Urteil des BPatG vom 03.06.2003

BPatG: computersoftware, beschreibende angabe, organisation, bestandteil, verkehr, verwaltung, dienstleistung, unterscheidungskraft, datenträger, mitbewerber

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 17/02
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 46 583.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 3.
Juni
2003 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Schermer sowie Richterin Friehe-Wich und Richter Dr. van Raden
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beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 aufgehoben, soweit die Anmeldung für die
Dienstleistungen "Softwareschulungen" zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung
PatOrg
für die Waren und Dienstleistungen
"Datenträger; Computersoftware, insbesondere für Patentanwälte
und/oder Industriepatentabteilungen, und/oder zur Verwaltung von
Patentanwaltskanzleien; Computersoftware für die Überwachung
von Fristen, Computersoftware zur Überwachung der Zahlungsfri-
sten für Jahres- und Aufrechterhaltungsgebühren von technischen
Schutzrechten, Geschmacksmustern oder Marken, Computersoft-
ware für die Buchhaltung, Computersoftware für die Verwaltung
von Adressen; Softwareschulungen; Erstellen von Programmen
für die Datenverarbeitung".
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Die Markenstelle hat die Anmeldung durch Beschluss eines Beamten des höheren
Dienstes zurückgewiesen, weil sie ausschließlich aus Angaben bestehe, die im
Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen, nämlich der Beschaffenheit und der
Zweckbestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen könn-
ten. Auch bei einer Betrachtung des Gesamteindrucks der angemeldeten Marke
ergebe sich ohne weiteres die aus zwei Abkürzungen zusammengesetzte Bedeu-
tung "Patent-Organisation". Für die beanspruchten Waren der Klasse 9 folge dar-
aus, dass sie zur Organisation im Zusammenhang mit Patenten geeignet seien;
dies gelte auch für die Dienstleistungen des Erstellens entsprechender Program-
me und der Schulung für diese. Als beschreibende Angabe sei "PatOrg" somit zu-
gunsten der Mitbewerber für die Verwendung als Hinweis auf Beschaffenheit und
Bestimmung ihrer Waren und Dienstleistungen freizuhalten. Ob diese Bezeich-
nung auch wegen mangelnder Unterscheidungskraft schutzunfähig sei, könne da-
hin stehen.
Gegen die Zurückweisung der Anmeldung wendet sich der Anmelder mit seiner
Beschwerde, mit der er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Un-
ter Hinweis auf zahlreiche Voreintragungen von Marken mit dem Bestand-
teil "PAT" (PATMONITOR, PATNET, PATPRO, PatInform, Pattorney, PATSYS,
PATARCHIV, PATWARE, PATPOD, PATKAT, WINPAT sowohl im Bereich der
Verwaltung gewerblicher Schutzrechte als auch im Zusammenhang mit Arztpraxis-
Organisation, sieht er keine hinreichende Veranlassung, die angemeldete Be-
zeichnung, die nicht mehr oder weniger beschreibend sei als andere, ähnlich auf-
gebaute Kombinationen, nicht als Marke zuzulassen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur hinsichtlich der Dienstleistung
"Softwareschulungen" Erfolg. Für die übrigen Waren und Dienstleistungen stehen
der angemeldeten Marke die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 Mar-
kenG entgegen.
