Urteil des BPatG vom 06.06.2007

BPatG: stand der technik, patentanspruch, perpetuatio fori, patentfähige erfindung, steg, einspruch, gefahr, unterliegen, belastung, montage

BUNDESPATENTGERICHT
7 W (pat) 316/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Juni 2007
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 101 62 605
BPatG 154
08.05
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hat der 7. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent wird widerrufen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Erteilung des Patents 101 62 605 mit der Bezeichnung „Heizkörper-
Einbauventil“, veröffentlicht am 13. November 2003, ist Einspruch erhoben wor-
den. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt,
dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.
Die Einsprechende hat zum Stand der Technik u.
a. die Druckschrift
DE 195 07 022 C2 genannt. Seitens des Senats wurde noch die Druckschrift
DE 37 33 890 A1 in das Verfahren eingeführt.
Die Einsprechende macht geltend, der Gegenstand des Patents beruhe gegen-
über dem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Sie stellt den Antrag,
das Patent zu widerrufen.
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Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit Patentansprüchen
1 bis 11, eingegangen als Hilfsantrag I vom 15. Juli 2004 mit den
Beschreibungsabschnitten
[0007] und [0008], Beschreibungsab-
schnitten
[0004a], [0004b] überreicht in der mündlichen Verhand-
lung, ursprüngliche Beschreibung nach Patentschrift ohne Ab-
schnitt
[0010], Zeichnungen wie Patentschrift,
hilfsweise nach Hilfsantrag I mit Ansprüchen 1 bis 9, eingereicht in
der mündlichen Verhandlung, Beschreibungsabschnitten
[0004a],
[0004b] wie Hauptantrag, Beschreibungsabschnitte [0007] und
[0008] (zu Hilfsantrag I), heute überreicht, Beschreibung gemäß
Patentschrift ohne die Abschnitte
[0010], [0014], [0015], Zeich-
nungen, Figuren 1 und 2, heute überreicht,
ferner hilfsweise nach Hilfsantrag II mit Ansprüchen 1 bis 7, heute
überreicht, Beschreibungsabschnitten
[0004a], [0004b], heute
überreicht, Beschreibungsabschnitte
[0007], [0008] (zu Hilfsan-
trag II), heute überreicht, Beschreibung gemäß Patentschrift ohne
Abschnitte
[0010], [0014] bis [0017], Zeichnungen Figuren 1
und 2, heute überreicht.
Sie vertritt die Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten
Fassung der Patentansprüche nach Haupt- oder Hilfsanträgen I bzw. II werde
durch die entgegengehaltenen Druckschriften dem Fachmann nicht nahe gelegt.
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Der geltende Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
„Heizkörper-Einbauventil mit einem Verbindungselement, das ei-
nen Korpus und eine Dichtungszone zum Abdichten eines Berüh-
da-
durch gekennzeichnet
dial nach innen wirkende erste Dichtung (16) als auch eine radial
nach außen wirkende zweite Dichtung (18) aufweist und die erste
Dichtung (16) und die zweite Dichtung (18) durch den Korpus (19)
hindurch verbunden sind.“
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I lautet:
„Heizkörper-Einbauventil mit einem Verbindungselement, das ei-
nen Korpus und eine Dichtungszone zum Abdichten eines Berüh-
da-
durch gekennzeichnet
dial nach innen wirkende erste Dichtung (16) als auch eine radial
nach außen wirkende zweite Dichtung (18) aufweist und die erste
Dichtung (16) und die zweite Dichtung (18) durch den Korpus (19)
hindurch verbunden sind,
wobei die erste Dichtung (16) und die zweite Dichtung (18) an
unterschiedlichen axialen Positionen am Korpus (19) angeordnet
sind und eine Verbindung zwischen der ersten Dichtung (16) und
der zweiten Dichtung (18) einen Zugkräfte parallel zur Achse des
Korpus aufnehmenden Steg (20) aufweist.“
Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II lautet:
„Heizkörper-Einbauventil mit einem Verbindungselement, das ei-
nen Korpus und eine Dichtungszone zum Abdichten eines Berüh-
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da-
durch gekennzeichnet
dial nach innen wirkende erste Dichtung (16) als auch eine radial
