Urteil des BPatG vom 28.02.2007

BPatG: schnittstelle, fig, patentanspruch, zustand, fahrzeug, computer, werkstatt, anzeige, diagnose, anpassung

BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 27/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Februar 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 196 27 923
BPatG 154
08.05
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hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden II wird der angefochtene
Beschluss aufgehoben und das Patent widerrufen.
G r ü n d e
I
Die Patentabteilung 51 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung
des Einspruchs das am 11. Juli 1996 angemeldete Patent mit der Bezeichnung
„Zentralinformatormodul für ein Kraftfahrzeug“
durch Beschluss vom 24. November 2003 aufrechterhalten, weil das patentierte
Zentralinformatormodul nach ihrer Auffassung nur durch erfinderische Tätigkeit zu
erreichen war.
Gegen diesen Aufrechterhaltungsbeschluss richtet sich die Beschwerde, mit der
die Einsprechende II ihre Einspruchsbegründung wiederholt und ergänzt. Sie ist
insbesondere der Meinung, das Zentralinformatormodul nach dem Streitpatent sei
durch die gattungsgemäße Einrichtung zur Darstellung, Aufbereitung und Speiche-
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rung von Informationen in einem Kraftfahrzeug gemäß der E1 (DE 42 18 804 A1)
i. V. m. der Parametrierung von Steuergeräten in Kraftfahrzeugen, vorbekannt
durch die E7 (Auszug aus VDI-Bericht Nr. 819, 1990, S. 401-415, Titel: „Diagnose
und Bandende-Programmierung von elektronischen Systemen in
MAN-Nutzfahrzeugen; MAN-cats“) für einen Durchschnittsfachmann nahegelegt.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu wi-
derrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie widerspricht der Beschwerdeführerin und meint, das streitpatentgemäße
Zentralinformatormodul beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet:
Zentralinformatormodul (1) für ein Kraftfahrzeug mit einem opti-
schen Anzeigemittel
(10), einer signalverarbeitenden Vorrich-
tung (29) und mit Signaleingängen (31, 32a bis 32d) zur Auf-
nahme von Meldungen, die von im Kraftfahrzeug angeordneten
Aggregaten abgegeben werden,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
dass der signalverarbeitenden Vorrichtung (29) ein Parameter-
speicher (30) zugeordnet ist, dessen Speicherinhalt über eine
Datenschnittstelle
(6) des Zentralinformatormoduls
(1), die im
Kraftfahrzeug im eingebauten Zustand des Zentralinformatormo-
duls (1) zugänglich ist, durch Eingabe von Programmdaten mittels
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eines mobilen Rechners (4) derart anpassbar ist, dass dadurch die
signalverarbeitende Vorrichtung (29) die Meldungen, die sie von
den im Kraftfahrzeug angeordneten Aggregaten über die Signal-
eingänge (31, 32a bis 32d) aufnimmt und die in ihrer signaltechni-
schen Beschaffenheit vom jeweiligen Aggregat abhängig sind,
verarbeiten und zur Anzeige bringen kann.
Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 7 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.
II
Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Als Durchschnittsfachmann legt der Senat seiner Entscheidung einen Ingenieur
der Elektrotechnik und/oder der Fahrzeugtechnik zugrunde, der bei einem
Kfz-Hersteller oder –Zulieferer mit der Entwicklung der Fahrzeugelektrik/-elektronik
beauftragt ist und über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.
Aus der E1 (DE 42 18 804 A1) ist unstreitig eine gattungsgemäße Einrichtung zur
Darstellung, Aufbereitung und Speicherung von Informationen in einem Kraftfahr-
zeug bekannt wie sie im Streitpatent als Zentralinformatormodul bezeichnet ist,
vgl. insb. Figuren 1 und 4.
