Urteil des BPatG vom 09.02.2000

BPatG (stand der technik, schnittstelle, bus, fachmann, daten, bar, patentanspruch, reihenfolge, gegenstand, patg)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
3 Ni 13/99
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
9. Februar 2000
In der Patentnichtigkeitssache
,
betreffend das Patent 44 19 072
BPatG 253
9.72
- 2 -
hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Grüttemann sowie des Richter Dipl.-Phys. Dr. Kraus, der Richterin Sredl
und der Richter Dipl.-Phys. Dr. Greis und Dipl.-Phys. Ph.D./MIT Cambridge
Skribanowitz
für Recht erkannt:
Das Patent 44 19 072 wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 20.000,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 31. Mai 1994 angemeldeten Pa-
tents 44 19 072 (Streitpatent), für das sie die Priorität der Gebrauchsmusteran-
meldung 93 09 070 vom 17. Juni 1993 in Anspruch genommen hat. Das Streitpa-
tent betrifft eine "Baugruppe für ein elektrisches Gerät" und umfaßt 5 Patentan-
sprüche. Auf Grund der Entscheidung des 20. Senats des Bundespatentgerichts
vom 9. März 1998 über die Beschwerde der Patentinhaberin gegen den Widerruf
des Streitpatents durch die Patentabteilung 31 des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts wurde das Streitpatent beschränkt aufrecht erhalten. Patentanspruch 1
hat danach folgenden Wortlaut:
- 3 -
"1. Baugruppe für eine aus mindestens zwei Baugruppen modular
aufgebaute speicherprogrammierbare Steuerung,
- wobei die Baugruppe (2) über mindestens eine Schnittstelle (5, 5')
mit Buskontakten (6-14, 6'-14') an einen Bus anschließbar ist, über
den die Baugruppen (2) miteinander verbindbar sind,
- wobei die Buskontakte (6-14, 6'-14') jeder Schnittstelle (5, 5') min-
destens je einen Massekontakt (6, 6') zum Anschließen der Bau-
gruppe (2) an ein Massepotential,
- je einen Versorgungskontakt (7, 7') zum Anschließen der Bau-
gruppe (2) an ein
-
Versorgungspotential
und
- je einen Takt- (13, 13') und Datenkontakt (14, 14') sowie meh-
rere Steuerkontakte (8-12, 8'-12') zum Übermitteln von Takt-
Daten- und Steuersignalen umfassen,
dadurch
gekennzeichnet,
- daß die Buskontakte (6-14, 6'-14') jeder Schnittstelle (5, 5') in ei-
ner einzigen Reihe angeordnet sind,
- daß zur Minimierung des Übersprechverhaltens
- zwischen dem Takt- (13, 13') und dem Datenkontakt (14, 14')
mindestens ein Massekontakt (6, 6') und
- zwischen dem Takt- (13, 13') und den Steuerkontakten (8-12,
8'-12') mindestens ein Versorgungskontakt (7, 7') angeordnet
ist."
Wegen des Wortlauts der auf Patentanspruch 1 mittelbar oder unmittelbar zu-
rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift (C 3) ver-
wiesen.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfä-
hig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, und beruft sich zur Begrün-
dung im wesentlichen auf die Druckschriften
- 4 -
K1
Seminar der Fa. Rhode & Schwarz, München 17.03.92 - 18.03.92,
Seminarband 1: "EMV-gerechte Digitalschaltungen",
K2
EP 0 527 247 A1,
K3
Färber G.: Bussysteme, R. Oldenbourg Verlag München-Wien 1984,
Seiten 32 - 61,
K4
Feichtinger H.: Arbeitsbuch Mikrocomputer, Franzis Verlag-GmbH
München 1985, S 46-55, 100-111 und 179-183,
K5
DE 24 45 534 A1,
K6
DE 35 11 344 A1,
K7
DE 40 40 551 C2 und
K17 Dirk Peier: Elektromagnetische Verträglichkeit: Problemstellung und
Lösungsansätze,
Hüthig-Verlag,
Heidelberg, 1990, S. 148 - 151.
