Urteil des BPatG vom 12.10.2005

BPatG (Erheblicher Grund, Klasse, Beschreibende Angabe, Internet, Marke, ZPO, Werbung, Www, Beschwerde, Marketing)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 94/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
12. Oktober 2005
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 399 46 179
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2005 unter Mitwirkung des Richters
Baumgärtner als Vorsitzendem und der Richterinnen Fink und Dr. Mittenberger-
Huber
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 29. Januar 2003
wird aufgehoben, soweit die Löschung der Marke angeordnet
wurde für die Dienstleistungen „Werbung für Waren, Informa-
tionen und Dienstleistungen, Vermarktung von Waren, Infor-
mationen und Dienstleistungen soweit in Klasse 35 enthalten;
Planen und Durchführung von Präsentationen, Ausstellungen
und Veranstaltungen für wirtschaftliche und Werbezwecke;
Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Marketing; Marktana-
lysen“.
2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Wortmarke Nr 399 46 179
ASP
wurde am 10. Januar 2000 zur Kennzeichnung der folgenden Waren und Dienst-
leistungen in das Markenregister eingetragen:
Klasse 9: Datenverarbeitungsgeräte und Computer; ausgenom-
men aus den vorstehend benannten Produktkatego-
rien sind elektronische Bauelemente;
Klasse 16: Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
Schreibwaren; Druckereierzeugnisse; Schreibmaschi-
nen und Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Klasse 35: Werbung für Waren, Informationen und Dienstleistun-
gen, Vermarktung von Waren, Informationen und
Dienstleistungen soweit in Klasse 35 enthalten; Pla-
nen und Durchführung von Präsentationen, Ausstel-
lungen und Veranstaltungen für wirtschaftliche und
Werbezwecke; Unternehmensverwaltung; Büroarbei-
ten; Marketing; Marktanalysen;
Klasse 38: Telekommunikation;
Klasse 41: Veröffentlichung, Herausgabe und Vermittlung von In-
formationen und individuellen Computerprogrammen
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sowie Bereitstellung zur Nutzung derselben durch
Dritte im Wege aller Medien, auch im Internet; Veröf-
fentlichung und Herausgabe von Internetzeitschriften
(Online Publishing) und Standardsoftware sowie Be-
reitstellung zur Nutzung derselben durch Dritte im
Wege aller Medien, auch im Internet; Veröffentlichung,
Herausgabe und Vermittlung von Informationen sowie
Bereitstellung zur Nutzung derselben durch Dritte im
Wege aller Medien, auch im Internet; Veröffentlichung
und Herausgabe von Internetseiten; Ausbildung; Un-
terhaltung.
Gegen diese Eintragung richtet sich der auf das Vorliegen absoluter Schutzhinder-
nisse gestützte Löschungsantrag der Beschwerdegegnerin. Die Markenabteilung
3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat dem Antrag mit Beschluss vom
29. Januar 2003 im wesentlichen stattgegeben und die eingetragene Marke teil-
weise gelöscht. Nicht gelöscht wurden lediglich die Waren und Dienstleistungen
„Schreibwaren; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Unter-
haltung“, da die Buchstabenfolge „ASP“ dafür weder freihaltebedürftig sei, noch ihr
jegliche Unterscheidungskraft fehle. Im Hinblick auf die gelöschten Waren und
Dienstleistungen handle es sich bei der eingetragenen Marke „ASP“ um eine frei-
haltebedürftige beschreibende Angabe. Als Akronym für den Fachausdruck „Ap-
plication Service Provider“ beschreibe das Zeichen softwarebasierte Dienste, die
im Internet zur Verfügung gestellt würden. Die beanspruchten Waren und Dienst-
leistungen - mit Ausnahme der nicht zu löschenden - bezögen sich auf die Bereit-
stellung, Nutzung, Konfigurierung oder Programmierung von und mit ASP-Anwen-
dungen. Eine andere mögliche Bedeutung des Akronyms spiele keine Rolle, da
sich kontextbezogen auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen nur der
Sachbezug zu „Application Service Provider“, nicht jedoch zu „Active Server Pa-
ges“ herstellen lasse. Die erste Bedeutung des Akronyms sei dem Verkehr zum
Eintragungszeitpunkt bereits bekannt gewesen, was sich aus den umfangreichen
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Veröffentlichungen im Jahr 2000 ergebe. Diese Bekanntheit bestehe auch zum
Löschungszeitpunkt noch.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers vom
25. März 2003, die er nicht begründet hat.
Der Markeninhaber und Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung vom 29. Januar 2003 aufzu-
heben.
