Urteil des BPatG vom 10.07.2006

BPatG: beschreibende angabe, eugh, form, kunststoff, verkehr, englisch, begriff, zusammensetzung, werbung, wörterbuch

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 237/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
10. Juli 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 301 31 451.9
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
BPatG 154
08.05
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G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist
ROAD EDGE PAVE
für die Waren
Straßenbankettbefestigungen aus Kunststoff.
Die Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Bezeich-
nung sei sprachüblich gebildet und werde vom Fachverkehr als „Straßenrand-
pflasterung“ verstanden. Bei den beanspruchten Waren handele es sich um Wa-
ren zur Befestigung des Straßenrandes.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausge-
führt, die Wortzusammensetzung sei sprachregelwidrig gebildet und dem inlän-
dischen Verkehr nicht bekannt.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 vom 3. August 2004
aufzuheben.
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen, den Inhalt des patentamtli-
chen Beschlusses und die der Anmelderin übermittelten Ergebnisse einer Internet-
recherche Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg.
Die angemeldete Marke „ROAD EDGE PAVE“ ist für die beanspruchten Waren
nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen,
da sie eine beschreibende Angabe im Sinn von § 8 Absatz 2 Nr. 2 MarkenG ist.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr
u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger
Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können.
Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr be-
schreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre
Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den
angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Not-
wendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der
Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen
Publikums vor allem durch den gemeinsamen europäischen Markt nicht zu gering
veranschlagt werden darf (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 253,
260).
Insbesondere hat eine Marke, die sich aus mehreren Bestandteilen zusammen-
setzt, von denen jeder Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen
beschreibt, selbst einen die genannten Merkmale beschreibenden Charakter im
Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei denn, dass ein merklicher Unterschied
zwischen dem Wort und der bloßen Summe seiner Bestandteile besteht. Dabei
führt die bloße Aneinanderreihung solcher beschreibenden Bestandteile ohne Vor-
nahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder seman-
tischer Art, nur zu einer Marke, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen
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oder Angaben besteht (EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; EuGH GRUR
Int. 2004, 500, 507 – KPN-Postkantoor).
Auf die Frage der Mehrdeutigkeit der Wortzusammensetzung kommt es bei § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG grundsätzlich nicht an.
Ein Wortzeichen ist demnach von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es zu-
mindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehen-
den Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH MarkenR 2003, 450
- DOUBLEMINT). Dabei spielt es keine Rolle, ob es Synonyme oder gebräuchli-
chere Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung dieser Merkmale gibt, da es nicht
erforderlich ist, dass diese Zeichen oder Angaben die ausschließliche Bezeich-
nungsweise der fraglichen Merkmale sind (vgl. EuGH a. a. O. S. 410, 412 - BIO-
MILD; EuGH a. a. O. S. 500, 507 - Postkantoor).
Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die
Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreiben-
den Zwecken für Waren oder Dienstleistungen, wie die in der Anmeldung aufge-
führten oder für Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen verwendet werden.
Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt,
dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck „dienen können“.
Die angemeldete Wortfolge setzt sich aus den englischen Worten „road“ für
„Strasse“, „edge“ für „Rand“ und „pave“ für „befestigen, pflastern“ zusammen (vgl.
LEO-Online Lexikon Englisch der TU München). Die Zusammensetzung „road
edge“ ist entsprechend den im Straßenbau üblichen Zusammensetzungen „road
bed“ (Unterbettung), „road embankment“ (Straßendamm), „road surface“ (Straßen-
pflaster) gebildet und wird in dieser Form nachweislich vom Fachverkehr verwen-
det (vgl. Englisch Deutsch Wörterbuch in branchenportal-deutschland.aus-
stade.de).
Das Wort „pave“ wird auch - wie aus den der Anmelderin übersandten Internet-
recherchebeispielen ersichtlich - als Kurzform für das englische Substantiv Wort
„pavement“ für „Befestigung, Belag“ verwendet (vgl. „road pave bitumen“ in Indus-
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trial Uses Of Bitumen unter www slurry.com/technology_technote 8). Entgegen der
Auffassung der Anmelderin ist unter dem Begriff „pave“ nicht nur die Pflasterung,
das Pflastern als spezielle Form der Befestigung eines Untergrundes zu verste-
hen, sondern die Befestigung, das Befestigen im Allgemeinen.
Die angemeldete Bezeichnung „ROAD EDGE PAVE“ bedeutet daher in wörtlicher
Übersetzung „Straßenrandbefestigung, Straßenrand befestigen“.
Die angemeldete Wortfolge „ROAD EDGE PAVE“ ist damit keine ungewöhnliche
Neuschöpfung, sondern eine sprachübliche Aneinanderreihung der für sich be-
schreibenden Bestandteile. Die Bestandteile werden dabei entsprechend ihrem
Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen über die
bloße Kombination hinausgehenden Begriff.
Es liegt für die fachlich informierten Verkehrskreise in Bezug auf die beanspruch-
ten Waren nahe, die angemeldete Bezeichnung als „Straßenrandbefestigung“ zu
verstehen.
Wie auch im Warenverzeichnis zum Ausdruck gebracht, das Straßenbankett-
befestigungen aus Kunststoff nennt, ergibt die angemeldete Bezeichnung „ROAD
EDGE PAVE“ unter Bezugnahme auf die beanspruchten Waren die zur Beschrei-
bung geeignete Sachaussage, dass es sich nach Art, Beschaffenheit und Bestim-
mung um Waren handelt, die eine Straßenrandbefestigung darstellen, hierfür be-
stimmt sind oder in Verbindung mit der Errichtung einer Straßenrandbefestigung
Verwendung finden. So werden beispielsweise seit vielen Jahren Gittersteine aus
Kunststoff als langlebige und umweltfreundliche Alternative zu Betonsteinen für
die Bankettbefestigung im Straßenbau verwendet (vgl. z. B. www reha GmbH.de
und wikipedia.org Abfall im Straßenbau).
Entgegen der Ansicht der Anmelderin ist das englische Wort „pave“ auch in der
Verbform geeignet, diese Eigenschaften der beanspruchten Waren zu beschrei-
ben. Der Verkehr ist daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit neuen Begriffen
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konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in
einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Solche Neubildungen orientieren
sich gerade nicht an grammatikalischen Regeln oder einem ausgeprägten Stil-
empfinden (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 89).
Wegen des in Bezug auf die beanspruchten Waren im Vordergrund stehenden Be-
griffsgehalts sowohl der Einzelelemente als auch der daraus gebildeten Kombi-
nation, die über den Sinngehalt der Einzelelemente nicht hinausgeht, handelt es
sich um eine beschreibende Angabe ohne begriffliche Ungenauigkeit, die zu einer
konkreten beschreibenden Bezeichnung dienen kann.
gez.
Unterschriften