Die Klägerin macht außerdem eine offenkundige Vorbenutzung durch ein
"Dezentrales Peripheriesystem ET 200" bzw durch "Simatic S5" geltend und ver-
weist hierzu auf
K8
Firmenschrift: "Nachtrag April 1992 zum Katalog ST 52.1
•1992", und
K9
"Analyse eines Busmoduls ......" / "Busmodul AG 100", 23.03.1999 -
25.03.1999 mit Anlagen:
— A (Programmausdruck),
— B (Meßprotokolle),
— C (Stromlaufplan, Busmodul AG 100)
— Rechnung vom 26.01.90, Pos 0002, Simatic S5, Busmodul.
Die Klägerin beantragt,
das Patent 44 19 072 für nichtig zu erklären.
- 5 -
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des
Streitpatents für patentfähig. Hilfsweise regt die Beklagte an, dem Streitpatent die
Fassung eines der Hilfsanträge aus dem Schriftsatz vom 21. Januar 2000 in der
Reihenfolge 1 bis 3 zu geben.
"1. Baugruppe für ein Gerät,
-
wobei die Baugruppe (2) über mindestens eine Schnittstelle (5,
5') mit Buskontakten (6-14, 6'-14') an einen Bus anschließbar ist,
über den Baugruppen (2) miteinander verbindbar sind,
- wobei die Buskontakte (6-14, 6'-14') jeder Schnittstelle (5, 5')
mindestens umfassen
- einen Massekontakt (6, 6') zum Anschließen der Baugruppe (2)
an ein Massepotential,
- einen Versorgungskontakt (7, 7') zum Anschließen der Bau-
gruppe (2) an ein Versorgungspotential und
- einen Takt- (13, 13') und Datenkontakt (14, 14') sowie mehrere
Steuerkontakte (8-12, 8'-12') zum Übermitteln von Takt-, Daten-
und Steuersignalen,
dadurch
gekennzeichnet,
- daß die Baugruppe eine Peripheriebaugruppe einer aus minde-
stens zwei Baugruppen modular aufgebauten speicherprogram-
mierbaren Steuerung ist,
- daß die Buskontakte (6-14, 6'-14') jeder Schnittstelle (5, 5') in ei-
ner einzigen Reihe angeordnet sind,
- daß zur Minimierung des Übersprechverhaltens zwischen dem
Takt- (13, 13') und dem Datenkontakt (14, 14') ein Massekontakt
(6, 6') und zwischen dem Takt- (13, 13') und den Steuerkontakten
- 6 -
(8 - 12, 8' - 12') ein Versorgungskontakt (7, 7') angeordnet ist,
derart, daß die Kontakte in der Reihenfolge Datenkontakt, Masse-
kontakt, Taktkontakt, Versorgungskontakt und Steuerkontakte an-
geordnet sind."
Nach Hilfsantrag 2 lautet Patentanspruch 1:
"1. Baugruppe für ein elektrisches Gerät,
-
wobei die Baugruppe (2) über mindestens eine Schnittstelle (5,
5') mit Buskontakten (6-14, 6'-14') an einen Bus anschließbar ist,
über den Baugruppen (2) miteinander verbindbar sind,
-
wobei die Buskontakte (6 - 14, 6' - 14') jeder Schnittstelle (5, 5')
mindestens umfassen
- einen Massekontakt (6, 6') zum Anschließen der Baugruppe (2)
an ein Massepotential,
- einen Versorgungskontakt (7, 7') zum Anschließen der Bau-
gruppe (2) an ein Versorgungspotential und
- einen Takt- (13, 13') und Datenkontakt (14, 14') sowie mehrere
Steuerkontakte (8-12, 8'-12') zum Übermitteln von Takt-, Daten-
und Steuersignalen,
dadurch
gekennzeichnet,
- daß die Baugruppe eine Peripheriebaugruppe einer aus minde-
stens zwei Baugruppen modular aufgebauten speicherprogram-
mierbaren Steuerung ist,
- daß die Baugruppe (2) zwei Schnittstellen (5, 5') aufweist,
- daß die Buskontakte (6-14, 6'-14') der Schnittstellen (5, 5') in je-
weils einer einzigen Reihe angeordnet sind,
- daß die Buskontakte jeder Schnittstelle (5, 5') über einen im we-
sentlichen U-förmigen Verbindungsstecker (3) mit den Buskon-
takten der dieser Schnittstelle (5, 5') benachbarten Schnittstelle (5,
5') einer benachbarten Baugruppe verbindbar sind,
- 7 -
- daß zur Minimierung des Übersprechverhaltens zwischen dem
Takt- (13, 13') und dem Datenkontakt (14, 14') ein Massekontakt
(6, 6') und zwischen dem Takt- (13, 13') und den Steuerkontakten
(8-12, 8'-12') ein Versorgungskontakt (7, 7') angeordnet ist, derart,
daß die Kontakte in der Reihenfolge Datenkontakt, Massekontakt,
Taktkontakt, Versorgungskontakt und Steuerkontakte angeordnet
sind."
Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 hat folgenden Wortlaut:
"1.Baugruppe für ein elektrisches Gerät,
- wobei die Baugruppe (2) über mindestens eine Schnittstelle (5, 5')
mit Buskontakten (6-14, 6'-14') an einen Bus anschließbar ist, über
den Baugruppen (2) miteinander verbindbar sind,
- wobei die Buskontakte (6-14, 6'-14') jeder Schnittstelle (5, 5') min-
destens
- einen Massekontakt (6, 6') zum Anschließen der Baugruppe (2)
an ein Massepotential,
- einen Versorgungskontakt (7, 7') zum Anschließen der Bau-
gruppe (2) an ein Versorgungspotential und
- einen Takt- (13, 13') und Datenkontakt (14, 14') sowie mehrere
Steuerkontakte (8-12, 8'-12') zum Übermitteln von Takt-, Daten-
und Steuersignalen umfassen,
dadurch
gekennzeichnet,
- daß die Baugruppe eine Peripheriebaugruppe einer aus minde-
stens zwei Baugruppen modular aufgebauten speicherprogram-
mierbaren Steuerung ist,
- daß die Baugruppe (2) zwei Schnittstellen (5, 5') aufweist,
- daß die Buskontakte (6-14, 6'-14') der Schnittstellen (5, 5') in je-
weils einer einzigen Reihe angeordnet sind,
- daß die Buskontakte jeder Schnittstelle (5, 5') über einen im we-
sentlichen U-förmigen Verbindungsstecker (3) mit den Buskon-
- 8 -
takten der dieser Schnittstelle (5, 5') benachbarten Schnittstelle (5,
5') einer benachbarten Baugruppe verbindbar sind,
- daß zur Minimierung des Übersprechverhaltens zwischen dem
Takt- (13, 13') und dem Datenkontakt (14, 14') ein Massekontakt
(6, 6') und zwischen dem Takt- (13, 13') und den Steuerkontakten
(8-12, 8'-12') ein Versorgungskontakt (7, 7') angeordnet ist, derart,
daß die Kontakte in der Reihenfolge Datenkontakt, Massekontakt,
Taktkontakt,
Versorgungskontakt und Steuerkontakte angeordnet sind,
- daß, wenn zwischen zwei Steuerkontakten (8-10, 8'-10') weder ein
Masse- (6, 6') noch ein Versorgungskontakt (7, 7') angeordnet ist,
mindestens einer (8, 8') der Steuerkontakte (8-10, 8'-10') seinen
Signalpegel nur selten ändert."
Wegen des Wortlauts der auf die jeweiligen Patentansprüche 1 zurückbezogenen
Patentansprüche 2 bis 5 bzw 2 und 3 wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Be-
klagten vom 21. Januar 2000 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur
Nichtigerklärung des Streitpatents (§§ 81 Abs 1, 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG
iVm § 4 PatG).
- 9 -
I.
1)
Das Streitpatent betrifft eine Baugruppe für eine modular aufgebaute spei-
cherprogrammierbare Steuerung, wobei die Baugruppe über ein Bus-System mit
weiteren Baugruppen verbindbar ist. Beim Betrieb eines solchen Busses besteht
häufig das Problem, daß nahe beieinander angeordnete Buskontakte und -leitun-
gen aufgrund ihres Übersprechverhaltens die Kommunikation zwischen den Bau-
gruppen stören. Die Streitpatentschrift führt hierzu einleitend aus (Sp 1 Z 10 bis
21), daß aus dem Stand der Technik Baugruppen bekannt seien, die entweder
über einen Rückwandbus oder mittels Flachbandkabel miteinander verbunden
würden. Bei Flachbandkabeln werde dabei vorgeschlagen, zwischen je zwei Si-
gnalleitungen mindestens eine Masseleitung anzuordnen, um das Übersprechen
zu minimieren. Der Anschluß der Baugruppen an das Bus-System erfolge nach
diesem Vorschlag zudem immer über mehrreihige Steckverbinder.
