Urteil des BPatG vom 25.06.2002

BPatG: gegen die guten sitten, person des öffentlichen lebens, form, begriff, patent, bevölkerung, oberhaupt, religionsgemeinschaft, zahl, anhänger

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 140/01
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(Aktenzeichen)
An Verkündung Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 63 024.0
BPatG 154
6.70
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hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Ströbele sowie des Richters Guth und der Richterin Kirschneck
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke
Dalailama
ist für die folgenden Waren und Dienstleistungen
"Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und
Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Kör-
per- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; pharma-
zeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate
für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizini-
sche Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandsmaterial; Zahnfüllmittel
und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmit-
tel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbi-
zide; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien,
soweit in Klasse 16 enthalten, Druckereierzeugnisse, Buchbinde-
artikel, Photographien, Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und
Schreibwaren oder für Haushaltszwecke, Künstlerbedarfsartikel,
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Pinsel, Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel);
Lehr- und Unterrichtsmaterial (ausgenommen Apparate); Ver-
packungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten;
Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke; Kaffee, Tee, Kakao,
Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Ge-
treidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Spei-
seeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig,
Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Verpflegung, Bewirtung
und Berherbergung von Gästen, nämlich der Gastronomie, insbe-
sondere der Erlebnis- und Aktionsgastronomie, ärztliche Versor-
gung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen auf
dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; wissenschaft-
liche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die
Datenverarbeitung"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren er-
gangen ist, gemäß §§ 8 Abs 2 Nr 5, 37 Abs 1 MarkenG wegen Verstoßes gegen
die guten Sitten zurückgewiesen.
Die angemeldete Marke sei die orthographisch abgewandelte, aber wesensgleiche
Bezeichnung des politischen und religiösen Oberhauptes der Tibeter, des Dalai
Lama. Da der Dalai Lama als Wiedergeburt des Buddhas des Erbarmens die le-
bende Gestalt eines Aspektes des universalen Buddha-Geistes darstelle, handle
es sich insoweit um einen abstrakt religiösen Begriff. Die Person des jetzigen 14.
Dalai Lama sei international bekannt und habe - nach Ansicht der deutschen
Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen - auch in Deutschland viele
Anhänger. Für die rein kommerzielle Verwendung eines religiösen Begriffs, der für
Gläubige und Nichtgläubige zum Symbol für echte Menschlichkeit und interreli-
giöse Verständigung geworden sei, durch ein von staatlicher Seite erteiltes Mono-
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pol werde ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs kein Verständnis
aufbringen und dies als anstößig empfinden. Die Eintragung möglicherweise ähn-
licher Marken verschaffe kein Recht auf Eintragung.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelder. Sie berufen sich im wesent-
lichen auf ihr Vorbringen vor der Markenstelle. Dort haben sie ausgeführt, daß die
angemeldete abgewandelte Form der Titelbezeichnung des religiösen Oberhaup-
tes der Tibeter anders zu beurteilen sei als die Titelbezeichnung selbst. Bei Dalai-
Lama handle es sich lediglich um den Titel einer natürlichen Person, der ebenso
eintragungsfähig sei wie die Titel "Bischof, Kardinal, König, Kaiser" oder "Fürst".
Die Eintragung dürfe nur verweigert werden, wenn sie von einem beachtlichen Teil
der beteiligten Verkehrskreise als eine grobe Geschmacksverletzung empfunden
werde. Es sei aber nicht davon auszugehen, daß sich ein beachtlicher Teil der
deutschen Bevölkerung zu den Tibetern bekenne. Auch die Ausführungen der
deutschen Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen seien insofern zu
unbestimmt und nicht mit Zahlen belegt. Es sei nicht ersichtlich, daß die Eintra-
gung der Wortneuschöpfung das selbstverständliche Gebot der Tolerierung und
Achtung fremder Religionen verletze. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe
die von den Anmeldern ebenfalls angemeldete Bezeichnung "Mutter Teresa" letzt-
lich für eintragungsfähig erachtet. Nach Ansicht der Anmelder bestehe zwischen
den Titeln "Mutter Teresa" und "Dalai-Lama" kein Unterschied, weshalb auch die
Marke "Dalailama" eintragungsfähig sei. Zudem werde auf weitere Eintragungen
religiöser Marken wie "Hildegard von Bingen" und "Pfarrer Kneipp" hingewiesen.
Zu berücksichtigen seien außerdem die geänderten religiösen Verhältnisse in
Deutschland, insbesondere daß die Religiosität stark eingebüßt habe. So
empfinde es der Verkehr heute generell nicht mehr als anstößig, wenn eine Per-
son des öffentlichen Lebens ihren Namen zu Werbezwecken zur Verfügung stelle,
jedenfalls soweit dies in Verbindung mit Waren geschehe, die einem eher neutra-
len Bereich zugeordnet würden und der Verkehr darin keine Herabwürdigung der
Person sehe.
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Die Anmelder beantragen,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung
des Senates ist die Eintragung der angemeldeten Marke wegen Verstoßes gegen
die guten Sitten iSv § 8 Abs 2 Nr 5 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.
Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht nach § 37 Abs 1 MarkenG
zurückgewiesen.
Gegen die guten Sitten verstoßen ua Marken, die geeignet sind, das Empfinden
eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen, indem sie re-
ligiös anstößig wirken (vgl BGH GRUR 1964, 136, 137 "Schweizer"). Dies ist hier
der Fall.