nach außen wirkende zweite Dichtung (18) aufweist und die erste
Dichtung (16) und die zweite Dichtung (18) durch den Korpus (19)
hindurch verbunden sind,
wobei die erste Dichtung (16) und die zweite Dichtung (18) an
unterschiedlichen axialen Positionen am Korpus (19) angeordnet
sind und eine Verbindung zwischen der ersten Dichtung (16) und
der zweiten Dichtung (18) einen Zugkräfte parallel zur Achse des
Korpus aufnehmenden Steg (20) aufweist, und wobei der Kor-
pus (19) sowohl für die erste Dichtung (16) als auch für die zweite
Dichtung (18) eine axial wirkende Abstützflanke (21, 22) aufweist,
die entgegen einer Aufsteckrichtung wirkt und auf der der Abstütz-
flanke (21, 22) gegenüberliegenden Seite der ersten Dichtung (16)
keine Abstützung vorgesehen ist.“
Weiterbildungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 sind in nachgeordne-
ten Patentansprüchen 2 bis 11 (Hauptantrag), 2 bis 9 (Hilfsantrag I) und 2 bis 7
(Hilfsantrag II) angegeben. Zu ihrem Wortlaut wird auf die Akte verwiesen.
In der Streitpatentschrift (DE 101 62 605 C2) ist als Aufgabe der Erfindung ge-
nannt, bei einem Heizkörper-Einbauventil der gattungsgemäßen Art die Flexibilität
(seiner Anwendung) zu erhöhen (Abs. [0006] i. V. m. Sp. 1 Z. 34, 35).
II.
Der Senat hält sich für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren
auch nach der - mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten - Aufhebung der Über-
gangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch aufgrund des Grundsatzes der
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„perpetuatio fori“ gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG
analog für zuständig (insoweit dem Beschluss des 23. Senats vom 19. Okto-
ber 2006 folgend, Aktenzeichen 23 W (pat) 327/04).
Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet.
Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung
i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.
Als hier zuständiger Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur anzusehen, der
mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Ventilen und
deren Einbindung in Rohrsysteme von Heizungs-, Sanitär- oder Brauchwasseran-
lagen besitzt.
Zum Hauptantrag:
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag mag neu sein. Er be-
ruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der Druckschrift DE 195 07 022 C2 (Fig. 1, 2) ist ein Heizkörper-Einbauven-
til 7 bekannt, das ein Verbindungselement (Gehäuse 25) für den Anschluss des
Ventils an einen Zulaufstutzen 13 eines Steigrohres 5 in einem Heizkörper auf-
weist. Das Verbindungselement des Ventils ist an seinem freien Ende rohrförmig
ausgebildet. Am Innenumfang und am Außenumfang seines rohrförmigen Endes
ist jeweils ein Dichtungsnut 17, 17a zur Aufnahme einer nach innen bzw. einer
nach außen wirkenden Dichtung (Dichtringe 18, 18a) angeordnet (Sp. 3 Z. 52 bis
55). Durch diese Dichtungsanordnung ist es möglich, den Zulaufstutzen je nach
Gegebenheit entweder am Innenumfang oder am Außenumfang des Verbin-
dungselements dichtend anzubringen. Beide Möglichkeiten sind in Figur 2 gezeigt
(13e, 17a, 18a bzw. 13, 17, 18). Somit sind zwei durchmesser-unterschiedliche
Rohranschlüsse mit nur einer Ventil-Bautype realisierbar (Sp. 3 Z. 55 bis 58). Auf-
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grund der geometrischen Festlegungen der Nut ist davon auszugehen, dass für
das bekannte Ventil die beiden dazu passenden Dichtungen vom Hersteller vor-
gegeben werden, zweckmäßigerweise das Ventil mit den passenden Dichtringen
bestückt ausgeliefert wird. Ob der Fachmann für die Herstellung der Verbindung
vor Ort nur den benötigten Dichtring im Ventil belässt oder beide Dichtringe wird
vom Einzelfall abhängen. Nach Überzeugung des Senats spricht nichts gegen ein
Belassen der beiden Dichtringe im Verbindungsteil bei der Montage, wenn die
Dichtringe hinreichend fest in den Nuten gehalten sind, was unter den im Ausfüh-
rungsbeispiel nach Figur 2 gezeichneten Verhältnissen mit relativ tiefen Nuten zu
erwarten ist.