2)
Vor diesem Hintergrund hat sich das Streitpatent die Aufgabe gestellt, die
Steckverbindung zwischen Rückwandbus und Baugruppe derart auszugestalten,
daß die Kommunikation zwischen Baugruppen möglichst störungsfrei erfolgt (Sp 1
Z 22 - 26).
3)
Zur Lösung beschreibt Patentanspruch 1 (Hauptantrag)
1.
eine Baugruppe für eine aus mindestens zwei Baugruppen modular aufge-
baute speicherprogrammierbare Steuerung:
1.1. Die Baugruppe ist über mindestens eine Schnittstelle mit Buskontakten
an einen Bus anschließbar, über den die Baugruppen miteinander ver-
bindbar sind.
- 10 -
1.2. Die Buskontakte jeder Schnittstelle umfassen mindestens
1.2.1
je einen Massekontakt zum Anschließen der Baugruppe an ein
Massepotential,
1.2.2
je einen Versorgungskontakt zum Anschließen der Baugruppe an
ein Versorgungspotential und
1.2.3 je einen Takt- und Datenkontakt sowie mehrere Steuerkontakte
zum Übermitteln von Takt-, Daten- und Steuersignalen.
1.3.
Die Buskontakte jeder Schnittstelle sind in einer einzigen Reihe an-
geordnet.
1.4.
Zur Minimierung des Übersprechverhaltens ist zwischen dem Takt-
und dem Datenkontakt mindestens ein Massekontakt und
1.5.
zwischen dem Takt- und den Steuerkontakten mindestens ein Ver-
sorgungskontakt angeordnet.
Dieser Lehre entnimmt der Fachmann, ein Fachhochschulabsolvent der Fach-
richtung Elektronik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von speicherprogram-
mierbaren Steuerungen und zugehörigen Bussystemen, daß die beanspruchte
"Baugruppe" somit Teil einer modular aufgebauten speicherprogrammierbaren
Steuerung ist, wie sie typischerweise zur Anlagensteuerung und -automatisierung
eingesetzt wird. Die einzelnen Module sind aneinander (ebenso an eine Zen-
traleinheit) über Stecker und Leitungen anschließbar, die ein alle Baugruppen
verbindendes Bus-System mit Takt-, Daten-, Steuer- und Speiseleitungen bilden.
Die Gefahr des Übersprechens geht dabei insbesondere von denjenigen Leitun-
gen aus, in denen hochfrequente Signale und Pulse mit steilen Flanken auftreten,
wie dies idR bei den sog. Takt-, Daten- und manchen Steuerleitungen der Fall ist.
Um das Übersprechen im Steckerbereich zu minimieren, werden die einer Reihe
- 11 -
angeordneten Pins so belegt, daß zwischen Steuer- und Taktkontakt mindestens
ein Versorgungskontakt und zwischen Takt- und Datenkontakt mindestens ein
Massekontakt liegen. Auf diese Weise werden die heiklen Leitungen durch Zwi-
schenlegung der vergleichsweise unkritischen Versorgung, nämlich Masse und
Speisung, räumlich voneinander getrennt. Die Pinbelegung nach dem streitpa-
tentgemäßen Ausführungsbeispiel ergibt so bspw. die Reihung: Daten — Masse
— Takt — Versorgung — Steuerkontakte.
II.
