Urteil des BPatG vom 09.11.2004

BPatG (marke, verkehr, kennzeichnungskraft, gütliche einigung, verwechslungsgefahr, beschwerde, annahme, bestandteil, eugh, zeichen)

BPatG 154
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 232/03
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 300 47 224
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 9. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Schermer, den Richter Schwarz und die Richterin Prietzel-Funk
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der am 23. Juni 2000 angemelde-
ten und am 10. Oktober 2000 für „Oberbekleidungsstücke für Damen, Herren und
Kinder“ eingetragenen Wortbildmarke
Widerspruch eingelegt aus ihrer am 2. März 1998 u.a. für „Bekleidungsstücke,
insbesondere Röcke, Hemden, Hosen, Jacken, Schals, Schärpen, Krawatten,
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Mäntel, Baskenmützen, Konfektionskleidung aus Strickstoffen; Schuhe; Kopfbe-
deckungen“ eingetragenen Gemeinschaftsmarke
LES COPAINS.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss vom 19. Mai 2003 den Widerspruch zurückgewiesen, weil beide Mar-
ken in ihrem Gesamteindruck selbst unter Zugrundelegung einer überdurch-
schnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in keiner Hinsicht zu
verwechseln seien. Es gebe auch keinen konkreten Anlass für die Annahme, dass
die angegriffene Marke allein von dem Bestandteil „copains“ geprägt werde und
der Verkehr sie hierauf verkürze; denn die mit „Kreis der hundert Kameraden“ zu
übersetzende jüngere Marke, der zudem die drei identischen Buchstaben „c.“ vor-
angestellt seien, stelle sich als untrennbare sprachliche Einheit dar, deren Be-
deutung durch ein Herauslösen des Wortes „copains“ völlig verändert würde; der
Verkehr sehe daher sowohl „c.c.c.“ als auch „cercle des cents copains“ als Ge-
samtbegriff an. Auch Anhaltspunkte für ein gedankliches Inverbindungbringen bei-
der Zeichen bestünden nicht, weil keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Zei-
chenserie auf Seiten der Widersprechenden ersichtlich seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaber . Sie ist
der Ansicht, unter Zugrundelegung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke könne eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Die
Widerspruchsmarke sei bei den beteiligten Verkehrskreisen als eine der internati-
onal renommierten Luxus-Designer-Marken für Damen- und Herrenkollektionen
bekannt; hierzu stützt sie sich auf verschiedene Medienberichte sowie den von ihr
betriebenen Werbeaufwand. Bei der Zeichenähnlichkeit habe die Markenstelle
nicht berücksichtigt, dass der Verkehr dazu neige, Marken in einer die Merkbarkeit
und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen. Da die angegriffene
Marke überdurchschnittlich lang sei, ihre korrekte Aussprache mehr als nur rudi-
mentäre Kenntnisse der französischen Sprache voraussetze und die vorange-
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stellten Buchstaben „c.c.c.“ lediglich als Initialen nur die Wortfolge wiederhole, sei
eine Verkürzung auf „c.c. copains“, wenn nicht gar allein auf „copains“ nahelie-
gend. Sollte der Verkehr die Bedeutung der französischen Wortfolge erkennen,
werde er diese nur als nähere Angabe des Hauptbegriffs „copains“ verstehen und
auf diesen verkürzen. Darüber hinaus spreche auch die gesteigerte Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke für eine Prägung der angegriffenen Marke
durch den Bestandteil „copains“. Damit bestehe nicht nur eine unmittelbare Ver-
wechslungsgefahr, sondern auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne,
selbst wenn der Verkehr die Unterschiede wahrnehmen sollte. Entgegen den Aus-
führungen der Markenstelle besitze die Widersprechende nämlich, wie bereits im
Widerspruchsverfahren vorgetragen, weitere Zeichen mit dem Stammbestandteil
„COPAINS“, nämlich die IR-Marken 639 303 „TREND LES COPAINS“ und
516
585 „1000 ‰ L & C LES COPAINS“ sowie die Gemeinschaftsmarke
1 208 883 „BLUE E. LES COPAINS“. Daher liege es für den Verkehr nahe, die
angegriffene Marke als weitere Abwandlung der Zeichenserie der Widersprechen-
den anzusehen.
