Urteil des BPatG vom 28.01.2004

BPatG: treu und glauben, inhaber, unrichtigkeit, teilung, kuchen, amt, brot, erwerb, rechtsschein, vorrang

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
Zu diesem Beschluss ist am 07.07.2004
ein Berichtigungsbeschluss ergangen
De Vecchis, Justizhauptsekretärin
28 W (pat) 111/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Januar 2004
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die teilweise Umschreibung der Markenanmeldung L 36 705/29
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hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel sowie der Richterin Schwarz-Angele und des Richters Paetzold
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss
des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für
Klasse 29 - vom 2. April 2002 aufgehoben.
Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Umschreibung vom
16. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin begehrt für sich die teilweise Um-
schreibung der Markenanmeldung L 36 705/29 Wz, die ursprünglich von der
H… AG in H…, im Jahre 1993 für eine Vielzahl von Wa-
ren angemeldet und nach Veröffentlichung der Bekanntmachung am
30. April 1993 mehrfach - erstmalig mit Erklärung vom 14. November 1995 - geteilt
worden war. Eine Teilungserklärung vom 29. November 1995 betreffend die
Waren
„chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen
von Lebensmitteln, Natron für den Haushalt, künstliche Süßstoffe,
diätetische Nährmittel für Kinder und Kranke, Kaffee, Tee, Kakao,
Maisflocken, Haferflocken, Weizenkeime für Nahrungszwecke,
Vollkornschrot für Nahrungszwecke, Kaffee-Ersatzmittel, Mehle,
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Sojamehle, Backmischungen, im Wesentlichen bestehend aus
Mehl, Zucker, Stärke, Magermilchpulver und Hühnereiweiß zur
Herstellung von Kuchen, Torten, Keksen, Müsliriegeln, Brot und
Waffeln, Fertigteige zur Herstellung von Brot, Brötchen und Back-
waren, Biskuits, Kuchen, feine Back- und Konditorwaren, Scho-
kolade, Schokoladewaren, Pralinen auch mit Füllungen aus Wein
oder Spirituosen, Zuckerwaren, Speiseeis, Hefe, Backpulver“
ist aus nachträglich nicht mehr feststellbaren Gründen nicht durchgeführt worden;
vielmehr ist dieser Komplex zunächst bei der Stammanmeldung verblieben und
zusammen mit dieser auf die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin gemäß ih-
rem Antrag vom 15. Juli 1999 umgeschrieben worden, und zwar aufgrund der Um-
schreibungsbewilligung einer Zwischenerwerberin, nämlich der Fa. O…
GmbH als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Anmelderin, auf
die die Anmeldung auf Antrag vom 23. Juli 1996 umgeschrieben worden war.
Demgegenüber behauptet die Beschwerdegegnerin, dass sie diesen Teil der An-
meldung von der ursprünglichen Anmelderin und Rechteinhaberin schon im Jahre
1995 erworben und entsprechenden Umschreibungsantrag gestellt habe, der aber
vom Amt nie bearbeitet worden sei. Die Umschreibung auf die Beschwerdeführe-
rin sei rechtsfehlerhaft erfolgt und das Markenregister mithin unrichtig.
Die Markenabteilung 3.1. hat mit Beschluss vom 2. April 2002 dem Antrag stattge-
geben, und die Umschreibung der Anmeldung auf die Antragsgegnerin im Umfang
der Teilungserklärung vom 29. November 1995 rückgängig gemacht und
gleichzeitig die Eintragung der Beschwerdegegnerin als Anmelderin der insoweit
abzutrennenden Anmeldung angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, dass
dieser Teil der Umschreibung auf die Beschwerdeführerin nicht der wahren
materiell-rechtlichen Lage entsprochen habe bzw. dem Amt der insoweit
erforderliche Rechtsübergang nicht nachgewiesen worden sei. So habe die
Zwischenerwerberin bereits mit Schreiben vom 16. Februar 1999 erklärt, dass sie
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hinsichtlich der - hier streitigen – Waren nicht Inhaberin der Anmeldung sei, da
diese bereits vorher an die Beschwerdegegnerin übertragen worden seien und
mithin für die Beschwerdeführerin nicht mehr zur Disposition gestanden hätten.
Die Umschreibungsbewilligung der Zwischenerwerberin zugunsten der
Beschwerdeführerin sei deshalb dahingehend auszulegen, dass die streitigen
Waren hiervon nicht erfasst gewesen seien. Da andererseits zugunsten der
Antragstellerin eine Umschreibungsbewilligung der H… AG und die Erklärung
der Zwischenerwerberin vom 16. Februar 1999 vorgelegen habe, müsse von
einem Nachweis der Rechtsnachfolge auf diese ausgegangen werden.
