfung der
Energiequelle beiträgt. Ihr Potenzial ist also – im Gegensatz zur Nutzung fossiler
Energieträger – nach menschlichen Maßstäben unendlich groß (vgl. hierzu VDI-
Lexikon der Umwelttechnik, 1994 – „Erneuerbare Energien“). Ein wie auch immer
gearteter, sachbezogener Zusammenhang des Fachbegriffs „Erneuerbare Ener-
gien“ zu den vorliegend einschlägigen Nahrungsmitteln besteht nicht. Die
Recherchen des Senats haben keinerlei Verwendung der genannten Wortfolge auf
dem hier maßgeblichen Branchensektor ergeben. Somit scheidet die angemeldete
Wortfolge als merkmalsbeschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
für die hier maßgeblichen Waren aus, so dass ein schutzwürdiges Interesse der
Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit nicht bejaht werden kann.
Ihr kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
abgesprochen werden. Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, den mit einem
Zeichen angesprochenen Verbrauchern die Ursprungsidentität der fraglichen
Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im
Sinne dieser Norm die Eignung einer Marke zu verstehen, die jeweils für sie
beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unter-
nehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von denen anderer Anbieter
für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, 761,
Rdn. 58 – L’Oréal; BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006). Nur
wenn ein angemeldetes Zeichen diese Herkunftsfunktion nicht erfüllen kann,
widerspricht es dem Allgemeininteresse, das Zeichen durch seine Eintragung ins
Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch
die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944,
Rdn. 26 – SAT.2). In diesem Sinne fehlt einer Wortmarke die Unterschei-
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dungskraft vor allem dann, wenn sie einen für die fraglichen Waren oder
Leistungen im Vordergrund stehenden, beschreibenden Begriffsinhalt aufweist
oder wenn es sich bei ihr um ein gebräuchliches Wort handelt, das vom Verkehr
- etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als
solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH GRUR
2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Anhaltspunkte für eine hinreichende
Unterscheidungskraft können dagegen die Originalität oder Prägnanz einer
Wortfolge darstellen, etwa aufgrund ihrer Interpretationsbedürftigkeit, die bei den
angesprochenen Verkehrskreisen einen differenzierten Denkprozess auslöst (vgl.
EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 57 – Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2009,
949, Rdn. 12 – My World).
Wie oben dargelegt, kommt der angemeldeten Marke keinerlei merkmalsbe-
schreibender Bedeutungsgehalt zu. Ebenso wenig kann sie als bloße Werbe-
aussage oder Anpreisung allgemeiner Art angesehen werden, da die für eine
solche Wertung zwingend erforderlichen Anhaltspunkte nicht feststellbar sind.
Insoweit ist maßgeblich auf die Wahrnehmung der Marke durch die im vor-
liegenden Fall angesprochenen Endabnehmer sowie auf die Bezeichnungs-
gewohnheiten der einschlägigen Branche abzustellen, die naturgemäß erhebliche
Auswirkungen auf das maßgebliche Verbraucherverständnis haben. Eine werbe-
mäßige Verwendung der fraglichen Wortfolge auf dem verfahrensgegenständ-
lichen Produktsektor konnte nicht ermittelt werden und es fehlt auch sonst an
jeglichen konkreten Anhaltspunkten dafür, dass die angemeldete Marke im
Zusammenhang mit den beanspruchten Produkten von den Verbrauchern nicht
als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden werden könnte. Zwar kann der
Wortfolge „Erneuerbare Energien“ bei analytischer Betrachtungsweise die An-
deutung entnommen werden, dass die verfahrensgegenständlichen Nahrungs-
mittel der Energieversorgung des menschlichen Körpers dienen und „erneuerbar“
sind, indem die Verbraucher sie immer wieder nachkaufen können. Hierzu muss
der Begriff „erneuerbar“ aber zunächst in einer von dem eigentlichen Fachbegriff
abweichenden Bedeutung interpretiert und im Sinne eines Wortspiels verstanden
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werden. Damit stellt die angemeldete Marke im Zusammenhang mit den be-
anspruchten Waren aber eine interpretationsbedürftige Aussage dar, die sich als
originelle und prägnante Bezeichnung erweist. Es bedarf mehrerer, zielgerichteter
Gedankenschritte, um etwa den Genuss einer Konfitüre oder eines Kakao-
getränkes im Sinne einer „Energieversorgung durch erneuerbare Energieträger“
interpretieren zu können – eine solche Vorgehensweise darf der marken-
rechtlichen Schutzfähigkeitsprüfung jedoch nicht zugrunde gelegt werden. Selbst
wenn die Marke aufgrund ihres wortspielartigen Charakters eine hohe Werbe-
wirksamkeit zukommen könnte, vermag dieser Gesichtspunkt ihre Eignung zur
Ausübung der markenrechtlichen Herkunftsfunktion nicht in Frage zu stellen (vgl.
EuGH GRUR 2010, 228, Rdn. 56 f. – Vorsprung durch Technik).
Nachdem somit die Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht
bejaht werden können und auch keine Anhaltspunkte für andere absolute
Ausschlussgründe ersichtlich sind, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.
Martens
Paetzold
Schell
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