Urteil des BPatG vom 18.07.2000

BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, patent, wortmarke, eigenschaft, begriff, radio, grammatik, französisch, unterricht

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 301/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 42 015.7
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 18.
Juli
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Ströbele sowie des Richters Dr. Hacker und der Richterin Werner
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 9. September 1999 aufgehoben.
BPatG 152
10.99
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G r ü n d e
I.
Angemeldet ist die Wortmarke
femme oblige
für folgende Waren und Dienstleistungen:
"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheits-
pflege; Sehhilfen; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Uhren, insbe-
sondere Armbanduhren und Taschenuhren; Bekleidungsstücke,
Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Werbung, Geschäftsführung;
Erziehung und Unterricht; Dienstleistungen auf dem Gebiet der
Gesundheits- und Schönheitspflege".
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese
Anmeldung mit Beschluß vom 9. September 1999 zurückgewiesen mit der Be-
gründung, daß es der angemeldeten Marke an der erforderlichen Unterschei-
dungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehle. Die Wortmarke sei entsprechend
den französischen Sprachregeln gebildet und habe die Bedeutung von "notwendig
für die Frau", "der Frau verpflichtet sein", "der Frau unentbehrlich sein". Zumindest
entscheidungserhebliche Anteile der angesprochenen Verkehrskreise würden die
Marke daher als beschreibende Angabe des Inhalts auffassen, daß die so
gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen für die Frau notwendig und unent-
behrlich seien. Wegen der ethymologischen Nähe zwischen dem französischen
"oblige" und den deutschen Adjektiven "obligat" und "obligatorisch" würden auch
diejenigen Verkehrskreise, die keine näheren Kenntnisse des Französischen
hätten, vermuten, daß die Marke einen sachbezogenen Hinweis enthalte. Als Hin-
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weis auf das Herkunftsunternehmen sei die angemeldete Marke daher ungeeig-
net.
Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie meint, daß
ihre Marke nicht freihaltungsbedürftig sei und über die erforderliche Unter-
scheidungskraft verfüge, und stellt demzufolge den sinngemäßen Antrag,
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 9. September 1999 aufzuheben.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet; denn die angemel-
dete Marke "femme oblige" ist nicht freihaltungsbedürftig iSv § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG und verfügt über die erforderliche Unterscheidungskraft iSv von § 8
Abs 2 Nr 1 MarkenG.
An der angemeldeten Marke besteht kein Freihaltungsbedürfnis, weil sie nicht aus
Angaben besteht, die gem § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ein absolutes Schutzhindernis
begründen können. Insbesondere enthält die Marke keine konkrete Beschreibung
der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Die angemeldete Marke ist auf
Französisch gefaßt und setzt sich aus den Wörtern "femme" und "oblige"
zusammen. "Femme" bedeutet "Frau"; "oblige" ist die Konjugation des Verbs
"obliger" für die erste und dritte Person Einzahl. "Obliger" bedeutet "verpflichten,
binden". Die Marke ist in erkennbarer Anlehnung an das französische Sprichwort
"noblesse oblige" - "Adel verpflichtet" - gebildet und steht im Einklang mit der
französischen Grammatik. Ein Bruch ergibt sich jedoch im Begrifflichen. Die erste
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Assoziation zu "femme oblige" könnte sein, daß Frau zu sein verpflichte. Das ist
aber nicht die korrekte Übersetzung, welche lediglich "Frau verpflichtet" lautet.
Denn "femme" beschreibt keine Eigenschaft, sondern steht für den erwachsenen
weiblichen Menschen als handelndes Subjekt. "Frau verpflichtet" ist ein unvoll-
ständiger Satz ohne erkennbare konkrete Bedeutung; denn es fehlt die Angabe
darüber, wen "Frau" zu was verpflichtet. Anders als "noblesse" im Sinne der Ge-
sellschaftsschicht des Adels mit einem bestimmten Verhaltenskodex oder im
Sinne von Adel als einer inneren Haltung ist der ganz allgemeine Begriff "femme",
der nicht klassenspezifisch ist, mit keiner Festlegung auf bestimmte moralische
oder gesellschaftliche Verpflichtungen verbunden.
Der begriffliche Inhalt "Frau verpflichtet" ist unter keinem Gesichtspunkt dazu ge-
eignet, zur Bezeichnung der in § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG genannten Angaben zu
dienen.
Die angemeldete Marke verfügt auch über die erforderliche Unterscheidungskraft
iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Daß die Wörter "femme oblige" keine im Vordergrund
stehende sachliche Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen
enthalten, wurde bereits bei der Prüfung des Freihaltungsbedürfnisses festgestellt.
Der angemeldeten Marke fehlt auch unter keinem anderen Gesichtspunkt die
nötige Eigentümlichkeit, auf ein bestimmtes Herkunftsunternehmen hinweisen zu
können. Insbesondere hat sie keine begriffliche Bedeutung, die an erster Stelle
warenbezogen wirken könnte. Es mag sein, daß ein Teil der angesprochenen
Verkehrskreise die Wörter "femme oblige" im Ergebnis mit "Frau zu sein ver-
pflichtet" übersetzt und damit die werbende Andeutung assoziiert, daß eine Frau,
die auf sich hält, die so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen kaufe.
Solche Gedankenketten, die den Text der Marke in einem wesentlichen Punkt
ergänzen - hier: zum Inhalt der angeblichen Verpflichtung - können jedoch bei
jedem Abnehmer anders ausfallen und sind mithin beliebig. Daß eine Marke zu
Gedankenspielereien anregen kann, nimmt ihr noch nicht die Unterschei-
dungskraft (vgl auch BGH GRUR 2000, 321, 322 "Radio von hier"). Anders als die
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Markenstelle sieht der Senat auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß ent-
scheidungserhebliche Anteile der angesprochenen Verkehrskreise, deren
Französischkenntnisse für eine korrekte Übersetzung der Marke nicht ausreichen,
den ethymologischen Zusammenhang zwischen der französischen Verbform
"oblige" und den deutschen Adjektiven "obligat" und "obligatorisch" erkennen und
dann mit der Marke zwingend Begriffe wie "notwendig für die Frau" oder
"unentbehrlich für die Frau" assoziieren werden. Es ist genauso wahrscheinlich,
daß für diese Verkehrskreise an erster Stelle die Einsicht stehen wird, daß es sich
um eine französischsprachige Marke handelt, deren grammatische Konstruktion
und deren begriffliche Bedeutung sie nicht verstehen. Die Betreffenden mögen
sich dann noch Gedanken machen über die richtige Übersetzung. Zu welchen Er-
gebnissen sie dabei kommen werden, läßt sich jedoch nicht vorhersehen. Eine
Marke ohne klar erkennbaren Sinngehalt hat jedoch für den angesprochenen
Abnehmer an erster Stelle den Charakter einer Phantasieschöpfung und ist damit
unterscheidungskräftig.
Aus diesen Gründen ist der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben und der
angegriffene Beschluß aufzuheben.
Dr. Ströbele
Dr. Hacker
Werner
prö