Die Widersprechende beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses die Löschung der angegriffenen
Marke anzuordnen.
Der Markeninhaber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach besteht eine Verwechslungsgefahr selbst unter Zugrundele-
gung einer gesteigerten Kennzeichnungskraft nicht, wie die Markenstelle zutref-
fend ausgeführt habe.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte
aufrechterhalten und vertieft. Eine im Anschluss hieran von den Beteiligten ange-
strebte gütliche Einigung ist nicht zustandegekommen.
II
Die nach den §§ 64, 66, 165 Abs. 4 und 5 MarkenG zulässige Beschwerde hat in
der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender
Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder
Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42
Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr mitein-
ander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Marken-
ähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH
GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei
ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähn-
lichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl.
EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923
Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke trotz be-
stehender Warenidentität den erforderlichen Abstand zur älteren Marke ein.
Soweit die Widersprechende als zusätzlich verwechslungsfördernden Faktor eine
- von der Markeninhaberin bestrittene – Steigerung der Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke für sich in Anspruch nimmt, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie
sie selbst vorträgt, handelt es sich bei „LES COPAINS“ um eine Luxus-Designer-
marke. Als solche mag sie einem beachtlichten Teil kaufkräftiger und modeinte-
ressierter Verkehrskreise bekannt sein. Nach der im vorliegenden Verfahren maß-
geblichen Registerlage ist aber von Bekleidung allgemein auszugehen, zu deren
Abnehmern breiteste Bevölkerungskreise gehören. Ob die Widerspruchsmarke bei
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diesen Verkehrskreisen einen für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungs-
kraft ausreichenden Bekanntheitsgrad erlangt hat, lässt sich den von der Wider-
sprechenden dargelegten Tatsachen nicht entnehmen. Die anhand einiger Bei-
spiele belegte Präsenz der Marke in Frauen- und Modezeitschriften – ohne Vor-
lage eines sich über einen längeren zusammenhängenden Zeitraum erstrecken-
den vollständigen Pressespiegels – erlaubt ebenso wenig einen Rückschluss auf
eine erhöhte Bekanntheit beim Verbraucherpublikum wie die Fotowerbung mit be-
kannten Models und die Erwähnung in einem über das Internet zugänglichen Ein-
kaufsführer. Sonstige konkrete Angaben zu Werbeaufwand und Umsatz mit Be-
kleidung der Marke „LES COPAINS“ oder zur Zahl der inländischen Geschäfte,
welche die Widerspruchsmarke führen, sind nicht vorgetragen worden. Es ist hier
daher von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszuge-
hen.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat und auch von der Widersprechen-
den nicht in Abrede gestellt wird, unterscheiden sich beide Marken in ihrem Ge-
samteindruck, auf den grundsätzlich bei der Beurteilung der markenrechtlichen
Verwechslungsgefahr unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberstehen-
den Zeichen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sa-
bèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/Elfi Rauch), durch den Bestandteil
„LES“ in der Widerspruchsmarke sowie die Bestandteile „c.c.c. cercle de cents“ in
der jüngeren Marke, welche jeweils in dem anderen Zeichen keine Entsprechung
finden.
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden sind auch keine Anhaltspunkte dafür
vorhanden, dass die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich nach der
Art der gegenüberstehenden Waren um breite Bevölkerungskreise handelt, die
jüngere Marke bei ihrer Benennung allein auf „copains“ verkürzen werden, so dass
diese allein von diesem Markenwort geprägt würde.