Ein Gegenstand mit den vorgenannten Merkmalen ist nicht patentfähig. Zwar ist er
durch den Stand der Technik nicht identisch vorweggenommen und somit neu; er
beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
1) Eine Baugruppe für eine aus mehreren Baugruppen modular aufgebaute spei-
cherprogrammierbare Steuerung mit den oberbegrifflichen Merkmalen (Merkmale
1. bis 1.2.3.) des Patentanspruchs 1 ist aus der Druckschrift K2 (EP 0 527 247 A1)
bekannt. Wie anhand der dortigen Figur beschrieben, sind auf einer als Träger
dienenden Hutschiene 6 die Zentraleinheit 1 sowie verschiedene Peripherie-
Baugruppen 2 bis 5 des Automatisierungsgeräts nebeneinander angebracht. Die
einzelnen Baugruppen sind an ihrer Rückseite durch U-förmige Bus-Stecker 13
miteinander verbindbar, denen jeweils ein ebenfalls U-förmiges Gegenstück 12
innerhalb der Baugruppe entspricht, wobei jeweils zwei Schnittstellen 12', 12" pro
Modul gebildet werden. Im baugruppenseitigen Gegenstück 12 werden die Lei-
tungen derart durchgeschleift, daß ein die aneinanderliegenden Seitenwände
zweier Module mit seine U-Schenkeln 13', 13" übergreifender Stecker 13 in jeweils
einen der U-Schenkel 12', 12" der Gegenstücke 12 der beiden zu verbindenden
Baugruppen eingreift. Auf diese Weise baut sich über die Steckverbindungen ein
alle Module verbindendes Bus-System auf. Daß ein solcher Bus zwangsläufig
Masse-, Versorgungs-, Takt- und Steuerleitungen umfaßt, versteht sich für den
Fachmann, dessen Wissen über Bussysteme bspw. durch das Fachbuch "Färber,
Bussysteme" (K3) dokumentiert ist, von selbst.
- 12 -
Die bereits zitierte Druckschrift K2 teilt zwar nichts über die Pinbelegung im
Stecker 13 mit; damit die einzelnen Module aber miteinander kommunizieren und
ggfs ausgetauscht werden können, ist der Fachmann gezwungen, hierüber sy-
stemweit eine einheitliche Festlegung zu treffen. Er wird dabei den fachüblichen
Regeln folgen, wie sie im Handbuch K3 und dem Seminarbericht "Rhode &
Schwarz (K1) beschrieben sind. Sein Augenmerk wird er insbesondere auf die
Verhinderung des Übersprechens zwischen den Leitungen richten (vgl. K3, Seite
35, li Spalte iVm Bild 31 und Tabelle 6 oder K1, Blatt: "Stecker-Belegung" im Ka-
pitel "Layout von prints"). Er wird weiter der aaO dargestellten einreihigen
Anordnung den Vorzug geben, die sich schon der sicheren Kontaktierung wegen
für den U-förmigen Verbindungsstecker aufdrängt. Außerdem muß der Fachmann
ein mögliches Übersprechen nicht nur an den Steckerkontakten, sondern noch
weit mehr an den Bus-Leitungen zwischen den endseitigen Kontaktpins in seine
Überlegungen einbeziehen. Mit der aus dem Fachbuch Färber (K3) S 35 anhand
von Bild 31 bekannten linearen Aufreihung der Leitungen ist aber auch bereits die
Kontaktfolge im wesentlichen vorgegeben. Heikle Leitungen und ebenso die ihnen
zugeordneten Kontakte wird der Fachmann dabei selbstverständlich nicht
unmittelbar nebeneinander anordnen, sondern sie voneinander trennen und unkri-
tische Leitungen, insbesondere Masse als Abschirmung dazwischen anordnen
(vgl. K1 und K3 aaO).
Zum routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns gehört andererseits, daß er die
Speisung (+Ucc) mittels eines Kondensators gegen Masse abblockt (vgl. K3, Seite
40 Bild 43 oder K1, Blatt "Abblockung der Speisung") um Schaltstöße, die bspw.
durch wechselnde Verbraucher erzeugt werden, zu vermeiden. Dies bedeutet
aber, daß abgeblockte Speiseleitungen im Hochfrequenzbereich, und nur auf
diesen kommt es beim Übersprechen an, quasi wie "Masse" wirken. Der
Fachmann, von dem aufgrund seiner Qualifikation die Kenntnis dieser elementa-
ren Zusammenhänge erwartet werden muß, wird somit ohne weiteres auch die
Kontakte solch abgeblockter Speiseleitungen zur Separierung übersprechgefähr-
deter Kontakte in Erwägung ziehen.
