Urteil des BPatG vom 21.07.2010

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, klasse, kennzeichnungskraft, verkehr, beschwerde, bundespatentgericht, patent, gefahr, unterlagen)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 161/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 306 01 444
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hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 21. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Lehner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die Eintragung der für die Waren der
Klasse 32:
Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkohol-
freie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere
Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33:
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
registrierten Wort-/Bildmarke 306 01 444
Francini
ist aus der für die Waren der
Klasse 30:
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmit-
tel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Kondi-
torwaren, Speiseeis; Bonbons, Fruchtgummis, Kaugummi und an-
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dere Süßigkeiten; Honig; Melassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf,
Essig, Saucen (Würzmittel), Gewürze, Kühleis;
Klasse 32:
Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere
alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und
andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
Klasse 33:
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)
registrierten prioritätsälteren Wortmarke 303 15 871
GRANINI
Widerspruch erhoben worden. Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungs-
verfahren ergangen ist, den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurück-
gewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, auch unter Berücksichtigung teilweise
bestehender Warenidentität bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Wi-
derspruchsmarke - eine allenfalls für die Waren „Fruchtgetränke und Fruchtsäfte“
in Betracht zu ziehende gesteigerte Kennzeichnungskraft sei nicht nachgewiesen -
halte die angegriffene Marke einen ausreichenden Zeichenabstand ein. In phone-
tischer Hinsicht wiesen der prägende Wortbestandteil der angegriffenen Marke
„Francini“ und die Widerspruchsmarke „Granini“ ein deutlich unterschiedliches
Klanggefüge auf. „Francini“ sei aus den Silben „Fran“, „ci“ und „ni“ zusammenge-
setzt, „Granini“ lasse sich in „Gra“, „ni“ und „ni“ aufspalten. Zwar ergebe der Sil-
benvergleich, dass deren Anzahl gleich und die jeweils letzte Silbe „ni“ identisch
sei. Darüber hinaus wiesen die beiden ersten Silben denselben Vokal „a“ auf. Al-
lerdings verliehen die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben der ersten („F“ bzw.
„G“) und zweiten („c“ bzw. „n“) Silbe einen durchaus hörbaren abweichenden
Klang, der ein Auseinanderhalten beider Zeichen gewährleiste. Hinzu komme,
dass die Endung „ini“ als bekannte italienische Verkleinerungsform (vgl.
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Spaghetti/Spaghettini, Amaretti/Amarettini, Pane/Panini) kennzeichnungsschwach
sei und sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs somit besonders auf die
Wortanfänge richte. Schließlich verbinde der Verkehr mit „Francini“ einen häufig
vorkommenden italienischen Familiennamen, wohingegen „Granini“ keine
entsprechenden Assoziationen hervorrufe.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Ihrer Auffas-
sung nach habe die Markenstelle verkannt, dass die Widerspruchsmarke ausweis-
lich der im Verfahren vor dem Amt vorgelegten Ergebnisse einer von ihr in Auftrag
gegebenen Verkehrsbefragung überragende Verkehrsbekanntheit bei den ange-
sprochenen Verkehrskreisen genieße. Angesichts teilweise bestehender Waren-
identität hätte die angegriffene Marke bei dieser Sachlage einen größeren Zei-
chenabstand einhalten müssen, um eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aus-
schließen zu können. Insoweit sei insbesondere auf die Gemeinsamkeiten der
Vergleichszeichen in der Anzahl der Silben von „Francini“ und „Granini“, im
Sprechrhytmus, in der Vokalfolge und in einer weitgehend gleichen Anordnung der
Buchstaben hinzuweisen. Mit Ausnahme der unterschiedlichen Anfangsbuchsta-
ben stimmten der Wortbestandteil der angegriffenen Marke „Francini“ und die Wi-
derspruchsmarke „Granini“ nahezu vollständig überein. In ähnlich gelagerten Fäl-
len habe das Bundespatentgericht in der Vergangenheit wiederholt das Bestehen
einer klanglichen Verwechslungsgefahr festgestellt.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen
Patent-
und
Markenamts
vom
30. Juni 2009
und
vom
28. Februar 2008 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen
Marke anzuordnen.
Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen
Antrag gestellt. Im Verfahren vor der Markenstelle hat er dem Löschungsbegehren
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der Widersprechenden aus seiner Sicht bestehende erhebliche schriftbildliche und
klangliche Unterschiede der Vergleichszeichen entgegengehalten.
Zum weiteren Vorbringen wird auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten ge-
wechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Die angegrif-
fene Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts ist frei von Rechts-
fehlern. Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht keine Ver-
wechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Mar-
kenG. Die gegen diese Feststellung der Markenstelle erhobenen Einwände ver-
helfen der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeit-
rang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Wa-
ren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich
der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht wer-
den. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzei-
chenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht
kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken,
der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeich-
nungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad
der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren
und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgegli-
chen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2007, 1066,
1067/1068 - ; GRUR 2006, 859, 860 - ; GRUR 2006, 60,
61 - ; GRUR 2005, 513, 514 - ).
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Die für die Vergleichsmarken eingetragenen Waren der Klassen 32 und 33 sind
identisch.
