Urteil des BPatG vom 30.11.2004

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 178/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 302 08 835.0
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. Februar 2006 durch …
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 30. November 2004 und 26. Juli 2005 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
zwei Beschlüssen vom 30. November 2004 und 26. Juli 2005, von denen einer im
Erinnerungsverfahren erging, die Anmeldung der für
"Elektronische Frequenzumrichter für Hochgeschwindigkeits-Elek-
tromotoren"
beanspruchten Kennzeichnung
e@syDrive
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige An-
gabe mit der Begründung zurückgewiesen, die angesprochenen Verkehrskreise
würden der aus den allgemein gebräuchlichen und verständlichen Einzelbestand-
teilen "easy" und "drive" zusammengesetzten Anmeldemarke als Kennzeichnung
für Frequenzumrichter ausschließlich einen beschreibenden Sachhinweis entneh-
men, etwa dass diese Drives, also die Frequenzumrichter, besonders "easy", d. h.
leicht, zu bedienen seien oder der Anschluss an die Elektromotoren besonders
leicht sei. Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichts I. Instanz hinsichtlich
der Marke EASYBANK sei die hier zu beurteilende Anmeldemarke nicht zu ver-
gleichen. Der Begriff "easydrive" sei auch keine Wortneubildung, wie die Anmelde-
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rin geltend gemacht habe, sondern werde, wie der Blick ins Internet zeige, bereits
jetzt vielfach verwendet. Auch die Ersetzung des Buchstabens "a" durch das Zei-
chen "@" begründe keine Schutzfähigkeit, da eine solche Art der Verfremdung
mittlerweile allgemein verbreitet sei und vom beschreibenden Charakter der An-
meldemarke nicht wegführe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die
Anmeldemarke für hinreichend unterscheidungskräftig, weil sie weder in ihrer Ge-
samtheit noch in ihren Einzelbestandteilen die beanspruchten Waren beschreibe;
denn weder der Bestandteil "drive" noch das Zeichen "@" wiesen auf Frequenz-
umrichter hin. In ihrer konkreten Schreibweise stelle die Anmeldemarke auch eine
ungewöhnliche Verbindung der einzelnen Bestandteile dar und sei kein bekannter
Ausdruck der englischen Sprache. In dieser Schreibweise sei sie im Internet auch
nur als ausschließlicher Hinweis auf die Produkte der Anmelderin zu finden. Insge-
samt sei die Anmeldemarke daher ebenso schutzfähig wie die Bezeich-
nung EASYBANK für Finanzdienstleistungen.
II
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Anmeldemarke kann das nach § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft für die
beanspruchten speziellen Waren nicht abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach der ständi-
gen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003,
187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - Philips/Reming-
ton) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl;
GRUR 2000, 720, 721 – Unter Uns) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich
informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl.
EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2) als Unter-
scheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unter-
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nehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz
des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH,
GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH)
fehlt einer Kennzeichnung die Unterscheidungskraft stets dann, wenn die ange-
sprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruch-
ten Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen sehen, was
etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund
stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153
- marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162,
163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) oder bei Werbeaussa-
gen allgemeiner Art (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 – Unter uns; WRP 2000,
298, 299 – Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 – Partner with the best;
GRUR 2001, 1047, 1048 – LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001,
735, 736 – Test it; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft) der Fall ist. Wer-
den rein beschreibende Angaben zu einem Gesamtbegriff zusammengesetzt, oh-
ne dass sich durch die Wortkombination ein über den bloß beschreibenden Inhalt
jedes einzelnen Wortbestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt er-
gibt, so bleibt dieser auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es sich
bei ihm um eine Wortneuschöpfung oder einen bislang nicht verwendeten Begriff
handelt (EuGH GRUR 2004, 680, 681 – BIOMILD).
Nach diesen Grundsätzen kann die Unterscheidungskraft vorliegend nicht verneint
werden, weil die Anmeldemarke keinen im Vordergrund stehenden beschreiben-
den Bedeutungsgehalt für die beanspruchten Waren aufweist. Zwar ist der Mar-
kenstelle darin zuzustimmen, dass die Anmeldemarke aus den einfachen und je-
dermann geläufigen Worten des englischen Grundwortschatzes "easy" für "leicht"
und "drive" zusammengesetzt ist, das u. a. für "Antrieb, (An-) Steuerung" steht
(vgl.
nationszeichen dem an englische Begriffe gewöhnten (Fach-) Publikum, an wel-
ches sich die beanspruchten speziellen Waren richten, ohne weiteres in der Be-
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deutung "einfacher Antrieb" oder "einfache (An-) Steuerung" verständlich. Ebenso
teilt der Senat die Ansicht der Markenstelle, dass die - auch in beschreibenden
Angaben - werbeübliche Ersetzung des Buchstabens "a" durch das aus der kauf-
männischen Sprache kommende und mittlerweile über ihre Verwendung im EDV-
Bereich hinaus allgemein geläufige Zeichen "@" die Verständlichkeit und den vor-
genannten Bedeutungsgehalt der - auch insoweit - sprachüblich gebildeten Anmel-
demarke nicht zu beseitigen vermag.