- 13 -
Damit ist der Fachmann bereits im wesentlichen beim Gegenstand des Patentan-
spruchs 1 angelangt, denn die Kontakte unter Einhaltung der vorgenannten Re-
geln noch in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen, bedarf keiner erfinderischen
Tätigkeit. Soweit nämlich in den Merkmalen 1.4 und 1.5 des Patentanspruchs 1
über den vorgenannten Rahmen fachüblicher Routine hinausgehend noch eine
bestimmte Abfolge der Kontakte vorgegeben wird, handelt es sich zur Überzeu-
gung des Senats um nichts anderes als eine willkürliche Festlegung, eine
Standardisierung, die der Fachmann selbstredend vorsehen muß, der aber über
die bekannte und zu erwartende Abschirmwirkung durch hochfrequenzmäßig auf
Masse liegende Leitungen hinaus kein zusätzlicher Effekt mehr zukommt und die
damit auch keinen Beitrag zu einer erfinderischen Leistung liefert.
Die Patentinhaberin hat hiergegen eingewendet, Messungen mit einer Pinbele-
gung nach der streitpatentgemäßen Abfolge hätten überraschenderweise ein be-
sonders geringes Übersprechverhalten ergeben. Zur Stützung dieser Behauptung
hat sie jedoch keine weiteren Angaben gemacht. Sie hat weder konkret vorgetra-
gen, daß und warum im vorliegenden Fall Austauschbarkeit einzelner Kontakte,
bspw. "Masse" gegen "Versorgung" oder "Takt" gegen "Daten" nicht gegeben ist
und diesbezüglich unterschiedliche Wirkungen zu erwarten seien, noch hat sie
durch sonstige Belege glaubhaft machen können, daß die über den Stand der
Technik hinaus verbleibende konkrete Abfolge mehr sei als eine einfache Normie-
rung der Steckerbelegung.
2)
Durch die Hilfsanträge ändert sich die Sachlage nicht. Die vorstehenden Ar-
gumente müssen in gleicher Weise gelten:
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich inhaltlich von dem des
Hauptantrags nur dadurch, daß zusätzlich die unmittelbare Aufeinanderfolge der
Daten-, Masse-, Takt-, Versorgungs- und Steuerkontakte ausgewiesen ist. Darin
kann der Senat jedoch, wie vorstehend dargelegt, lediglich eine wahlfreie Festle-
gung, nicht jedoch eine Erfindung sehen.
- 14 -
Das gleiche trifft insoweit auch auf den Hilfsantrag 2 zu, demzufolge darüberhin-
aus zwei Schnittstellen pro Baugruppe vorgesehen sind, ein Merkmal, das die
Patentfähigkeit aber ebensowenig begründen kann, weil es bereits aus dem Stand
der Technik, nämlich aus der gattungsgemäßen speicherprogrammierbaren
Steuerung gemäß Druckschrift K2 bekannt ist.
Nach Hilfsantrag 3 soll sich zusätzlich zumindest bei einem von zwei be-
nachbarten Steuerkontakten, wenn zwischen diesen kein Masse- oder Versor-
gungskontakt vorgesehen ist, der Signalpegel nur selten ändern. Auch diese
Lehre befolgt wiederum nur die aus den Veröffentlichungen K3 und K1 bekannte
handwerkliche Regel, der der Fachmann routinemäßig folgen muß, nämlich heikle,
hochfrequente Signale führende Leitungen nicht unmittelbar nebeneinander
anzuordnen, sondern sie zu trennen und dazwischen unkritische Leitungen
vorzusehen.
3)
Die Überprüfung der über die Hilfsanträge hinaus noch verbleibenden Un-
teransprüche hat ergeben, daß sie ebenfalls nichts Patentfähiges beinhalten. Ge-
genteiliges hat die Patentinhaberin auch nicht geltend gemacht.
- 15 -
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO. Die Ent-
scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs 1 PatG iVm
§ 709 ZPO.
Grüttemann Dr.
Kraus Sredl Dr.
Greis
Skribanowitz
Pr/be