Urteil des BPatG vom 19.07.2004

BPatG (marke, verkehr, information, gerät, nav, beschwerde, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, www, bestandteil)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 140/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
19. Juli 2004
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 398 36 893
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann, des Richters Schramm sowie der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Nr 398 36 893 die Bezeichnung
NAVATECH
für die Waren und Dienstleistungen
"Entwicklung von elektromechanischen Bauteilen; Radargeräte
und GPS-Geräte; Gaszähler; Meßapparate und –instrumente;
Befestigungsvorrichtungen für Leiterplatten in Fluggeräten; Mo-
dellhubschrauber".
Widerspruch hat erhoben die Inhaberin der älteren Marke IR 666 816
NAVTECH
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eingetragen für
9 Bases de données électroniques comprenant de l'information
géographique, entre autres pour la navigation; supports de
données magnétiques et optiques sous forme de bandes, de
disques et disques compacts; CD-ROM, puces ROM et puces
RAM comprenant de l'information géographique, entre autres
pour la navigation; supports de données digitaux comprenant
de l'information géographique, entre autres pour la navigation.
41 Edition de supports de données comprenant de l'information
géographique, entre autres pour la navigation; instruction et
formation.
42 Enregistrement, sur des supports de données, d'informations
géographiques, entre autres pour la navigation; rédaction et
adaptation de textes dans le cadre de la composition
d'informations géographiques; écriture, développement et
mise à jour de programmes d'ordinateurs; programmation
pour ordinateurs.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den
Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Bei sich ge-
genüberstehenden Waren und Dienstleistungen im mittleren Ähnlichkeitsbereich
halte die angegriffene Marke den zu fordernden mittleren Abstand ein. Wegen des
zusätzlichen klangstarken Vokals ergebe sich ein grundlegend anderer Sprech-
rhythmus für die angegriffene Marke, so daß insoweit keine klangliche Ähnlichkeit
bestehe. Die Abweichung wirke auch einer schriftbildlichen Ähnlichkeit ausrei-
chend entgegen.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie begründet diese im wesent-
lichen damit, daß zwischen den einander gegenüberstehenden Waren hochgra-
dige Ähnlichkeit bestehe, da diese unmittelbar zusammenhingen und sich gegen-
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seitig ergänzten. Die von der jüngeren Marke beanspruchten GPS-Geräte dienten
der Navigation und Orientierung, die entsprechende Software gebe nähere De-
tails, so daß die angesprochenen Verkehrskreise das GPS-Gerät und die dazu-
gehörige ähnlich gekennzeichnete Gerätesoftware, für die die Widerspruchsmarke
Schutz beanspruche, demselben Hersteller zuordnen würden. Es bestehe Ver-
wechslungsgefahr, in schriftbildlicher Hinsicht falle der eingefügte Vokal "A" in der
Wortmitte nicht ins Gewicht. Zudem komme der Widerspruchsmarke eine ge-
steigerte Kennzeichnungskraft zu, hierfür legt die Widersprechende eine eides-
stattliche Versicherung zu Umsatzzahlen und Verbreitung sowie Prospekte und
Internetmaterial vor.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluß der Markenstelle vom 10. März 2003 aufzuheben
und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht
geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht nicht die
Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz, so
daß die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.
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Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände,
insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähn-
lichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesonde-
re ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der
Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st Rspr,
vgl GRUR 2004, 235, 236 – Davidoff II; GRUR 2002, 1067, 1068 – DKV/OKV).
Die Frage, ob die seiner Zeit verfrüht erhobene Nichtbenutzungseinrede nach Ab-
lauf der Benutzungsschonfrist neu erhoben werden muß (vgl Ströbele/Hacker,
MarkenG, 7. Aufl, § 43 Rdn 40) kann dahingestellt bleiben. Selbst ausgehend von
der Registerlage können die Vergleichsmarken zur Kennzeichnung allenfalls
entfernt ähnlicher Waren einander begegnen.
Eine Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berück-
sichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen
– insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nut-
zung, ihrer Eigenart als einander ergänzende Produkte – so enge Berührungs-
punkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein können,
sie stammten aus demselben Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken
gekennzeichnet sind (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 57). Dabei
reicht der Umstand, daß sich die Waren in irgendeiner Hinsicht ergänzen können,
zur Feststellung der Ähnlichkeit noch nicht aus. Vielmehr ist eine gegenseitige Er-
gänzung in dem Sinne notwendig, daß dadurch die Annahme gemeinsamer oder
doch miteinander verbundener Ursprungsstätten nahegelegt wird (vgl
Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 105).
Die von der angegriffenen Marke beanspruchten GPS-Geräte können zwar zu-
sammen mit einem Navigationssystem eingesetzt werden, dienen jedoch primär
der Standortbestimmung und stellen selbst kein Navigationssystem dar. Die von
der Widerspruchsmarke beanspruchten Datenbanken und Datenträger sind be-
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stimmt zur Erstellung von Kartenmaterial in elektronischer Fassung zum Einsatz
für Navigationssysteme und sind damit Bestandteil der eigentlichen Navigations-
technik. Die erfaßten Daten als Kartenmaterial in elektronischer Form zu Naviga-
tionszwecken können als Ausrüstungsgegenstand für ein GPS-Gerät verwendet
werden, stellen jedoch keinen notwendigen Bestandteil dar, da das GPS-Gerät
unabhängig vom Kartenmaterial als Gerät zur Standortbestimmung funktioniert.