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Der angemeldeten Bezeichnung "PatOrg" fehlt auch bei der gebotenen Anlegung
eines großzügigen Maßstabs an die Beurteilung der Unterscheidungskraft
(stRspr., vgl BGH GRUR 1995, 408 – PROTECH; GRUR 2001, 1153 – anti KALK;
2002, 64 – INDIVIDUELLE) jegliche Eignung, die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen ihrer betrieblichen Herkunft nach zu kennzeichnen (§ 8 Abs 2
Nr 1 MarkenG). Sie besteht aus den aufgrund der Binnengroßschreibung ohne
weitere analysierende Überlegungen auf den ersten Blick erkennbaren Wortele-
menten "Pat" und "Org". Diese mögen zwar für Computersoftware bzw Datenträ-
ger mit Computersoftware sowie die Dienstleistung des Erstellens von Software
allgemein betrachtet mehrfach interpretierbar sein. So ist der Bestandteil "Pat" ua
auch als Abkürzung für "Patient" lexikalisch nachweisbar. Ferner wird er – wie der
Anmelder in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat – von einigen Unterneh-
men als Abkürzung für Performance Analyse Tool, Professional Audio Tools und
Permanent Acting Training verwendet. Die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Zei-
chens ist indessen nicht auf die im Waren/Dienstleistungsverzeichnis enthaltenen
allgemeinen Oberbegriffe beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle darunter fal-
lenden Einzelwaren und –dienstleistungen, denn ein Zeichen ist bereits dann von
der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihm für eine von dem Oberbegriff umfaßte
Ware oder Dienstleistung ein Eintragungshindernis entgegensteht (vgl BGH
GRUR 2002, 261, 262 – AC; EuG GRUR Int 2001, 835 – Eurohealth). Wie aus der
durch den Zusatz "insbesondere …" ersichtlichen Erläuterung des Oberbe-
griffs "Computersoftware" sowie der weiteren Warenangabe "Computersoftware
zur Überwachung der Zahlungsfristen für Jahres- und Aufrechterhaltungsgebühren
von technischen Schutzrechten, Geschmacksmustern oder Marken" hervorgeht,
liegt der Schwerpunkt des Einsatzes der Bezeichnung "PatOrg" im Bereich Patent-
verwaltung und –Überwachung. In Bezug auf diese Waren versteht der angespro-
chene Verkehr, insbesondere Patentanwälte und Industriepatentabteilungen, die
Bezeichnung "PatOrg" ohne weiteres und ausschließlich im Sinne von "Patentor-
ganisation".
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Wie die Markenstelle insoweit zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei "Pat"
und "Org" um Abkürzungen, die nicht nur lexikalisch nachweisbar, sondern auch
tatsächlich als solche gebräuchlich und dementsprechend allgemein bekannt sind.
die Kurzform "Pat" begegnet dem Verkehr täglich in zahlreichen Bezeichnungen
wie PatG, PatR, PatAnw, PatInfo. Aber auch die Abkürzung "org" wird in der kauf-
männischen Geschäftssprache aus Vereinfachungsgründen häufig anstelle des
vollständigen Worts "Organisation" verwendet und zwar nicht nur in den von der
Markenstelle zitierten Wortgesamtheiten Orgchart und Orgware, sondern auch als
selbständiger Bestandteil beschreibender Wortkombinationen, wie zB Org.-Abt. für
Organisationsabteilung und Org.-Pl. für Organisationsplan (vgl DUDEN, Wörter-
buch der Abkürzungen, 1999, S 245). Mit dem Ladungszusatz hat der Senat dem
Anmelder weitere Unterlagen übersandt, aus denen die beschreibende Verwen-
dung der Bezeichnungen Org.-Manager (www.computerwoche.de/heftar-
chiv/1990/19900209a 91549 html) bzw Org.-Management (http://services.ai-
sec.org/pe/MC/MCP/Resources_Data/xdata5) hervorgeht.
