Urteil des BPatG vom 14.12.2005

BPatG (bundesrepublik deutschland, gegenstand, sicherungsmittel, patent, fig, verbindung, deutschland, wirkung, patg, raum)

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 47/04
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
14. Dezember 2005
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 0 844 592
(DE 597 09 305)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 14. Dezember 2005 durch die Vorsitzende Richterin Winkler
und die Richter Dipl.-Phys.
Dr.
Hartung, Voit, Dipl.-Phys.
Dr.
Zehendner und
Dipl.-Ing. Univ. Höppler
für Recht erkannt:
1. Das europäische Patent 0 844 592 wird mit Wirkung für die
Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 844 592
(Streitpatent), das am 12. November 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität
der deutschen Offenlegungsschrift DE 196 48 311 A1 vom 21. November 1996
angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch ver-
öffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der
Nr. 597 09 305 geführt. Es betrifft einen Transportwagen und umfasst nach einer,
mit Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 27. Mai 2004 gemäß
§ 64 PatG ausgesprochenen, Beschränkung 6 Ansprüche, die insgesamt angegrif-
fen sind. Anspruch 1 lautet wie folgt:
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Transportwagen (1), insbesondere Einkaufswagen, der zwei Griff-
träger (2, 3), einen Schiebegriff (4) und ein Münzschloss (8) auf-
weist, wobei der Schiebegriff (4) mit einem Ende an einem der bei-
den Griffträger (2, 3) befestigt und mit seinem anderen Ende mit
dem Münzschloss
(8) verbunden ist und wobei das Münz-
da-
durch gekennzeichnet, dass
fes(4) mit dem Münzschloss (8) zusätzlich durch ein ein auf der
Längsachse (7) des Schiebegriffes (4) angeordnetes Sicherungs-
mittel
(18) erfolgt, das den Schiebegriff
(4) mit dem Münz-
schloss (8) verspannt.
Wegen der weiteren, auf Anspruch 1 unmittelbar zurückbezogenen Ansprüche 2
bis 6 wird auf Bl. 25/26 der Akte 597 09 305 des Deutschen Patent- und Marken-
amtes Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert
worden, sei nicht neu und beruhe zudem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
K3
rigen beruft sie sich auf folgende Druckschriften:
K2
EP 0 442 016 A1
K4
DE 196 05 805 A1
K11
K12
K13
K14
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das europäische Patent EP 0 844 592 mit Wirkung für das Ho-
heitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland voll umfänglich für
nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise mit der Maßgabe, dass Patent-
anspruch 1 folgende Fassung erhält (Hilfsantrag 1):
Transportwagen, insbesondere Einkaufswagen, der zwei Griff-
träger, einen Schiebegriff und ein Münzschloss aufweist, wo-
bei der Schiebegriff mit einem Ende an einem der beiden Griff-
träger befestigt und mit seinem anderen Ende mit dem Münz-
schloss verbunden ist und wobei das Münzschloss an dem an-
deren Griffträger befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, dass
das Münzschloss auf einer Ebene mit dem Schiebegriff und
dem Ende des anderen Griffträgers angeordnet ist und die
Verbindung des Schiebegriffes mit dem Münzschloss zusätz-
lich durch ein ein auf der Längsachse des Schiebegriffes an-
geordnetes Sicherungsmittel erfolgt, das den Schiebegriff mit
dem Münzschloss verspannt.
weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 folgen-
de Fassung erhält (Hilfsantrag 2):
Transportwagen, insbesondere Einkaufswagen, der zwei Griff-
träger, einen Schiebegriff und ein Münzschloss aufweist, wo-
bei der Schiebegriff mit einem Ende an einem der beiden Griff-
träger befestigt und mit seinem anderen Ende mit dem Münz-
schloss verbunden ist und wobei das Münzschloss an dem an-
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deren Griffträger befestigt ist, dadurch gekennzeichnet, dass
der für die Aufnahme der Kopplungsmechanik vorgesehene
Raum des Münzschlosses auf einer Ebene mit dem Schiebe-
griff und dem Ende des anderen Griffträgers angeordnet ist
und die Verbindung des Schiebegriffes mit dem Münzschloss
zusätzlich durch ein auf der Längsachse des Schiebegriffes
angeordnetes Sicherungsmittel erfolgt, welches das Münz-
schloss teilweise durchdringt und den Schiebegriff mit dem
Münzschloss verspannt.
Die Beklagte ist der Ansicht, eine unzulässige Erweiterung liege nicht vor. Des
Weiteren sei der Gegenstand des Streitpatents neu und beruhe auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents
mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, denn der Ge-
genstand seines Patentanspruchs 1 in der durch den Beschluss des Patentamts
beschränkten Fassung wie auch in der Fassung nach den Hilfsanträgen ist nicht
patentfähig. Bei dieser Sachlage kann es daher dahinstehen, ob die Patentansprü-
che in unzulässiger Weise geändert sind.
Als Fachmann ist ein Konstrukteur anzusehen, der im Rahmen seiner beruflichen
Tätigkeit Einkaufs- und Transportwagen entwickelt.
Hauptantrag
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag umfasst den Ge-
genstand des enger gefassten Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1. Nachdem
letzterer - wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag 1 zeigen - nicht
neu ist, ist auch der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nicht patentfähig.
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Hilfsantrag 1
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1 gilt nicht als neu im
Sinne von Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1a), Art. 54 EPÜ.