Da es sich damit nicht um einander notwendig ergänzende, sondern lediglich
innerhalb eines Navigationssystems aufeinander abgestimmte Waren handelt und
daraus auch noch keine Feststellungen abgeleitet werden können, der Verkehr
ordne die Geräte und die zu deren sinnvollem Einsatz dienenden Materialien den-
selben Herstellern zu, kann zugunsten der Widersprechenden allenfalls eine
geringe Warenähnlichkeit unterstellt werden. Denn im Regelfall ordnet der Verkehr
vergleichbare Waren nicht denselben Herstellern zu (etwa CD's/CD-
Abspielgeräte).
1. Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer reduzierten Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke aus. Die Widerspruchsmarke setzt sich zu-
sammen aus den beiden Bestandteilen "NAV" und "TECH", die der Verkehr in
Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen unschwer
als Abkürzung für "Navigation" und "Technik" verstehen wird und somit als
Bestimmungsangabe. Wie aus den der Widersprechenden in der mündlichen Ver-
handlung ausgehändigten Rechercheauszügen ersichtlich, ist die Buchstabenfolge
"NAV" auf dem Automarkt als Abkürzung für ein Navigationssystem gebräuchlich
(vgl http://www.kfztech.de/abc/kfztechnikabcN:htm; http://www.jahres-
wagennet.de/Info/mrabkuerzung.htm; http://www.hems-ag.de/glossar.htm;). Der
Bestandteil "TECH" ist die im deutschen Sprachgebrauch übliche Abkürzung für
"Technik/Technologie (vgl zB BPatG 32 W (pat) 071/95 – Ökotech, Kurzfassung
auf Pavis-PROMA-Kliems).
Die von der Widersprechenden als Benutzungsunterlagen vorgelegte eidesstatt-
liche Versicherung kann dagegen eine erhöhte Verkehrsbekanntheit und damit ge-
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steigerte Kennzeichnungskraft nicht belegen. Sie enthält ua lediglich pauschale
Angaben zu Verkaufszahlen irgendwelcher Einheiten bzw Datenträger, ohne das
Produkt genau zu bezeichnen und ohne Informationen zum Gesamtumsatz im
Vergleich zu Konkurrenten zu geben.
2. Bei nur geringer Warenähnlichkeit und einem eher reduzierten Schutzumfang
sind damit nur sehr geringe Anforderungen an den einzuhaltenden Abstand zu
stellen, den die angegriffene Marke einhält.
Der zusätzliche Vokal "A" in der angegriffenen Marke zwischen den Bestandteilen
"NAV" und "TECH" führt zu einer zusätzlichen Sprechsilbe und einem dadurch we-
sentlich veränderten Klanggepräge der angegriffenen Marke gegenüber der
Widerspruchsmarke.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Einfluß von Silben in der Wortmitte auf den
klanglichen Gesamteindruck eine Frage des Einzelfalls ist. Im vorliegenden Fall
kann nicht davon ausgegangen werden, daß die in der Mitte des Wortes
"NAVATECH" stehende Silbe "VA" die den gegenüber der Widerspruchsmarke
zusätzlichen Vokal A" enthält, sich an unauffälliger Stelle befindet, sondern sie
prägt dessen klanglichen Gesamteindruck mit (vgl BGH, MarkenR 2001, 307
– CompuNet/ComNet).
Aus der in der Widerspruchsmarke eher kurz und hart gesprochenen Silbe "NAV"
werden durch Hinzufügen des Vokals "A" in der angegriffenen Marke zwei weicher
gesprochene Silben "NA-VA", die sich deutlich vor der nachfolgenden kurz und
hart gesprochenen Schlußsilbe "-TECH" abheben, so daß sich nach dem zu-
sätzlichen "A" eine Zäsur ergibt.
Es bestehen dagegen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr den auffälligen
Vokal "A" in der Wortmitte beim Sprechen unterdrückt oder verschluckt.
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Die von der Widersprechenden angeführte Entscheidung (OLG Hamburg, GRUR
– RR 2004, 5 – Cellofit/Cellvit) betraf eine nicht vergleichbare Fallgestaltung. Zum
einen bildete die Marke "Cellofit" mit dem zusätzlichen Vokal "o" die Klagemarke,
zum anderen lagen die sich gegenüberstehenden Waren im engen Ähnlichkeits-
bereich. Zudem sieht der Senat wie oben ausgeführt keine Anhaltspunkte dafür,
dass der Verkehr den zweiten Vokal "A" in der Mittelsilbe der jüngeren Marke ver-
schlucken oder verwischen sollte.
Der weiteren Entscheidung OLG Düsseldorf, GRUR - RR 2001, 49 – Com-
bit/ComIT) lag ebenfalls eine nicht vergleichbare Fallgestaltung zugrunde. Zum
einen war Combit die Klagemarke, zum anderen wurde teilweise Identität und im
übrigen weitgehende Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren- und Dienstleistungen-
bereiche festgestellt.
Auch in schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichsmarken aus-
reichend.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen An-
laß (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Dr. Buchetmmann
Schramm
Hartlieb
Hu