Das Einbauventil nach Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem bekannten
somit nur noch dadurch, dass die beiden Dichtungen durch den Korpus des Ver-
bindungselements hindurch verbunden sind.
Zwei auf verschiedenen Seiten eines Dichtungsträgers liegende Dichtungen mit-
einander zu verbinden ist bereits Stand der Technik. Druckschrift DE 37 33 890 A1
beschreibt eine Dichtung für ein Sanitärventil bestehend aus einer starren Platte
mit Durchtrittsöffnungen, die beidseits der Platte mit Dichtungswulsten umgeben
sind. Die beidseitigen Dichtungswulste sind dadurch einstückig miteinander ver-
bunden, dass sie durch zwischen den beidseitigen Dichtungswulsten liegende Lö-
cher in der Platte durchgespritzt sind (Frontseite, Zusammenfassung), wobei die
Dichtungswulste auch in einer Nut angeordnet sein und als eine Art O-Ring wirken
können (Sp. 2 Z. 16 bis 21). Das Durchspritzen erlaubt eine besonders einfache
Herstellung der Dichtung (Sp. 1 Z. 56 bis 59). Die Vorteile der einfachen Herstel-
lung veranlassen den Fachmann die diesbezügliche Lehre der DE 37 33 890 A1
aufzugreifen und auf das Heizkörper-Einbauventil nach Druckschrift
DE 195 07 022 C2 zu übertragen, womit er ohne erfinderisch tätig werden zu
müssen zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gelangt.
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Dem steht nicht entgegen, dass die Dichtungswulste der Sanitärarmatur im Ge-
gensatz zu den Dichtungen der Rohrverbindung bei einem Heizkörper-Einbauven-
til möglicherweise nicht einer Scherbeanspruchung unterliegen, denn dieser Un-
terschied berührt jedenfalls nicht die Frage der Vereinfachung der Herstellung ei-
ner Dichtungsanordnung mit beidseits eines platten- oder rohrförmigen Dichtungs-
halters angeordneten Dichtwulsten oder -ringen, die allein dem Fachmann Anlass
gibt, nach geeigneten Vorschlägen im relevanten Stand der Technik, zu dem un-
streitig auch das Gebiet der Sanitärtechnik zählt, zu suchen.
Dem Hauptantrag konnte somit nicht stattgegeben werden.
Zum Hilfsantrag I:
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I unterscheidet sich von dem nach Haupt-
antrag durch die zusätzlichen Merkmale, wonach die erste (innere) Dichtung und
die zweite (äußere) Dichtung an unterschiedlich axialen Positionen am Korpus
angeordnet sind und die Verbindung zwischen der ersten und der zweiten Dich-
tung einen Steg aufweist, der Zugkräfte parallel zur Korpusachse aufnimmt.
Das Heizkörper-Einbauventil nach der vorstehend gewürdigten Druckschrift
DE 195 07 022 C2 zeigt schon die axial versetzte Anordnung der beidseitig ange-
ordneten Dichtungsnuten bzw. -ringe. Verbindet der Fachmann aufgrund der An-
regung aus Druckschrift DE 37 33 890 A1 - wie oben zum Hauptantrag näher aus-
geführt - die innere mit der äußeren Dichtung durch Spritzen der Dichtung durch
Löcher im Korpus, die die beiden Nuten miteinander verbinden, entsteht ein Steg,
der unter der achsparallelen Scherbeanspruchung der Dichtungen zwangsläufig
auch parallel zur Korpusachse verlaufende Zugkräfte aufnimmt, wie der Fach-
mann aufgrund seiner Grundkenntnisse in technischer Mechanik ohne weiteres
erkennt. Die im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag zusätzlich aufgenommenen
Merkmale begründen somit weder für sich noch in Kombination mit den übrigen
Merkmalen eine erfinderische Tätigkeit.
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Dem Hilfsantrag I konnte danach ebenfalls nicht stattgegeben werden.