In Anbetracht der Üblichkeit und Bekanntheit der beiden Abkürzungen stellt sich
die Kombination "PatOrg" für den Verkehr als beschreibende Kurzform für eine Or-
ganisationssoftware für Patente dar, mit der (Jahres-) Fristen für Patente über-
wacht, fällige Gebühren errechnet, Änderungen des Namens und der Adresse der
Schutzrechtsinhaber erfaßt und gespeichert, Mahnschreiben versandt werden
können usw. Eine Mehrdeutigkeit dahingehend, daß der Bestandteil "Org" auch
zur Bezeichnung einer Organisation als Institution oder Zusammenschluß mehre-
rer Institutionen verwendet wird, liegt entgegen der Ansicht des Anmelders hier
nicht vor, weil die Vorstellung, daß eine Organisationssoftware für Patente von ei-
ner Organisation stammen oder für diese bestimmt sein könnte, für die angespro-
chenen Fachkreise fernliegend ist. Es trifft auch nicht zu, daß die Verwaltung und
Überwachung von Patenten begrifflich keine Organisation darstellt, denn ein Pro-
gramm, mit dem umfassend alle ein Patent betreffenden Daten einschließlich der
Adressenverwaltung und Gebühren-Buchhaltung verarbeitet werden können, ist
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ein Organisationsprogramm, das mit "PatOrg" in einer für Software üblichen
schlagwortartigen Kurzform beschrieben wird.
Die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke kann entgegen der Ansicht des An-
melders auch nicht darauf gestützt werden, daß bereits zahlreiche Wortbildungen
mit dem Bestandteil "Pat" eingetragen worden sind, denn jede Anmeldung ist für
sich genommen auf ihre Schutzfähigkeit zu prüfen. Es kann also nicht Gegenstand
der Beurteilung im vorliegenden Verfahren sein, ob die vorliegend gegen die
Schutzfähigkeit von "PatOrg" sprechenden Gesichtspunkte auf die genannten Vor-
eintragungen PATMONITOR, PATPRO, PatInform, Pattorney, PATSYS, PATAR-
CHIV, PATWARE, PATPOD, PATKAT, WINPAT zutreffen, ob es sich also zB bei
den Wortelementen Inform, Sys, Pro oder Pod um – mit "Org" vergleichbare –
selbständig gebräuchliche bekannte Abkürzungen handelt, die zudem in Verbin-
dung mit "Pat" einen eindeutig beschreibenden Sinngehalt vermitteln (vgl zu "Pro"
BGH GRUR 1995, 408 – PROTECH). Unter Verwendung von Abkürzungen gebil-
dete Zeichen sind bei eindeutigem Sinngehalt jedenfalls wiederholt von der Eintra-
gung ausgeschlossen worden (zB 33 W (pat) 134/00 vom 22. Januar 2002 – Euro-
peCom; 30 W (pat) 113/94 vom 16. Oktober 1995 – PC-Com; 29 W (pat) 353/99
vom 7. März 2001 ComStation; 27 W (pat) 273/00 vom 9. April 2002 – ProRaid; al-
le Entscheidungen zitiert auf der PAVIS-CD-ROM). Im übrigen kann aus mögli-
cherweise zu Unrecht vorgenommenen Eintragungen des Patentamts kein Recht
auf Fehlerwiederholung hergeleitet werden.
In Anbetracht des beschreibenden Aussagegehalts der aus üblichen Abkürzungen
zusammengesetzten Bezeichnung "PatOrg" hält der Senat auch das Eintragungs-
hindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG für gegeben. Auch wenn die beschreibende
Verwendung dieser Bezeichnung gegenwärtig nicht nachweisbar ist, besteht we-
gen der Üblichkeit griffiger Kurzformen gerade im Bereich der Software ein Inte-
resse der Mitbewerber, auf den Inhalt einer Organisationssoftware für Patente mit
"PatOrg" hinzuweisen.
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Dagegen kann der angemeldeten Marke hinsichtlich der Dienstleistungen "Soft-
wareschulungen" nicht jede betriebskennzeichnende Eigenart abgesprochen wer-
den, denn es bedarf einiger Überlegung und gedanklicher Zwischenschritte, um
die Kombination "PatOrg" mit dem Gegenstand der Schulung in Verbindung zu
bringen und darin einen möglichen Hinweis darauf zu sehen, daß die Schulung ei-
ne Organisationssoftware für Patente betrifft.
Dr. Schermer
Friehe-Wich
Dr. van Raden