Die Druckschrift (K14) beschreibt einen Transportwagen 1 mit zwei Griffträgern 6,
einem Schiebegriff 7 und einem Münzschloss 10 (Fig. 1). Der Schiebegriff ist mit
einem Ende an einem der beiden Griffträger befestigt und mit seinem anderen En-
de mit dem Münzschloss verbunden, das an dem anderen Griffträger 6 befestigt
ist (Fig. 3).
Das Münzschloss ist auf einer Ebene mit dem Schiebegriff und dem Ende des an-
deren Griffträgers angeordnet. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Münz-
schloss auf einer Seite mit dem Schiebegriff und auf der entgegengesetzten Seite
mit dem Ende des anderen Griffträgers verbunden ist. Diese Anordnung auf einer
Ebene ist im Übrigen auch ohne weiteres aus Figur 1 zu entnehmen, die den
Transportwagen mit dem Schiebegriff, den Griffträgern und dem Münzschloss
zeigt. Dem steht nicht entgegen, dass das Münzschloss eine räumliche Ausdeh-
nung hat und daher zwangsläufig Bereiche des Münzschlosses unter und - bei
dem Transportwagen nach K14 - vor allem auch über der zweidimensionalen Ebe-
ne liegen.
Die Verbindung des Schiebegriffes mit dem Münzschloss 10 erfolgt zusätzlich
durch ein auf der Längsachse 17 des Schiebegriffes 7 angeordnetes Sicherungs-
mittel, das als Schraube 21 ausgebildet ist und den Schiebegriff mit Hilfe des
Spreizelements 22 mit dem Münzschloss verspannt (Fig. 3; Sp. 3 Z. 49-62).
Das Merkmal des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, dass das Sicherungs-
mittel das Münzschloss teilweise durchdringt, ist so zu verstehen, dass sich das
Sicherungsmittel im eingebauten Zustand nicht über die gesamte Länge des
Münzschlosses erstreckt. Dies ergibt sich aus den Figuren des Streitpatents in sei-
ner erteilten Fassung. Dort zeigt Figur 1 ein das Münzschloss nur teilweise durch-
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dringendes Sicherungsmittel, während in der - auf Grund des Beschränkungsbe-
schlusses des Patentamts nicht mehr zum Streitpatent gehörenden - Figur 2 ein
das Münzschloss vollständig durchdringendes Sicherungsmittel dargestellt ist.
Dieses Verständnis wird auch durch die Beschreibung in der erteilten Fassung ge-
stützt, in der in Verbindung mit den Figuren 1 und 2 darauf hingewiesen wird, dass
das Sicherungsmittel das Münzschloss zumindest teilweise durchdringt (Sp. 3
Z. 26-28).
In Figur 3 von K14 ist das als Schraube 21 ausgebildete Sicherungsmittel darge-
stellt, wobei der von außen zugängliche Kopf der Schraube sowie die sich inner-
halb des Münzschlosses befindende Spitze der Schraube deutlich zu erkennen
sind. Die Schraube erstreckt sich somit nicht über die ganze Länge des Münz-
schlosses, so dass sie - in den Worten des
Patentanspruchs 1
gemäß Hilfsantrag 1
- das Münzschloss teilweise durchdringt.
Damit weist der aus K14 bekannte Transportwagen alle Merkmale des Gegen-
stands des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1 auf.
Hilfsantrag 2
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich
von dem Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass
nicht das Münzschloss, sondern dessen für die Aufnahme der Kopplungsmecha-
nik vorgesehener Raum auf einer Ebene mit dem Schiebegriff und dem Ende des
anderen Griffträgers angeordnet ist.
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Hinsichtlich der Merkmale, die der Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß
Hilfsantrag 2 mit dem Gegenstand des Patentanspruches 1 gemäß Hilfsantrag 1
gemeinsam hat, wird auf die vorstehenden Ausführungen zu Hilfsantrag 1 verwie-
sen.
Bei dem aus (K14) bekannten Transportwagen ist die Kopplungsmechanik ober-
halb des Schiebegriffs angeordnet, so dass das Münzschloss oberhalb des Schie-
begriffs eine beträchtliche räumliche Ausdehnung besitzt (Fig. 1, 2). Dies vergrö-
ßert die Gefahr von Beschädigungen des Münzschlosses, weil auf Grund der grö-
ßeren Hebelwirkung stärkere Kräfte auf die Befestigung des Münzschlosses wir-
ken. Das nach oben vorstehende Münzschloss wirkt sich zudem auch bei der Nut-
zung des Einkaufswagens störend aus.
Der Fachmann hat daher Veranlassung, Änderungen an der Anordnung der Kop-
plungsmechanik des Münzschlosses vorzunehmen. Eine Anregung hierfür erhält
er aus den Druckschriften (K2) und (K11), die jeweils Münzschlösser zeigen, bei
denen die Kopplungsmechanik auf einer Ebene mit dem Schiebegriff und einem
Ende des Griffträgers angeordnet ist ((K2): Fig. 1; (K11): Fig. 1). Es liegt daher für
den Fachmann nahe, auch bei dem bekannten Transportwagen den für die Auf-
nahme der Kopplungsmechanik vorgesehenen Raum auf einer Ebene mit dem
Schiebegriff und dem Ende des anderen Griffträgers anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.
Winkler Dr.
Hartung Voit Dr. Zehendner
Dipl.-Ing. Höppler
Be