Als optisches Anzeigemittel ist ein Bildschirm/Display vorgesehen, vorzugsweise
ausgebildet als hochauflösender Flüssigkeitskristall-Farbbildschirm 14/15 oder
Head-up-Display 16, vgl. insb. Ansprüche 8 bis 11 i. V. m. Sp. 5 Z. 28 bis 41. Auf
diesem Display werden u. a. Informationen dargestellt, die ein Rechner 1 aus
Signalen ermittelt, welche über verschiedenste Signaleingänge von im Kraftfahr-
zeug angeordneten Aggregaten abgegeben werden, vgl. insb. Fig. 1 i. V. m. Sp. 3
Z. 21 bis 54 sowie Sp. 4 Z. 7 bis 25. Insoweit verarbeitet bereits dieser Rechner
Meldungen im streitpatentgemäßen Sinn, die er von den im Kraftfahrzeug ange-
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ordneten Aggregaten z. B. über digitale oder analoge Signaleingänge 20/21 auf-
nimmt, vgl. insb. Sp. 3 Z. 46 bis 54. Selbstverständlich sind diese Signale in
signaltechnischer Beschaffenheit vom jeweiligen Aggregat abhängig. Nach der
Signalverarbeitung bringt der Rechner die ausgewerteten Informationen auf dem
Display zur Anzeige.
Dieses vorbekannte Zentralinformatormodul erlaubt bereits eine flexible Funk-
tionsanpassung und -erweiterung. Insbesondere ist die Informationsdarbietung
durch Änderung der Programme flexibel änderbar und dem jeweils aktuellen
Stand anpassbar, vgl. insb. Sp. 1 Z. 43 bis 50. Dazu ist dem signalverarbeitenden
Rechner 1 ein Systemspeicher (Parameterspeicher 4) zugeordnet, worin selbst-
verständlich Programme abgelegt sind. Der Speicherinhalt des Systemspeichers
kann über eine Datenschnittstelle, beispielsweise V 24, geändert oder ergänzt
werden, vgl. insb. Sp. 1 Z. 50 bis 55 i. V. m. Fig. 1.
Ob die ausdrücklich genannte Schnittstelle im Kraftfahrzeug im eingebauten Zu-
stand des Zentralinformatormoduls zugänglich ist und durch Eingabe von Pro-
grammdaten mittels eines mobilen Rechners anpassbar ist, geht aus der Druck-
schrift nicht im Detail hervor. Allerdings erhält der eingangs definierte Durch-
schnittsfachmann einen diesbezüglichen Hinweis bereits aus Fig. 2 der E1 i. V. m.
der Beschreibung. Denn in Fig. 2 ist ein Datenaustausch zwischen einem Perso-
nal-Computer und dem Zentralinformatormodul zumindest schematisch darge-
stellt. Bezüglich der Schnittstelle ist der Sp. 2 Z. 29 bis 40 entnehmbar, dass über
sie nur herstellerzugelassene oder geprüfte Programme beispielsweise von einer
autorisierten Werkstatt eingelesen werden dürfen. Damit ist zumindest offenbart,
dass die Programmänderungen zur vorgenannten Anpassung der Informations-
darstellung über eine Datenschnittstelle eingegeben werden.
Aus dem einschlägigen Aufsatz E7 („Diagnose und Bandende-Programmierung
von elektronischen Systemen in MAN-Nutzfahrzeugen; MAN-cats“ in VDI-Bericht
Nr. 819, 1990, S. 401-415), ist dem Durchschnittsfachmann am Anmeldetag des
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Streitpatents geläufig, dass zur Parametrierung oder Variantencodierung von
Steuergräten in Werkstätten ein mobiler Rechner (Laptop) verwendet wird, der
über eine Schnittstelle im Fahrzeug mit dem Zentralinformatormodul verbunden
wird, vgl. insb. S. 404 Bild 2, S. 404 Bild 4 und S. 414 Abs. 5. Die Schnittstelle ist
bei LKWs beispielsweise im Handschuhfach vorgesehen, vgl. insb. S. 405 letzter
Satz, und damit im Kraftfahrzeug im eingebauten Zustand des Zentralinformator-
moduls zugänglich. Mit diesem Wissen wird er den in der E1 beschriebenen Per-
sonal-Computer ohne weiteres als Laptop vorsehen, mit dem eine autorisierte
Werkstatt eine Programmänderung über eine im Fahrzeug zugängliche Schnitt-
stelle eingeben kann. Dazu ist keine erfinderische Tätigkeit, sondern lediglich eine
sachgerechte Auswertung des am Anmeldetag des Streitpatents zugänglichen
Standes der Technik erforderlich.
Der Patentanspruch 1 hat mithin keinen Bestand.
Dies gilt ebenso für die darauf zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7.
gez.
Unterschriften