Der Löschungsantragssteller und Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat ebenfalls keine Begründung eingereicht.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche wurde den Beteiligten
übersandt.
Die mündliche Verhandlung am 12. Oktober 2005 fand ohne den Beschwerde-
führer statt. Er hatte mit Telefax vom 10. Oktober 2005 wegen einer sturzbeding-
ten Knieverletzung eine Verlegung des Termins beantragt. Trotz eines
gerichtlichen Hinweises am 11. Oktober 2005, dass eine Verlegung dieses Ter-
mins nur in Betracht käme, wenn ein entsprechendes ärztliches Attest vorliege,
hat der Beschwerdeführer ein solches entgegen seiner Ankündigung bis zum Be-
ginn der Sitzung nicht vorgelegt.
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II.
Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers ist in der Sache nur teilweise be-
gründet.
1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, nachdem der ordnungsgemäß
geladene und nach § 75 Abs 2 MarkenG belehrte Markeninhaber zur mündlichen
Verhandlung nicht erschienen ist. Soweit er wegen einer (angeblichen) erneuten
Erkrankung um eine kurzfristige Terminsverlegung nachgesucht hat, war eine
solche gemäß § 82 Abs 1 MarkenG in Verbindung mit § 227 ZPO nicht veranlasst.
Nach dem Wortlaut von § 227 Abs 1 S 1 ZPO steht die Terminsänderung im Er-
messen des Gerichts, selbst wenn ein erheblicher Grund vorliegt. Es gibt daher
keinen Anspruch der Parteien auf Terminsverlegung (Stein/Jonas/Roth, ZPO,
2005, § 227 Rn 4). Gemäß Abs 1 S 2 Nr 1 ist das Ausbleiben einer Partei oder die
Ankündigung desselben nur dann ein erheblicher Grund zur Terminsverlegung,
wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt (Stein/Jonas/Roth, aaO, Rn 14; Tho-
mas/Putzo, ZPO, 26. Auflage, § 227 Rn 9), dass die Partei unverschuldet am
Erscheinen verhindert ist. Der „erhebliche Grund“ ist gemäß § 227 Abs 2 ZPO auf
Verlangen glaubhaft im Sinn von § 294 ZPO zu machen. Eine Verhinderung ist ua
unverschuldet, wenn die Partei im Einzelfall darlegt und glaubhaft macht, dass sie
erkrankt ist. Die Erkrankung wird in der Regel dadurch nachgewiesen, dass die
Partei ein entsprechendes ärztliches Attest bei Gericht vorlegt. Ein solcher Nach-
weis ist nur dann entbehrlich, wenn die erheblichen Gründe für das Gericht er-
kennbar vorliegen, was hier nicht der Fall war. Vielmehr ergaben sich Zweifel
daran, dass der Markeninhaber seiner Prozessförderungspflicht nachzukommen
gedachte, aufgrund der gesamten, das Amtsverfahren einschließenden, Akten-
lage. Der Beschwerdeführer hatte - jeweils nach Entzug des Mandats seiner Ver-
fahrensbevollmächten - wiederholt und äußerst kurzfristig und ua aufgrund von
den Umständen nach zweifelhaften Erkrankungen oder Verletzungen beantragt,
Fristen zu verlängern und Termine zu verlegen. Im vorliegenden Fall wurde der
Beschwerdeführer daher vom Gericht telefonisch darauf hingewiesen, dass eine
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erneute Verlegung nur bei Vorlage eines ärztlichen Attests erfolgen könne. Ange-
sichts des in der angegriffenen Marke gegenüber Wettbewerbern bestehenden
Behinderungspotentials konnte eine weitere Terminverlegung ohne den Nachweis
eines wichtigen Grundes nicht mehr erfolgen.