Ohne Erfolg beruft sich die Widersprechende auf eine überragende Verkehrsbe-
kanntheit der Widerspruchsmarke „Granini“. Die im Verfahren vor der Markenstelle
vorgelegten Unterlagen des Marktforschungsinstituts GfK rechtfertigen nicht die
Annahme einer - vom Markeninhaber bestrittenen - gesteigerten Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke. Zur Feststellung der gesteigerten Verkehrsbekannt-
heit die angesichts des Bestreitens durch den Markeninhaber ohne weiteres aus
den vorgelegten Unterlagen ersichtlich sein muss (vgl. BPatG GRUR 1997, 840
- Lindora/Linola), bedarf es der Berücksichtigung aller relevanten Umstände im
Einzelfall wie des Marktanteils der Marke, deren Dauer, Intensität und geographi-
sche Verbreitung, die für die Marke getätigten Werbeaufwendungen, sowie des
Anteils der Verkehrskreise, die die mit der Marke gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen
(vgl. Ströbele/, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rn. 114). Diese Anforderungen er-
füllen die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen nicht. So enthalten
etwa die Umfragen keine Angaben zum befragten Verkehrskreis oder über den
Marktanteil von „Granini“. Zudem bezieht sich die Verkehrsbefragung nicht auf die
Widerspruchsmarke „Granini“ in der eingetragenen Form, sondern auf „granini
Schorle“, „granini Netto“ und „granini Saft“. Schließlich endet der Umfragezeitraum
mit Beginn des Jahres 2007. Der Nachweis einer gestärkten Kennzeichnungskraft
aufgrund einer gesteigerten Verkehrsbekanntheit ist jedoch nicht nur für den Pri-
oritätszeitpunkt der jüngeren Marke zu führen, sondern auch für den Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung (vgl. Ströbele/ a. a. O., § 9 Rn. 147). Den dem
angesprochenen Verkehr zugehörigen Mitgliedern des Senats ist die Marke „Gra-
nini“ als Fruchtsaftgetränk zwar durchaus bekannt. Dies ist im Streitfall jedoch al-
lenfalls geeignet, zugunsten der Widersprechenden eine leicht überdurchschnittli-
che Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „Granini“ für die eingetragenen
Waren der Klasse 32 „Fruchtgetränke und Fruchtsäfte“ zu begründen.
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Hiervon ausgehend hält die angegriffene Marke einen ausreichenden Zeichenab-
stand ein, um der Gefahr einer Verwechslung erfolgreich begegnen zu können.
Zwar weisen der Wortbestandteil der angegriffenen Marke „Francini“ und die Wi-
derspruchsmarke „Granini“ in klanglicher Hinsicht Gemeinsamkeiten wie eine
identische Silbenzahl und Vokalfolge sowie die übereinstimmende Schlusssilbe
„ni“ auf. Die bestehenden phonetischen Unterschiede zwischen den Vergleichs-
marken führen gleichwohl aus der Verwechslungsgefahr heraus, auch wenn man
davon ausgeht, dass die Bestandteile „FRANCESCA EMILIA“ innerhalb der ange-
griffenen Marke gegenüber dem Bestandteil „Francini“ als Hinweis auf den Namen
des Herstellers, in dem der Verkehr nicht ohne weiteres einen Herkunftshinweis
vermutet (vgl. Ströbele/ a. a, O., § 9 Rn. 317), zurücktreten. Die unter-
schiedlichen Anfangsbuchstaben der ersten und zweiten Silbe („F“ und „c“ bei
„Francini“ einerseits und „G“ sowie „n“ bei „Granini“ andererseits) verleihen den
Vergleichsmarken nämlich ein voneinander erheblich abweichendes Klanggefüge.
Während es sich bei „F“ um einen weichen Lippenlaut handelt, stellt sich der An-
fangsbuchstabe „G“ als ein eher kurz und hart gesprochener Gaumenlaut dar. Die
mit dem Buchstaben „c“ beginnende zweite Silbe „ci“ von „Francini“ wird hart und
markant ausgesprochen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verbraucher die
Silbe italienisch („tschi“) oder deutsch („tsi“ oder „ki“) ausspricht. Demgegenüber
klingt die mittlere Silbe „ni“ von „Granini“ weich und harmonisch. Nachdem die
gemeinsame Endung „ini“ am Wortende von „Francini“ und „Granini“ den zutref-
fenden Feststellungen der Markenstelle zufolge dem Verkehr als gängiger Hinweis
auf eine Verkleinerungsform in der italienischen Sprache bzw. auf einen Eigenna-
men geläufig und somit als eher kennzeichnungsschwach einzuordnen ist, wird
der Verbraucher den Anfangs- und Mittelsilben der Vergleichszeichen erhöhte
Aufmerksamkeit widmen; ihm werden die dargestellten phonetischen Unter-
schiede nicht verborgen bleiben.
Vorstehende Ausführungen gelten entsprechend bei der Beurteilung der Ver-
wechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht. Insbesondere die unterschiedlichen
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Anfangsbuchstaben „F“ bzw. „G“ wird der Verkehr, der erfahrungsgemäß dem
Wortanfang mehr Beachtung schenkt als den übrigen Wortbestandteilen, zur
Kenntnis nehmen.
Ohne Erfolg beruft sich die Widersprechende darauf, dass das Bundespatentge-
richt in ähnlich gelagerten Fällen eine die Verwechslungsgefahr begründende Zei-
chenähnlichkeit festgestellt habe. Diesen lagen im Verhältnis zum Streitfall nicht
vergleichbare Sachverhalte zugrunde.
Anhaltspunkte für eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht
oder für eine mittelbare Verwechslungsgefahr sind nicht dargetan und nach
Sachlage auch nicht ersichtlich.
Der Fall bietet keinen Anlass, vom Grundsatz, wonach jeder Beteiligte seine
Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), abzuweichen.
Dr. Fuchs-Wissemann
Reker
Lehner
Bb