Mit der Beschwerde rügt die Antragsgegnerin, dass wegen des laufenden Wider-
spruchsverfahrens sowohl die Teilung der ursprünglichen Markenanmeldung mit
Erklärung vom 29. November 1995 wie auch die angebliche Übertragung bzw. der
angebliche Umschreibungsantrag der Antragstellerin nach §§ 159, 40, 31 Mar-
kenG unzulässig gewesen seien, wovon die Beteiligten auch Kenntnis gehabt
hätten, wie sich aus einer Notiz in den Akten der Anmeldung ergebe. Dement-
sprechend sei die insoweit ungeteilte Markenanmeldung sowohl auf die Rechts-
nachfolgerin der ursprünglichen Anmelderin, also die Fa. O.…
GmbH, wie sodann auf die Beschwerdeführerin übertragen worden und die
materielle Rechtslage damit eindeutig, so dass für eine Auslegung der Umschrei-
bungsbewilligung der Zwischenerwerberin - wie es die Markenabteilung im ange-
fochtenen Beschluss vorgenommen habe - kein Raum sei und damit auch dem
Antrag der Beschwerdegegnerin die Grundlage fehle, zumal nach ständiger
Rechtsprechung (etwa BPatG Mitt. 2003, 516) die Umschreibung einer Marke
selbst bei grober inhaltlicher Unrichtigkeit des Umschreibungsvorganges nur in
Ausnahmefällen rückgängig gemacht werden könne.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom
2. April 2002 zu entscheiden, dass die in dem Tenor des ange-
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fochtenen Beschlusses aufgeführten Waren der Klassen 1, 5 und
30 bei der auf sie umgeschriebenen Anmeldung verbleiben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die Aufhebung des Amtsbeschlusses nicht der mate-
riellen Rechtslage entsprechen würde; dies habe die Beschwerdeführerin auch
anerkannt, wie sich aus ihrem Schreiben vom 6. Oktober 1999 ergebe, in welchem
sie das Angebot auf Erwerb der „abgeteilten Tiko-Marke“ der Beschwerdeführerin
abgelehnt habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und 2 MarkenG) und hat in der Sache
Erfolg, da es für die von der Markenabteilung vorgenommene Änderung des Mar-
kenregisters in Form der teilweisen Rückgängigmachung der 1999 vorgenomme-
nen Umschreibung auf die Antragsgegnerin sowie der Umschreibung dieses Teils
der Anmeldung auf die Antragstellerin sowohl an den tatsächlichen wie rechtlichen
Voraussetzungen fehlt.
Änderungen des Markenregisters gegen den Willen des Eingetragenen sind nur in
engen Grenzen möglich, die im Gesetz abschließend geregelt sind. So geben
etwa für den Fall der Eintragung von offenbaren Unrichtigkeiten die Vorschriften
der §§ 39 Abs. 2 bzw. 45 Abs. 1 MarkenG eine Korrekturmöglichkeit, während
materiell-rechtlich zu Unrecht erfolgte Eintragungen nur im förmlichen Löschungs-
verfahren korrigiert werden können. Darüber hinaus kann eine einmal erfolgte
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Eintragung nur in Ausnahmefällen unter Anwendung allgemeiner öffentlich-rechtli-
cher Grundsätze zur Abänderung behördlicher Verfügungen wieder rückgängig
gemacht werden, wobei nach ständiger Rechtsprechung im Markenregisterrecht
die bloße inhaltliche Unrichtigkeit der Eintragung bzw. der Eintragungsverfügung
für sich allein noch keinen Rücknahmegrund darstellt, sondern zusätzlich grobe
Verstöße etwa gegen anerkannte Verfahrensgrundsätze wie Versagung des
rechtlichen Gehörs u.ä. erfordert (vgl. BGH GRUR 1969, 43 „Marpin“, BPatG Mitt.
2003, 516). Daß diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, lässt sich
weder dem Vorbringen der Beteiligten noch dem Akteninhalt zweifelsfrei entneh-
men, so dass die Vermutung und Bindungswirkung des § 28 MarkenG zugunsten
des im Register Eingetragenen nicht entkräftet ist.
Die Umschreibung der Marke auf einen neuen Inhaber erfolgt nach § 27 Abs. 3
MarkenG, § 31 Abs. 1, 2, 8, §§ 64 ff MarkenV auf Antrag eines Beteiligten, wenn
der Rechtsübergang nachgewiesen ist. Hierfür ausreichend aber auch notwendig
sind Unterlagen „aus denen sich die Rechtsnachfolge ergibt, wie zum Beispiel ein
Übertragungsvertrag oder eine Erklärung über die Übertragung, wenn die entspre-
chenden Unterlagen vom eingetragenen Inhaber.. und vom Rechtsnachfolger..
unterschrieben sind" (§ 31 Abs. 3 Nr. 2b MarkenV). Die Beschwerdeführerin wurde
als Inhaberin der Anmeldung aufgrund der Umschreibungsbewilligung der Zwi-
schenerwerberin vom 7. Juli 1999 (Bl. 262 der Amtsakte) eingetragen, die ihrer-
seits antragsgemäß als Inhaber der Markenanmeldung gemäß Amtsmitteilung
vom 17. August 1998 eingetragen worden war, nachdem sie aufgrund der Um-
schreibungsbewilligung der ursprünglichen Anmelderin vom 23. Juli 1996 die Um-
schreibung mit Schreiben vom gleichen Tage beantragt hatte.