In ihrer Bedeutung "einfacher Antrieb" bzw. "einfache Steuerung" beschreibt die
Anmeldemarke aber nicht mögliche Merkmale der beanspruchten Frequenzum-
richter für Hochgeschwindigkeits-Elektromotoren. Zwar werden diese wesentlichen
Bestandteile eines solchen Elektromotors mit dem Bestandteil "drive" ohne weite-
res in einer dem Fachpublikum verständlichen Weise benannt, da es sich bei Fre-
http://dict.leo.org/?lp=ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed&relink=on&
sectHdr=on&spellToler=on&search=frequenzumrichter), um in der Industrie häufig
verwendete Antriebe von Normmotoren handelt (vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzumrichter). In Verbindung mit dem vorange-
stellten Wort "easy" für "leicht" werden die angesprochenen Fachkreise der An-
meldemarke aber keine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende
Sachaussage mehr entnehmen können, denn in Zusammenhang mit den bean-
spruchten Frequenzumrichtern für hochspezialisierte Motoren, die sich nicht an je-
dermann, sondern nur an ein mit dieser spezialisierten Technik vertrautes Fachpu-
blikum richten, enthält der Begriff "easy" ein im Wesentlichen allein subjektives
Element, das mangels der in technischen Kreisen erwarteten Konkretheit völlig un-
spezifisch ist (vgl. auch BPatG 26 W (pat) 129/01 - Easy Cargo; 27 W (pat) 267/00
- Easy Travel; 26 W (pat) 75/00 - easy-wash; 27 W (pat) 251/03 - EASYBus;
27 W (pat) 195/04 - EasyVL, sämtliche Entscheidungen veröffentlicht auf der PA-
VIS-CD-ROM; EuG MarkenR 2001, 181 - EASYBANK). Soweit die Markenstelle
angenommen hat, die angesprochenen Verkehrskreisen würden die Anmeldemar-
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ke als Hinweis darauf ansehen, dass die Frequenzumrichter leicht zu bedienen
oder leicht an die Elektromotoren anzuschließen seien, handelt es sich um eine
Deutung der Anmeldemarke, welche sich dem Verkehr erst aufgrund einer analy-
sierenden Betrachtung erschließen kann. Da der Begriff "easy" nicht unmittelbar
eine Aussage über die Bedienbarkeit oder die Anschlussmöglichkeiten von Fre-
quenzumrichtern enthält, werden die angesprochenen Verkehrskreisen der Anmel-
demarke nur dann eine solche Deutung beilegen, wenn sie ihre möglicherweise
bestehenden Erwartungen über diese Eigenschaften der Frequenzumrichter in der
Weise mit der Kennzeichnung verbinden, dass sie letztere als Antwort auf ihre
Fragestellung ansehen können. Zu solchen analysierenden Betrachtungen neigt
der Verkehr aber im Allgemeinen nicht (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516
– Vamos; BGH GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH).
Da der Gesamtausdruck "e@syDrive" somit bei unmittelbarer, nicht analysieren-
der Betrachtung in den Augen der angesprochenen Fachkreise nur einen
schwammigen und nichts sagenden Bedeutungsgehalt hat, haben sie keine Ver-
anlassung, in der angemeldeten Bezeichnung nur eine im Vordergrund stehende,
mögliche Merkmale der beanspruchten Frequenzumrichter beschreibende Sach-
aussage zu sehen; stattdessen werden sie eher dazu neigen, sie als bloßen Hin-
weis auf die Herkunft der gekennzeichneten Produkte aus einem bestimmten Un-
ternehmen und damit als Produktkennzeichen anzusehen. Auch wenn sich der
Anmeldemarke bei weiterer analysierender Betrachtung durchaus ein beschrei-
bender Sinngehalt entnehmen lässt, kann sie allenfalls als ein "sprechendes" Zei-
chen mit entsprechendem, im Eintragungsverfahren aber nicht zu prüfendem
Schutzumfang angesehen werden, dem aber das erforderliche Mindestmaß an
Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden kann.
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Da die Markenstelle somit im Ergebnis zu Unrecht die Eintragung versagt hatte,
waren auf die Beschwerde der Anmelderin die Beschlüsse der Markenstelle aufzu-
heben.
gez.
Unterschriften