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Auch wenn der Widersprechenden zuzugestehen ist, dass es für den Verkehr vor-
liegend wegen der Länge der jüngeren Gesamtmarke nahe liegt, diese in einer die
Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (BGH
GRUR 1999, 241, 244 – Lions; GRUR 2002, 1067, 1069 – DKV/OKV), sind keine
Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass er sich hierbei ausgerechnet an dem am
Ende des angegriffenen Kombinationszeichens befindlichen Wort „copains“ orien-
tieren wird. Es liegt für den Verkehr vielmehr näher, die vorangestellte und auf-
grund der zweizeiligen Anordnung gegenüber den anderen Bestandteilen auch op-
tisch besonders hervortretende Buchstabenfolge „c.c.c.“ als die „eigentliche“
Kennzeichnung anzusehen und die Gesamtmarke allein hiermit zu benennen. Wie
die Widersprechende selbst ausgeführt hat, bedarf es zur zutreffenden Ausspra-
che der Wortfolge „cercle de cents copains“ näherer Kenntnisse der französischen
Sprache, die nur bei wenigen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erwartet
werden kann. Dann liegt es für den Teil des Verkehrs, der über keine solchen
Kenntnisse verfügt, aber besonders nahe, sich an der ohne weiteres auch in deut-
scher Aussprache wiederzugebenden, zudem am Zeichenanfang befindlichen und
durch die Punktsetzung als Abkürzung der nachfolgenden fremdsprachigen Wort-
folge erkennbaren Buchstabenfolge „c.c.c.“ zu orientieren und die Gesamtmarke
hierauf zu verkürzen. Hierzu wird auch die Mehrheit der Verkehrskreise neigen,
welche über ausreichende Französisch-Kenntnisse verfügen; denn auch für sie
liegt es nahe, sich wegen des erkennbaren Charakters der Buchstabenfolge
„c.c.c.“ als Abkürzung der nachfolgenden Wortfolge allein an dieser Abkürzung zu
orientieren; die wenigen über ausreichende Französisch-Kenntnisse verfügenden
Teile des Verkehrs, welche – wie die Widersprechende meint – die angegriffene
Marke nicht auf die vorangestellte Buchstabenfolge verkürzen, sondern den
Schwerpunkt der Marke in der nachfolgenden Wortfolge erblicken, werden gerade
wegen ihrer Kenntnisse der französischen Sprache diese als Gesamtbegriff er-
kennen und aus diesem Grund nicht weiter verkürzen. Eine Prägung der ange-
griffenen Marke allein durch das an letzter Stelle befindliche Wort „copains“ kann
daher nicht angenommen werden. Damit scheidet aber eine markenrechtlich noch
erhebliche Zeichenähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke aus.
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Es ist auch nicht zu befürchten, dass die Marken gedanklich miteinander in Ver-
bindung gebracht werden, weil der Verkehr, obwohl er die Vergleichsmarken nicht
unmittelbar miteinander verwechselt, dem vorhandenen übereinstimmenden Ele-
ment „copains“ in beiden Marken einen Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke
entnimmt. Die Gefahr einer solchen Zuordnung beruht auf der Übung mancher
Unternehmen, sich eines Stammzeichens für alle ihre Waren zu bedienen und
dieses für einzelne Warenarten zu deren Kennzeichnung abzuwandeln (vgl. BGH
WRP 2002, 534, 536 – BIG; BGH WRP 2002, 537, 541 – BANK 24; BGH GRUR
1999, 587, 589 – Cefallone; BGH WRP a.a.O. – BIG). Im vorliegenden Fall fehlt es
bereits an einem gleichen Stammbestandteil, denn in den Marken der Widerspre-
chenden ist jeweils die Wortfolge „LES COPAINS“ enthalten, die vom Verkehr ins-
gesamt als das auf das Unternehmen der Widersprechenden hinweisende
Stammzeichen angesehen wird. Hiervon abweichend fehlt in der jüngeren Marke
nicht nur der charakteristische Zusatz „Les“; aufgrund seines Charakters als Ge-
samtbegriff, in den das Wort „copains“ eingebunden ist, weist der Bestandteil
„cercle de cent copains“ der jüngeren Marke auch strukturell keine Ähnlichkeit mit
der Markenserie der Widersprechenden auf. Aus diesem Grund hat der Verkehr
keine Veranlassung, in der angegriffenen Marke die Bezeichnung einer weiteren
Produktlinie der Widersprechenden zu sehen und sie deshalb irrtümlich der Inha-
berin des älteren Zeichens zuzuordnen (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rn. 741).
Da auch für die Annahme einer Verwechslungsgefahr aus sonstigen Gründen
nichts ersichtlich ist, so dass die Markenstelle den Widerspruch zu Recht zurück-
gewiesen hat, war der hiergegen gerichteten Beschwerde der Widersprechenden
der Erfolg zu versagen.
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Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 Mar-
kenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. Schermer
Prietzel-Funk
Schwarz
Na