Urteil des BPatG vom 14.03.2017

BPatG (marke, verkehr, kennzeichnungskraft, bestandteil, gefahr, verwechslungsgefahr, zeichen, beschwerde, verbindung, wiedergabe)

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 74/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 302 51 282
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
16. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schermer sowie die
Richter Dr. van Raden und Schwarz
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Gegen die für
„Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“
in den Farben „rot, schwarz“ eingetragene Wort-/Bildmarke 302 51 282
ist Widerspruch eingelegt aus der in Deutschland u.a. für die Waren
«Vêtements pour hommes, femmes et enfants, y compris robes en
peau, chemises, chemisiers, jupes, tailleurs, jaquettes, pantalons,
shorts, maillots de corps, tricots, pyjamas, chaussettes, sous-
vêtements en tricot, corsages, porte-jarretelles, slips,
combinaisons, chapeaux, foulards, cravates, imperméables,
- 3 -
pardessus, manteaux, costumes de bain, combinaisons de sport,
anoraks, pantalons de ski, ceintures, fourrures (vêtements),
écharpes, gants (habillement), robes de chambre, chaussures, y
compris pantoufles, chaussures de sport, bottes»
geschützten international registrierten Marke 650 695
.
Die Markenstelle hat den Widerspruch mangels Gefahr der Verwechslung der
Marken zurückgewiesen. Die Vergleichsmarken seien zwar zur Kennzeichnung
identischer Waren bestimmt, jedoch sei kein so erheblicher Grad einer Ähnlichkeit
der Zeichen feststellbar, dass eine ernsthafte Verwechslungsgefahr anzunehmen
wäre. Dies gelte selbst dann, wenn der Widerspruchsmarke auf dem Warengebiet
der Bekleidung eine erhöhte Kennzeichnungskraft zuerkannt werde. In ihrer Ge-
samtheit unterscheide sich die jüngere Marke schon durch die zusätzlichen Ele-
mente des roten fünfzackigen Sterns und das Markenworts „TV“, die in der Wider-
spruchsmarke keine Entsprechung fänden. Mit schriftbildlichen und klanglichen
Verwechslungen der Marken ihrem Gesamteindruck nach sei deshalb nicht zu
rechnen. Die jüngere Marke sei auch nicht durch den Markenbestandteil
„PRAVDA“ derart geprägt, dass der Verkehr sie allein mit diesem Bestandteil be-
zeichne und die weiteren Bestandteile als für die Kennzeichnung völlig unbeacht-
lich vernachlässige. Der Bestandteil „TV“, der schon optisch mit dem anderen
Markenwort eine Gesamtheit bilde, habe im Hinblick auf die beanspruchten Waren
keinerlei erkennbaren Bezug, sodass der Verkehr ihn schon deshalb nicht
vernachlässigen werde. Hinzu komme, dass das Wort „PRAVDA“ an die einzige
sowjetische Tageszeitung erinnere und der jüngeren Marke daher ohne weiteres
die Bedeutung „PRAVDA Television“ beigelegt werden könne.
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Die offenkundigen Unterschiede zwischen den Markenwörtern „PRAVDA“ einer-
seits und „PRAVDA“ andererseits verhinderten auch, dass die Vergleichsmarken
gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Bei der Prüfung
der assoziativen Verwechslungsgefahr sei nicht von einer flüchtigen akustischen
Aufnahme auszugehen, sondern vorrangig auf einen sorgfältigen und aufmerksa-
men Betrachter abzustellen. Damit fehle es an einem den beiden Marken gemein-
samen Stammbestandteil mit Hinweischarakter auf die Betriebsstätte der Inhabe-
rin der älteren Marke.
Die Widersprechende tritt dem mit ihrer Beschwerde entgegen. Zur Begründung
ihres Antrags auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Löschung der
jüngeren Marke verweist sie zunächst auf die gesteigerte Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke, die zu den bekanntesten Modemarken der Welt zähle. Im üb-
rigen trägt sie vor: Der Rote Stern in der jüngeren Marke werde als schmückendes
Beiwerk nicht beachtet und spiele bei der klanglichen Wiedergabe der Marke oh-
nehin keine Rolle. Der auch in Marken für Waren der Klasse 25 häufig verwendete
Markenbestandteil „TV“ sei originär kennzeichnungsschwach, sodass letztlich die
Markenwörter „PRADA“ und „PRAVDA“ einander gegenüberstünden. Diese unter-
schieden sich zumindest klanglich nicht ausreichend. Ein begrifflicher Gehalt von
„PRAVDA“ sei nicht unmittelbar zu erschließen, zumal das frühere Zentralorgan
des Zentralkomitees der KPdSU sich „PRAWDA“ geschrieben habe.
Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht ge-
äußert.
II.
Die gemäß § 165 Abs. 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache
keinen Erfolg, weil, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, eine Ver-
wechslungsgefahr gemäß § 9 Absatz 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Vergleichs-
marken nicht besteht.
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Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeit-
rang und der Identität oder Ähnlichkeit der mit den jeweiligen Marken bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Ver-
wechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich mit-
einander in Verbindung gebracht werden. Diese Verwechslungsgefahr ist unter
Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen, wobei von
einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Produktidentität
oder –ähnlichkeit, der Markenidentität oder –ähnlichkeit sowie der Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist, dergestalt, dass ein geringe-
rer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Ähnlichkeitsgrad der
Waren und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke
ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2003, 1044,
1045 – Kinder; GRUR 2004, 239 – DONLINE, jeweils m.w.Nachw.).
Im vorliegenden Fall kann, wie auch von der Markenstelle bereits angenommen,
eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke unterstellt werden. Auch die
Waren, für die die Vergleichsmarken eingetragen sind, sind identisch. Daraus
folgt, dass die jüngere Marke einen sehr deutlichen Abstand zu der älteren
einhalten muss, um Verwechslungen auszuschließen. Dieser Abstand ist hier
gegeben.
Schriftbildlich besteht ohnehin keine Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken.
Im übrigen ist bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit von dem Grundsatz aus-
zugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberste-
henden Zeichen ankommt (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 – Bit/Bud; GRUR
2003, 712, 714 Goldbarren). Dabei kann ein einzelner Zeichenbestandteil unter
Umständen eine besondere das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft
aufweisen, so dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks
weitgehend in den Hintergrund treten. Davon kann im vorliegenden Fall keine
Rede sein.
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Der Vermutung der Widersprechenden, der Verkehr werde sowohl den optisch
deutlich hervorgehobenen roten Stern ignorieren als auch den Zusatz „TV“ bei der
Benennung der Marke nicht berücksichtigen, vermag der Senat nicht zu folgen. Da
es sich bei Bekleidung um Waren handelt, die mit dem Fernsehen in keiner er-
kennbaren Beziehung stehen, kann nicht unterstellt werden, „TV“ sei eine Sach-
angabe, die der Verkehr bei der Bezeichnung dieser Produkte einfach wegließe.
Dagegen spricht auch die Wiedergabe der Bestandteile „PRAVDA“ und „TV“ in
gleicher Größe und gleichem Schrifttyp, wodurch der Eindruck ihrer Zusammen-
gehörigkeit entsteht. Die von der Widersprechenden genannten zahlreichen ua für
Waren der Klasse 25 geschützten Drittmarken mit dem Bestandteil „TV“ rechtferti-
gen ebenfalls nicht die Annahme, der Verkehr schenke diesem Bestandteil keine
Beachtung. Ein Blick auf diese Marken zeigt, dass der Bestandteil „TV“ mit den
weiteren Bestandteilen meist zu einem einheitlichen Begriff verbunden ist (zB
game TV, Adventure TV, Fashion TV, Golden TV, Smash TV, CYBERRADIO TV
usw). Ist der Verkehr aber im Bekleidungsbereich an solche Kombinationen ge-
wöhnt, wird er „PRAVDA TV“ mit diesen in eine Reihe stellen und daher umso we-
niger Anlass für eine Benennung nur mit „PRAVDA“ haben.
Selbst wenn aber nicht gänzlich irrelevante Teile des Verkehrs gleichwohl die jün-
gere Marke allein mit „PRAVDA“ benennen würden, wäre eine Gefahr der Ver-
wechslung nicht gegeben. Denn diese Bezeichnung unterscheidet sich schon auf
Grund der im deutschen Sprachraum völlig unüblichen auffälligen Konsonanten-
folge, die an eine slawische Sprache erinnert, in signifikanter Weise von der Wi-
derspruchsmarke, was im allgemeinen auch nicht überhört werden kann. Mangels
Übereinstimmungen, die den aufmerksamen Verbraucher zu Fehlschlüssen hin-
sichtlich eines gemeinsamen Herstellers der betreffenden Waren veranlassen
könnten, ist, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, auch keine Gefahr ei-
nes gedanklichen In-Verbindung-Bringens zu befürchten.
- 7 -
Gründe für ein Abweichen von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 MarkenG, demzu-
folge alle Beteiligten ihre Kosten selbst zu tragen haben, sind nicht ersichtlich.
Dr. Schermer
Richter Schwarz
kann wegen Urlaubs nicht
unterschreiben
Dr. Schermer
Dr. van Raden
Na