Urteil des BPatG vom 27.03.2001

BPatG: marke, energie, englisch, begriff, unterscheidungskraft, wörterbuch, wasser, patent, markt, kunststoff

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 98/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. März 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 31 879.8
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27.
März
2001 unter Mitwirkung des Richters
Dr.
Hacker als Vorsitzenden sowie des Richters Dr.
Schmitt und der
Richterin Werner
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 22. Mai 2000 aufgehoben.
BPatG 154
6.70
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G r ü n d e
I
Die Marke
EnergyBall
ist angemeldet worden für die folgenden Waren:
"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Waschroh-
stoffe, Wasserglas, ansatzverhindernde und ansatzlösende Mittel
für Rohre und Apparaturen, Steinverhütungsmittel, Aufberei-
tungsmittel für Wasser, Bodenauflockerungsmittel, Bodenverbes-
serungsmittel; Seifen, Seifenmischungen, Wasch- und Bleichmit-
tel, Spülmittel für Wäsche und Geschirr, Putz- und Poliermittel,
Scheuermittel, chemische Mittel zum Reinigen von Metall, Ma-
schinen, Holz, Stein, Porzellan, Glas, Kunststoff und Textilien;
Desinfektionsmittel für Flächen und Wäschedesinfektionsmittel für
Textilien aller Art."
Mit Beschluß vom 22. Mai 2000 hat die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen
Patent- und Markenamts diese Anmeldung teilweise zurückgewiesen, nämlich für
die Waren:
"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, ansatzverhin-
dernde und ansatzlösende Mittel für Rohre und Apparaturen,
Steinverhütungsmittel, Aufbereitungsmittel für Wasser, Seifen,
Seifenmischungen, Wasch- und Bleichmittel, Spülmittel für Wä-
sche und Geschirr, Putz- und Poliermittel, Scheuermittel, chemi-
sche Mittel zum Reinigen von Metall, Maschinen, Holz, Stein, Por-
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zellan, Glas, Kunststoff und Textilien; Wäschedesinfektionsmittel
für Textilien aller Art."
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, dem angemeldeten Markenwort
fehle die erforderliche Unterscheidungskraft gem § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, weil es
eine warenbeschreibende Angabe enthalte. Die angesprochenen Verkehrskreise
würden das Markenwort "EnergyBall" als Hinweis auf einen Energie-Ball verste-
hen. Es seien bereits Waschbälle aus Naturkautschuk auf dem Markt, die für den
Waschvorgang in die Waschtrommel gelegt würden und den Schmutz auf mecha-
nische Weise lösten. Außerdem gebe es Magnetkugeln, die für den Wasch- bzw
für den Spülvorgang in die Waschtrommel der Waschmaschine oder in den Ge-
schirrkorb der Spülmaschine gelegt würden und das Wasser entkalkten. Deswe-
gen würden die angesprochenen Verkehrskreise das Markenwort "EnergyBall" als
einen Hinweis darauf verstehen, daß den beanspruchten Waren zusätzlich noch
ein solcher Energie-Ball beigefügt sei - oder mehrere davon - und diese Bälle die
energetische Wirkung der jeweiligen Mittel unterstützten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint,
das angemeldete Markenwort sei hinreichend unterscheidungskräftig. Es handele
sich um eine Wortneuschöpfung, die keine Warenbeschreibung enthalte. Die von
der Markenstelle in dem angegriffenen Beschluß erwähnten Waschbälle und
Magnetkugeln fielen nicht unter das Warenverzeichnis der angemeldeten Marke.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 22. Mai 2000 aufzuheben.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
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II
Das angemeldete Markenwort "EnergyBall" ist nicht freihaltungsbedürftig iSv § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG, denn es enthält keine konkrete Beschaffenheitsangabe über
die beschwerdegegenständlichen Waren. Dabei ist es nicht entscheidungserheb-
lich, ob das angemeldete Markenwort als konkrete Warenbeschreibung in bezug
auf die von der Markenstelle angesprochenen Waschbälle und Magnetkugeln in
Betracht kommt. Insoweit handelt es sich um mechanische Geräte zur Erleichte-
rung des Waschvorgangs und zur Verhinderung von Kalkbildung. Diese Geräte
fallen nicht unter die chemischen Erzeugnisse und sonstigen Mittel der Klassen 1,
3 und 5, für welche die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Das angemeldete Markenwort ist auch nicht geeignet als Sachangabe zur kon-
kreten Darreichungsform der noch beschwerdegegenständlichen Waren. Das
Markenwort "EnergyBall" ist eine Wortkombination, die bei analysierender Be-
trachtung sowohl als deutscher als auch als englischer Ausdruck verstanden wer-
den kann, im täglichen Geschäftsverkehr jedoch an erster Stelle als deutscher
Begriff aufgefaßt werden wird.
Das erste Markenelement "Energy" ist englischen Ursprungs und als englischer
Begriff inhaltlich im Wesentlichen deckungsgleich mit dem deutschen Wort "Ener-
gie". Es kommt hinzu, daß die englische Schreibweise in mehreren Zu-
sammenhängen Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat. Das gilt insbe-
sondere für die Energie-Wirtschaft (vgl zB "energy", Die Zeitschrift der Energie-
verwertungsagentur, oder "ACT ENERGY" - Aktionsgemeinschaft Regenerative
Energien e.V.) und die Bereiche Körperpflege und Ernährung (vgl zB die Körper-
pflegeserie "Adidas Sport Energy" und "Klosterfrau Guarana energy Kapseln").