Ein Attest ist im übrigen bis zur Abfassung des Beschlusses nicht zu den Akten
gelangt.
2. Die Beschwerde hat nur zum Teil Erfolg. Die Markenabteilung 3.4 des Deut-
schen Patent- und Markenamts hat die Löschung der angegriffenen Marke „ASP“
nach § 50 Abs 1, 2 und 4 MarkenG lediglich für die Dienstleistungen „Werbung für
Waren, Informationen und Dienstleistungen, Vermarktung von Waren, Informatio-
nen und Dienstleistungen soweit in Klasse 35 enthalten; Planen und Durchführung
von Präsentationen, Ausstellungen und Veranstaltungen für wirtschaftliche und
Werbezwecke; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Marketing; Marktana-
lysen“ zu Unrecht angeordnet. Im Hinblick auf die übrigen Waren und Dienstleis-
tungen stand der eingetragenen Marke im Zeitpunkt der Eintragung und im Zeit-
punkt der Entscheidung über die Löschung ein Schutzhindernis nach § 50 Abs 1
iVm § 8 Abs 2 Nr 1MarkenG entgegen.
2.1. „ASP“ ist ein Akronym für „Application Service Provider/Providing“ und be-
zeichnet einen Anbieter, der Software und Dienste für Unternehmen zum Benut-
zen gegen Entgelt in seinem Rechenzentrum zur Verfügung stellt (www.computer-
lexikon.com). Insgesamt gibt es zwar 133 Definitionen für das Akronym, wobei die
beiden gebräuchlichsten „Active Server Page“ (= Entwicklung von Microsoft, die
Webmastern erlaubt, mittels Visual-Basic Befehlen Daten an Homepages zu bin-
den) und „Application Service Provider/Providing“ sind (www.acronymfinder.com).
Im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen im Bereich der
Informationstechnologie und der Telekommunikation sind allerdings beide Begriffe
beschreibend, was nicht zu einer schutzrechtsrelevanten Mehrdeutigkeit führt.
Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Zeichen
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nämlich bereits dann nicht schutzfähig, wenn es in einer seiner möglichen Be-
deutungen Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt
(vgl EuGH, MarkenR 2004, 450 ff – DOUBLEMINT).
2.2. Kann einem Zeichen für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistun-
gen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet wer-
den, oder handelt es sich auch sonst um eine verständliche Wortfolge der deut-
schen oder einer geläufigen Fremdsprache, die vom Verkehr - etwa auch wegen
einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und
nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so fehlt ihm die Unterschei-
dungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG (stRsp; BGH GRUR 2005, 417, 418
- BerlinCard; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1153, 1154
- antiKALK; WRP 2001, 1082, 1083 – marktfrisch; GRUR 2001, 1043 – Gute Zei-
ten – Schlechte Zeiten; GRUR 2001, 1042 – REICH UND SCHOEN). Die Unter-
scheidungskraft ist dabei zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder
Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise
zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines durchschnittlich
informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der
fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2005, 763,
764 – HAVE A BREAK; MarkenR 2004, 116, 120 Rn 50 – Waschmittelflasche,
MarkenR 2003, 187, 190 Rn 41 – Linde ua). Nach diesen Grundsätzen verfügte
die Buchstabenfolge – mit Ausnahme der Dienstleistungen in Klasse 35 – weder
bei Eintragung im Januar 2000 noch im Zeitpunkt der Entscheidung im Okto-
ber 2005 über die erforderliche Unterscheidungskraft.
