Urteil des BPatG vom 16.07.2008

BPatG: beschreibende angabe, beratung, organisation, unterscheidungskraft, unternehmen, franchising, werbung, papier, gestaltung, geschäftsführung

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 21/07
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Juli 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 59 484.2
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie des Richters Reker und der Richterin
Kopacek
BPatG 154
08.05
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beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für
Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
31. Januar 2007 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Für die Waren und Dienstleistungen
„Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit
in Klasse 16 enthalten; Schachteln aus Papier und Pappe (Kar-
ton), unter anderem für die Lagerung und Verpackung; Packpa-
pier; Säcke, Beutel und Verpackungsbogen aus Papier und
Kunststoff; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in
Klasse 16 enthalten; Klebebänder und Selbstklebebänder, soweit
in Klasse 16 enthalten; Geschäftsführung, Unternehmensverwal-
tung, Hilfe bei der Führung und Organisation von Unternehmen,
Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen;
Franchising; Verwaltung und kaufmännisches Management von
Franchising-Organisationen, gewerbsmäßige Beratung bei der
Leitung und Organisation von Franchisebetrieben; Werbung, Ver-
teilung von Werbematerial, Gestaltung und Platzierung von Wer-
bung für Dritte, Gestaltung von Werbematerial für Dritte, nämlich
Broschüren, Prospekte und Poster und Plakate; Durchführung von
Marktstudien; Marketingberatung; Vermietung und Verpachtung
von elektronisch überwachten, frostgeschützten und uneinsehba-
ren Lager- und Stellräumen; Dienstleistungen auf dem Gebiet des
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Lagerwesens; Erteilung von Auskünften und Beratung im Bereich
des Lagerwesens; Geschäftsführung im Bereich des Lagerwe-
sens; Verpackung und Lagerung von Waren“
ist die Wortmarke 305 59 484.2
Zeitlager
angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung für alle Waren und Dienstleistungen durch eine Prüferin des höheren
Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die ange-
meldete Marke nicht unterscheidungskräftig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sei.
Sie bestehe nur aus der Zusammensetzung von zwei beschreibenden Wörtern,
die in der Gesamtheit ausdrückten, dass Lager- und Stellräume für eine zeitlich
begrenzte Dauer zur Verfügung gestellt würden. Es sei kein gedanklicher Zwi-
schenschritt oder Fantasie erforderlich, um diese Bedeutung des Begriffs zu er-
kennen. Die Assoziation einer „Lagerung von Zeit“ liege demgegenüber fern, zu-
mal auf den Zusammenhang mit Verpackungsmaterialien bzw. auf die Vermietung
von Lagerräumen abzustellen sei. Dies ergebe sich u. a. aus dem Internetauftritt
der Anmelderin, der die Anpreisung enthalte: „Wir vermieten sichtgeschützte,
trockene und gesicherte Abteile. Wie es der Begriff sagt: SELBST-SICHER-
LAGERN-AUF ZEIT“. Die Neuheit einer Angabe schließe dabei deren sachbezo-
gene Eigenschaft nicht aus. Die Frage eines bestehenden Freihaltebedürfnisses
hat die Markenstelle dahinstehen lassen.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie hat in der mündli-
chen Verhandlung erklärt, dass sie nur noch Schutz für die Dienstleistungen der
Klasse 35 „Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Hilfe bei der Führung
und Organisation von Unternehmen; Beratung bei der Organisation und Führung
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von Unternehmen; Vermittlung von wirtschaftlichem Know-How (Franchising), Or-
ganisatorische Verwaltung und betriebswirtschaftliches Management von Franchi-
sing-Organisationen, betriebswirtschaftliche Beratung bei der Leitung und Organi-
sation von Franchise-Betrieben; Werbung, Verteilung von Werbematerial, Planung
und Gestaltung von Werbemaßnahmen, nämlich Broschüren, Prospekte sowie
Poster und Plakate; Durchführung von Marktstudien; Marketing-Beratung“ ausge-
nommen in Zusammenhang mit Zwischenlagern von Gegenständen beanspruche.
Die Anmelderin vertritt die Auffassung, die angemeldete Marke verfüge über die
erforderliche Unterscheidungskraft und unterliege keinem Freihaltebedürfnis,
nachdem bei allen Dienstleistungen ein Zusammenhang mit der Zwischenlage-
rung von Gegenständen ausgenommen worden sei.
II
Die zulässige Beschwerde ist im Umfang des zuletzt gestellten Antrags begründet.
Für die nach der erfolgten Beschränkung des Waren- und Dienstleistungsver-
zeichnisses noch beanspruchten Dienstleistungen entbehrt die angemeldete
Marke weder der Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch stellt sie
eine unter das Eintragungsverbot nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallende be-
schreibende Angabe dar.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG können Marken nicht eingetragen werden, denen
für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft
fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solcher anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH
GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2005, 258, 259 - Roximycin). Die
Unterscheidungskraft einer Marke ist zu bejahen, wenn ihr für die Waren oder
Dienstleistungen, für die sie in Anspruch genommen wird, kein im Vordergrund
stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann und es sich
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auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache
handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung
in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel ver-
standen wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice). Werden zwei rein beschreibende Begriffe
zusammengesetzt, so bleibt der Gesamtbegriff ungeachtet des Vorliegens einer
Wortneuschöpfung von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sich durch die
Wortkombination kein über den bloß beschreibenden Inhalt jedes einzelnen Wort-
bestandteils hinausgehender weitergehender Sinngehalt ergibt (vgl. EuGH
GRUR 2004, 680, 682 - BIOMILD).
Nach diesen Grundsätzen kann der hier zu beurteilenden Wortmarke „Zeitlager“
für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen die betriebskennzeich-
nende Herkunftsfunktion nicht abgesprochen werden. Durch die Einfügung des
Disclaimers „ausgenommen in Zusammenhang mit der Lagerung von Gegenstän-
den“ erscheint die Bezeichnung „Zeitlager“ für die betreffenden Dienstleistungen
im Marketing-, Geschäftsführungs- und Organisationsbereich nicht mehr unmittel-
bar beschreibend im Sinn eines „Lagers auf Zeit“, da der konkrete Aussagegehalt
für den unbefangenen Verbraucher nicht ohne weiteres Nachdenken erkennbar
ist. Insoweit verfügt die Marke über die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d.
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Für die nunmehr noch beanspruchten Dienstleistungen, die ausdrücklich nicht in
Zusammenhang mit der Zwischenlagerung von Gegenständen stehen, stellt
„Zeitlager“ daher auch keine direkt beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG vor, sodass ein Freihaltebedürfnis entfällt.
Dr. Fuchs-Wissemann
Reker
Kopacek
Bb