Der Ausdruck "Energydrink" ist inzwischen ein etabliertes Fremdwort in der deut-
schen Sprache und bezeichnet alkoholfreie Getränke, die Energie spenden sollen
(vgl DUDEN, Das große Fremdwörterbuch, 2. Aufl 2000, S 393). Bei dieser Sach-
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lage werden die angesprochenen Verkehrskreise in dem Markenelement "Energy"
einfach ein Synonym für das deutsche "Energie" sehen.
Das Markenelement "Ball" kommt in derselben Schreibweise sowohl als deutscher
als auch als englischer Ausdruck vor. In beiden Sprachen können mit dem Wort
kugelförmige, gewöhnlich mit Luft gefüllte elastische Gegenstände bezeichnet
werden, die als Spielzeug oder Sportgerät verwendet werden (vgl DUDEN, Das
große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl 1999, Band 1, Seite 448 zum
Stichwort "Ball"; PONS COLLINS, Großwörterbuch Deutsch/ Englisch, Englisch/
Deutsch, Neubearbeitung 1999, S 501 und 1094). Diese elastischen Hohlkörper
können getreten und geprellt werden. Die Starrheit eines Golfballes bildet die
Ausnahme. Anders als der deutsche Begriff geht der englische Ausdruck "ball" je-
doch weiter, denn damit lassen sich nicht nur Bälle bezeichnen, sondern auch Ku-
geln, das heißt solche kugelförmigen Körper, deren Formen starr und die in der
Regel massiv sind (vgl PONS COLLINS, Großwörterbuch Deutsch/ Englisch, Eng-
lisch/Deutsch aaO).
Gleichwohl ist es unwahrscheinlich, daß die angesprochenen Verkehrskreise
diese Besonderheit des englischen Ausdrucks "ball" bei einer Begegnung mit der
angemeldeten Marke beachten werden. Das ergibt sich aus der sprachlichen Be-
sonderheit der angemeldeten Marke, die darin besteht, daß dasselbe Wort zu-
nächst einmal sowohl bei deutscher als auch bei englischer Auffassung dieselbe
Bedeutung hat und die mögliche weitergehende Bedeutung iSv von "Kugel"
daneben nur als eine begriffliche Variante in Betracht kommt, nicht dagegen als
etwas grundsätzlich Anderes. Bei dieser Sachlage ist im deutschen Sprachraum
eine Auffassung des angemeldeten Markenwortes im - engeren - deutschen Wort-
sinne am nächstliegenden und zwar unabhängig davon, ob der einzelne Ver-
kehrsteilnehmer nur die alternative englische Lesart als solche erkennt oder dar-
über hinaus auch mit den begrifflichen Unterschieden zwischen dem deutschen
"Ball" und dem englischen "ball" vertraut ist.
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Der deutsche Ausdruck "EnergyBall" ist als Beschreibung für eine konkrete
Darreichungsform der noch beschwerdegegenständlichen Waren nicht geeignet.
Zwar ist das Markenelement "Energy" als unmittelbarer Hinweis auf eine beson-
ders starke - eben energische oder energiegeladene - Wirkung der angebotenen
Mittel geeignet. Das Markenelement "Ball" dagegen kommt - jedenfalls zum ge-
genwärtigen Zeitpunkt - (noch) nicht als eindeutige und unmißverständliche Be-
schreibung für eine Darreichung der beanspruchten Waren in Kugelform in Be-
tracht. Zwar werden Seifen seit langem in Kugelform angeboten, und insbeson-
dere Waschmittel und Spülmittel für Wäsche und Geschirr sind inzwischen in
Form von kleinen Perlen oder scheinbaren oder tatsächlichen kleinen Kugeln (zB
unter der Wort-Bild-Marke "Powerball" von Calgonit) auf dem Markt. Trotzdem ist
der Ausdruck "Ball" (noch) nicht als naheliegender Hinweis auf eine Darreichung
in Kugelform geeignet. Denn - wie bereits dargelegt - hat ein Ball nach dem deut-
schen Sprachverständnis eine grundsätzlich andere physikalische Konstruktion als
Perlen oder Kugeln. Diese sind massiv, Bälle sind gewöhnlich hohl. Kugeln sind
starr, Bälle elastisch.
Die angemeldete Marke verfügt auch über die erforderliche Unterscheidungskraft
iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Daß "EnergyBall" keine konkrete Sachangabe ent-
hält, wurde bereits bei der Prüfung des Freihaltungsbedürfnisses festgestellt. Un-
ter diesem Gesichtspunkt kann der Marke daher die erforderliche Unterschei-
dungskraft nicht abgesprochen werden. Es sind auch keine anderen Umstände
erkennbar, die gegen die Herkunftsfunktion der angemeldeten Marke sprechen.
Aus diesen Gründen ist der Beschwerde stattzugeben und der angegriffene
Beschluß ist aufzuheben.
Dr. Hacker
Dr. Schmitt
Werner
Bb/bn
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