Verkehrskreis ist der gut informierte Durchschnittsverbraucher, der im IT-Bereich
und im Telekommunikationsbereich über gute Englischkenntnisse verfügt, und
insbesondere die fachsprachlichen Idiome kennt. Bereits die Markenabteilung hat
im Rahmen ihrer Recherche nachgewiesen, dass Application Service Providing
ein im Jahr 1999 durch das Internet entstandenes Geschäftsfeld ist, das die Nut-
zung von Anwendungsprogrammen via Internet ermöglicht (Löschungsverfahren
S
175). Aus einer Newsletter-Ausgabe der R… GmbH vom
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3. Juli 2000 folgt weiter, dass „ASP“ bereits im Diepold Management Report vom
September 1999 erörtert worden ist (aaO, S 179). Außerdem gibt es zwei Zei-
tungsmeldungen vom Dezember 1999, die sich mit Application Service Providing
beschäftigen (aaO, S 180). Das umfangreiche vom Antragsteller im Löschungs-
verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt vorgelegte Anlagenkonvolut
(S
134
S
164) beschäftigt sich mit Zeitungsartikeln von Januar und Feb-
ruar 2000, in denen das „Phänomen“ ASP in den Printmedien vom Handelsblatt
über die Financial Times, die Computerwoche bis zur Frankfurter Allgemeinen
Zeitung ausführlich erörtert wurde. Angesichts dieser Fülle von Veröffentlichungen
zum „Application Service Provider/Providing“ im Eintragungszeitraum ist davon
auszugehen, dass dem angesprochenen Verkehrskreis die Bedeutung des Akro-
nyms „ASP“ bereits hinreichend bekannt war. Diese Bekanntheit hat im Laufe der
letzten fünf Jahre noch erheblich zugenommen, was sich aus den Rechercheun-
terlagen des Senats ergibt. Der Begriff wird als Fachbegriff in mehreren Internet-
Lexika erklärt (www.symweb.de/glossar/asp; www.computerlexikon.com;
www.wikipedia.de). In der Suchmaschine Google gibt es ca 210.000 Seiten auf
Deutsch für „Application service provider“.
2.3. Die in Klasse 9 beanspruchten Datenverarbeitungsgeräte und Computer
können auf ASP-Anwendungen programmiert oder konfiguriert sein, so dass in-
soweit von die Dienstleistung ergänzenden Geräten auszugehen ist. Eine im Vor-
dergrund stehende Sachaussage ist „ASP“ insbesondere für die angemeldete
Dienstleistung der Telekommunikation und die Dienstleistungen in Klasse 41, da
es sich um einen Bereitstellungsdienst bzw. -dienstleister für Anwendungspro-
gramme handelt, einen im Rahmen des Internets üblichen anwendungsorientier-
ten Service, bei dem im Bedarfsfall die Nutzung von Software angemietet und
nicht gekauft wird (vgl PAVIS PROMA BPatG 24 W (pat) 180/03: nicht eingetragen
wurde daher auch „Office-ASP“ für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16,
42). Druckereierzeugnisse können sich thematisch mit dem „Application Service
Providing“ beschäftigen, weshalb das Akronym als thematische Inhaltsangabe für
die entsprechenden Druckschriften geeignet und daher nicht schutzfähig ist.
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2.4.
Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen „Werbung für Waren, Infor-
mationen und Dienstleistungen, Vermarktung von Waren, Informationen und
Dienstleistungen soweit in Klasse 35 enthalten; Planen und Durchführung von
Präsentationen, Ausstellungen und Veranstaltungen für wirtschaftliche und Wer-
bezwecke; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Marketing; Marktanalysen“ ist
dagegen von Schutzfähigkeit auszugehen. Die eingetragene Buchstabenfolge hat
in diesem Segment weder eine beschreibende Bedeutung noch ist sie freihalte-
bedürftig. Die entsprechenden Werbedienstleistungen werden weder „ASP“ ge-
nannt noch unter diesem Inhalt angeboten, da die Ermöglichung der Nutzung von
Softwareanwendungen zwar eine Hilfsdienstleistung der Werbung sein kann, aber
weder Zweck noch Inhalt derselben darstellt (vgl BPatG 29 W (pat) 146/01 - family
matters). Entsprechendes gilt für die Dienstleistungen „Unternehmensverwaltung,
Büroarbeiten und Marketing“.
Baumgärtner Fink
Dr.
Mittenberger-Huber
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