Damit ist die Registerposition der Beschwerdeführerin durch eine lückenlose
Übertragungskette nachvollziehbar legitimiert. Gleichermaßen schlüssig ist aller-
dings auch die Behauptung der Antragstellerin, sie habe schon 1995 einen Teil
dieser auf die Antragsgegnerin übertragenen Anmeldung erworben, doch sei ihr
Umschreibungsantrag nie im Register vollzogen worden. In diesem Fall hätte die
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Fa. Oldenburger als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Anmelderin diesen
Teil der Anmeldung in der Tat nie erwerben und damit auch nicht weiter veräußern
können, wie das in ihrem Schreiben vom 16. Februar 1999 an die Umschreibstelle
des Amtes auch zum Ausdruck kommt, wo sie mitteilt, dass die auf sie umge-
schriebene Markenanmeldung nicht mehr alle dort aufgeführten Waren umfasse,
da ein Teil - nach Teilung der Anmeldung - auf die Beschwerdegegnerin übertra-
gen worden sei. Gegen dieses Vorbringen der Antragstellerin spricht indes, dass
der vermeintliche Antrag auf Umschreibung mit Schreiben vom
12. Dezember 1995 in der Akte der Markenanmeldung nicht enthalten ist (bzw.
erst später in Kopie nachgereicht wurde) und des weiteren kann nicht
ausgeschlossen werden, dass die Zwischenerwerberin bei der Übertragung der
Anmeldung auf die Beschwerdeführerin im Juli 1999 ihre Meinung geändert hatte
und nunmehr doch wieder als Inhaberin der ungeteilten Stammanmeldung
auftreten wollte, nachdem aufgrund von rechtlichen Hinweisen des Amtes klar
geworden war, dass die mehrfache Teilung der Stammanmeldung wahrscheinlich
unzulässig war, so dass die Zwischenerwerberin jetzt davon ausgehen konnte,
von ihrer Rechtsvorgängerin mehr erworben zu haben als ursprünglich
angenommen.
Angesichts dieser Ungereimtheiten kann von einer offensichtlichen Unrichtigkeit
des Registers, wie sie von der Antragstellerin behauptet wird, genauso wenig die
Rede sein wie von der von der Antragsgegnerin vertretenen eindeutigen mate-
riellen Rechtslage. Insbesondere ist vor diesem Hintergrund die von der Marken-
abteilung im angegriffenen Beschluss vorgenommenen Auslegung der Umschrei-
bungsbewilligung vom 7. Juli 1999 durch die Markenstelle gegen deren eindeuti-
gen Wortlaut keineswegs zwingend, zumal es dann eher nahegelegen hätte, dass
die Zwischenerwerberin angesichts der Unklarheiten hinsichtlich der vorangegan-
genen Teilungen, die sie selbst im Schreiben vom 16. Februar 1999 an die Um-
schreibstelle angesprochen hatte, den Umfang der betroffenen Waren näher be-
schrieben hätte. Doch selbst wenn die Umschreibung auf die Beschwerdeführerin
seinerzeit teilweise zu Unrecht erfolgt sein sollte, ist das nach den aufgezeigten
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Rechtsprechungsgrundsätzen kein Grund, die Umschreibung in diesem Punkt
rückgängig zu machen und das Register zugunsten der Beschwerdegegnerin zu
ändern, da die Belange des Begünstigten, hier der Beschwerdeführerin, und der
allgemeine Rechtsschein Vorrang vor der letztlich spekulativen Würdigung des
Akteninhalts durch die Markenabteilung haben.
Die Rückgängigmachung der Umschreibung ist schließlich nicht auch deshalb ge-
rechtfertigt, weil ansonsten möglicherweise ein Rollenstand beibehalten würde,
der der wahren Rechtsinhaberschaft entgegenstünde (denn mit den Grundsätzen
von Treu und Glauben wäre es kaum vereinbar, der Antragsgegnerin zu einer
formalen Rechtsposition zu verhelfen, auf die sie augenscheinlich keinen ma-
teriellen Anspruch hat). Wie ausgeführt, ist die materielle Rechtslage nach Akten-
lage unklar; beide Beteiligten beanspruchen - mit in sich schlüssigen Argumen-
ten - die Marke für sich, so dass die Frage, wer Inhaber des hier streitigen Teils
der Anmeldung ist, mangels weiterer tatsächlicher Erkenntnismöglichkeiten im
Markenregisterverfahren nur in einem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten,
geklärt werden kann
Die Beschwerde musste demnach Erfolg haben.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Stoppel Schwarz-Angele
Richter Paetzold hat Ur-
laub und kann daher nicht
selbst unterschreiben.
Stoppel
Bb