Urteil des BPatG vom 14.05.2009

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 81/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 306 26 535.4
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
14. Mai 2009 durch Richter Dr. van Raden als Vorsitzenden, Richter Schwarz und
Richter Kruppa
b e s c h l o s s e n :
Der Widersprechenden wird die Wiedereinsetzung in die ver-
säumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.
G r ü n d e :
I.
Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der Marke 306 265 35 Wider-
spruch eingelegt aus seiner prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 004 751 178.
Mit Beschlüssen vom 21. Januar 2008 und - auf die Erinnerung der Widerspre-
chenden - vom 17. September 2008 hat die Markenstelle für Klasse 43 des Deut-
schen Patent- und Markenamts den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr
zurückgewiesen, weil die gegenüberstehenden Marken nicht hinreichend ähnlich
seien.
Der Beschluss vom 17. September 2008 wurde den Verfahrensbevollmächtigten
der Widersprechenden am 25. September 2008 zugestellt.
Mit beim Deutschen Patent- und Markenamt am 24. Oktober 2008 eingegange-
nem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag hat die Wider-
sprechende gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt.
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Mit Schriftsatz vom 11. November 2008, eingegangen am selben Tag, reichten die
Verfahrensbevollmächtigten eine Einzugsermächtigung zur Abbuchung der Be-
schwerdegebühr ein und beantragten mit Schriftsatz vom 27. November 2008 die
Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr.
Den Wiedereinsetzungsantrag begründet die Widersprechende wie folgt:
Mit der Beschwerde am 24. Oktober 2008 sei zur gleichzeitigen Einreichung auch
die Einzugsermächtigung für die Abbuchung der Beschwerdegebühr durch Patent-
anwalt S… unterzeichnet worden. Durch ein Versehen des kanzleiintern
zuständigen geschulten, zuverlässigen und erprobten sowie regelmäßig über-
wachten Patentanwaltsfachangestellten K… sei jedoch die Einreichung
der Einzugsermächtigung unterblieben, was erst am 7. November 2008 bemerkt
worden sei. Die fristgemäße Zahlung sei mithin ohne Verschulden versäumt wor-
den, so dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Zahlung der
Beschwerdegebühr für die Beschwerde gegen den Beschluss der
Markenstelle vom 17. September 2008 zu gewähren.
In der Sache selbst hat sie bislang keinen Antrag gestellt.
Der Markeninhaber beantragt,
den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass das Versäumnis der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtig-
ten der Widersprechenden dieser zuzurechnen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die von
den Verfahrensbeteiligten eingereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen, Bezug
genommen.
II.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Widersprechenden ist zulässig und begründet.
Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält gemäß § 91 Abs .1 Satz 1
MarkenG auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder
dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach
gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat.
Die Widersprechende hat die am 26. Oktober 2008 abgelaufene Frist zur Zahlung
der Beschwerdegebühr versäumt, was grundsätzlich zur Folge hat, dass die
Beschwerde als nicht eingelegt anzusehen ist (§ 6 Abs. 2 PatKostG). Der gegen
die Versäumung dieser Frist binnen zwei Monaten nach Kenntniserlangung von
der Versäumung (§ 91 Abs. 2 MarkenG) unter Nachholung der Gebührenzahlung
(§ 91 Abs. 4 Satz 1) MarkenG gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig
und begründet. Die Widersprechende hat hinreichend dargetan und auch glaub-
haft gemacht, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur Zahlung der
Beschwerdegebühr mit dem Zuschlag einzuhalten (vgl. § 91 Abs 1 und 3
MarkenG). Ohne Verschulden ist eine Fristversäumung erfolgt, wenn die übliche
Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war.
Grundsätzlich ist den Verfahrensbeteiligten nicht nur eigenes Verschulden, son-
dern auch dasjenige ihrer Verfahrensbevollmächtigten zuzurechnen. Soweit es
sich wie hier um Rechts- oder Patentanwälte handelt, sind an deren Sorgfalts-
pflichten, welche auch die Büroorganisation umfasst, nach der Rechtsprechung
hohe Anforderungen zu stellen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006,
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§ 91 Rdn. 13 ff.; zu den Einzelheiten siehe Stein/Jonas/Roth, 22. Aufl., § 233 ZPO
Rdn. 32 ff.; Zöller/Greger, 26. Aufl., § 233 ZPO, Rdn. 23 m. w. N.; Feiber, in: Mün-
chener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 233 Rdn. 49 ff., 56 ff. und 93 ff.). Danach
obliegen alle Aufgaben, welche der ordnungsgemäßen Fristwahrung dienen,
grundsätzlich dem Rechts- oder Patentanwalt persönlich; eine Delegation auf das
Büropersonal ist nur zulässig, soweit es sich um einfachere und weniger bedeut-
same Funktionen handelt und die beauftragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
gut ausgebildet und zuverlässig sind.
Nach dem von der Widersprechenden glaubhaft gemachten Geschehensablauf
lag ein ihr nicht zurechenbarer Fehler des mit der Einreichung von Schriftsätzen
betrauten Herrn K… vor. Die glaubhaft gemachte Erfahrung, Erprobung
und Überwachung von Herrn K… erlaubte die Übertragung der hier maßgebli-
chen Aufgaben im Zusammenhang mit der Einreichung der Beschwerdeschrift
nebst der Einzugsermächtigung. Es ist davon auszugehen, dass die Verwaltung
der hier in Rede stehenden Angelegenheiten der Bevollmächtigten der Widerspre-
chenden so organisiert war, dass Fristversäumnisse bei normalem Ablauf nicht
vorkommen konnten.
Durch offenbar einmalige Unachtsamkeit konnte es gleichwohl zu dem Übersehen
der einzureichenden Einzugsermächtigung innerhalb der Beschwerdefrist kom-
men, ohne dass dem auf Seiten der Verfahrensbevollmächtigten der Widerspre-
chenden oder der Widersprechenden selbst ein Verstoß gegen die Pflicht zur
Beachtung der zumutbaren Sorgfalt zugrunde gelegen hätte, mit der Folge, dass
der Widersprechenden die beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung
der Beschwerdegebühr zu gewähren war.
Dr. van Raden
Schwarz
Kruppa
Fa