Zum Hilfsantrag II:
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II enthält neben den Merkmalen des Pa-
tentanspruchs 1 nach Hilfsantrag I noch die Merkmale, dass der Korpus des Ver-
bindungselements für jede Dichtung eine axial wirkende Abstützflanke aufweist,
die entgegen einer Aufsteckrichtung wirkt, und dass auf der der Abstützflanke ge-
genüberliegenden Seite der ersten (inneren) Dichtung keine Abstützung vorgese-
hen ist.
Beim Ventil der nächstkommenden Entgegenhaltung DE 195 07 022 C2 liegt wie
beim angefochtenen Patentgegenstand eine rohrförmige Steckverbindung zwi-
schen Verbindungselement des Einbauventils und Zulaufstutzen des Anschluss-
rohres vor. Da beim Ein- oder Aufschieben des jeweiligen Rohrendes in bzw. über
das Anschlussende des Verbindungselements Scherbelastungen auf die jeweilige
Dichtung einwirken, besteht die Gefahr einer zumindest teilweisen axialen Ver-
schiebung der Dichtung, die die Wirksamkeit der Abdichtung mindern könnte.
Beim aus DE 195 07 022 C2 bekannten Ventil ist dieser Gefahr durch Halten der
Dichtungen in rechteckige Nuten begegnet, deren der Aufsteckrichtung entgegen-
wirkende Nutflanken, in Figur 2 jeweils die linke Flanke der Nuten 17, 17a, axial
wirkende Abstützflanken im Sinne des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II bil-
den. Für das Weglassen der Haltenuten für die Dichtungen besteht auch nach
Verbindung der beiden Dichtungen im Zuge der Herstellungsvereinfachung durch
Spritzen gemäß Druckschrift DE 37 33 890 A1 keine Veranlassung, da hierdurch
die einen relativ geringen Querschnitt aufweisenden Verbindungsstege zwischen
den beiden Dichtungen erhöhten axialen Zugkräften ausgesetzt würden, die zu
einem Bruch der Verbindungsstege führen könnten. Das zu vermeiden ist für den
Fachmann jedoch selbstverständlich.
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Die Sicherung der axialen Lage der Dichtungen ist im Allgemeinen auch im Falle
der Aufhebung der Steckverbindung zweckmäßig, insbesondere für nicht ein-
stückig verbundene Dichtungen gemäß DE 195 07 022 C2. Hier könnte u. U. die
Dichtung 18 beim Abziehen auf dem abgezogenen Stutzen 13 verbleiben, wenn
sie nicht durch die andere, der Abziehbewegung entgegenwirkende Nutflanke
axial abgestützt wäre. Sind die beiden Dichtungen jedoch durch einen Steg mit-
einander verbunden, kann - wie der Fachmann ohne weiteres erkennt - auf eine
Abstützflanke jedenfalls für die dem freien Ende des Verbindungselements
nächstliegende Dichtung verzichtet werden, wenn dies z. B. zur weiteren Verein-
fachung der Herstellung vorteilhaft erscheint und hiermit eventuell einhergehende
Nachteile wie die höhere Belastung der Verbindungsstege durch Zugkräfte oder
die Minderung der Dichtkraft der in eine Richtung frei sich ausformen könnenden
Dichtung durch entsprechende Gegenmaßnahmen, z. B. durch besondere Materi-
alauswahl hinsichtlich Zugfestigkeit oder Formhaltigkeit der Dichtung, kompensiert
würden. Derartige Abwägungen zwischen einfach erkennbaren Vor- und Nachtei-
len bewegen sich jedoch im Bereich des routinemäßigen Handelns des Fachman-
nes, erfordern mithin keine erfinderische Tätigkeit.
Der Senat konnte auch in den Merkmalen der dem Patentanspruch 1 nach Hilfs-
antrag
II nachgeordneten Patentansprüche
2 bis 7 keine eine erfinderische
Tätigkeit begründenden Maßnahmen erkennen. Entgegenstehendes hat auch die
Patentinhaberin nicht geltend gemacht.
Auch der Hilfsantrag II konnte somit keinen Erfolg haben.
gez.
Unterschriften