Der "Dalai-Lama" (mongolisch/tibetisch = "Ozean des gelehrten Wissens") ist –
neben dem "Pantschen-Lama" - der höchste geistliche Würdenträger des La-
maismus, des tibetischen Buddhismus. Der Dalai-Lama stellt seit dem
16. Jahrhundert das religiöse und politische Oberhaupt Tibets dar. Er gilt im La-
maismus als die Inkarnation des Bodhisattwa Awalokiteshwara, einem - göttlichen
- Erleuchtungswesen auf dem Weg zur Buddhaschaft, welches als die Personifi-
zierung des Mitgefühls gilt. Im Hinblick darauf, daß - nach lamaistischem Glauben
- der Dalai-Lama die Inkarnation einer Gottheit darstellt, geht der Begriff "Dalai-
Lama" daher in seiner Bedeutung über die eines bloßen Titels für einen hohen
bzw den höchsten geistlichen Würdenträger einer Religionsgemeinschaft hinaus
und beinhaltet, worauf die Markenstelle zutreffend hingewiesen hat, auch einen
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abstrakten religiösen Aspekt. Insofern kann er in seiner religiösen Bedeutung nicht
mit den von den Anmeldern angeführten bloßen Titeln geistlicher und/oder weltli-
cher Oberhäupter (zB Bischof, Kardinal, König, Fürst etc) gleichgesetzt werden.
Die Bedeutung, die der Dalai-Lama für das tibetische Volk sowohl in politischer
wie auch in religiöser Hinsicht besitzt, ist im Inland breiten Verkehrskreisen, wenn-
gleich nicht in allen Einzelheiten, so doch in den wesentlichen Grundzügen durch
die Person des gegenwärtigen 14. Dalai-Lama, Tenzin Gyatso, bekannt, der welt-
weit als einer der bedeutenden religiösen Repräsentanten der Gegenwart gilt. Auf
internationaler Ebene setzt sich der Dalai-Lama für Toleranz zwischen den Religi-
onen und Völkern und die Wahrnehmung der globalen Verantwortung der
Menschheit ein. Ua für seine Bemühungen, auf friedlichem Weg einen Ausgleich
in der tibetischen Frage zu erlangen, erhielt er 1989 den Friedensnobelpreis. Der
Dalai-Lama ist der deutschen Bevölkerung außerdem aus zahlreichen Berichten in
den Medien (Presse, Rundfunk und Fernsehen) sowie aus von ihm und über ihn
erschienenen Büchern, nicht zuletzt aus dem populären Buch von Heinrich Harrer
"Sieben Jahre in Tibet" sowie aus dem gleichnamigen, 1997 von dem Regisseur
Jean-Jacques Annaud gedrehten Film bekannt.
Vor dem Hintergrund der dargelegten Bedeutung des Dalai-Lama, insbesondere
auch in religiöser Hinsicht, ist davon auszugehen, daß die Verwendung dieser Be-
zeichnung als Marke im Geschäftsverkehr, dh als kommerzielle Produkt- oder
Dienstleistungskennzeichnung, sowie die Gewährung eines ausschließlichen
Schutzrechtes hieran durch die von staatlicher Seite erfolgende Registrierung, den
religiösen oder ethischen Wertvorstellungen beachtlicher Teile des angesproche-
nen inländischen Publikums widerspricht und als anstößig empfunden wird. Dies
trifft nicht nur für die - sicherlich in Deutschland eine Minderheit bildenden - gläu-
bigen Lamaisten zu, bei denen es sich wohl in erster Linie um im Exil lebende Ti-
beter sowie eine gewisse Zahl sonstiger Anhänger dieser buddhistischen Glau-
bensrichtung handelt, sondern ebenso für eine erhebliche Zahl der in Deutschland
überwiegend lebenden katholischen und evangelischen Christen sowie für Anhän-
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ger anderer Religionsgemeinschaften und für konfessionslose Mitbürger. Trotz der
zu beobachtenden generellen Tendenz zur Lockerung religiöser Bindungen ist die
Tolerierung und Achtung fremder Religionen nach wie vor ein selbstverständliches
Gebot und eine Grundvoraussetzung für das gedeihliche Zusammenleben in einer
pluralistischen Gesellschaft und gehört mit zu ihren tragenden ethischen Grund-
werten (vgl auch BPatGE 28, 41, 43 "CORAN"). Das gilt auch für die Respektie-
rung des religiösen Empfindens von Minderheiten (vgl dazu auch Eidgen. Rekurs-
kommission für geist. Eigentum sic! 2001, 31, 33 "Siddhartha"). Gerade weil der
derzeitige Dalai-Lama durch sein beständiges Wirken für die Verständigung zwi-
schen den Religionen und für Menschlichkeit die Glaubensinhalte und religiösen
Werte des buddhistischen Lamaismus auch der anders- oder nichtgläubigen Be-
völkerung in Deutschland ebenso wie den Menschen in vielen anderen Ländern
der Welt nahegebracht hat, werden beachtliche Verkehrskreise in Deutschland
den Einsatz der Bezeichnung des religiösen Oberhauptes der Tibeter als Marke
für rein kommerzielle Zwecke als religiös bzw ethisch anstößig empfinden. In die-
sem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß im gesamten Markenrecht auf
die Sicht der "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher" (vgl EuGH GRUR Int. 1998, 795, 797 "Gut Springen-
heide"), nicht der flüchtigen und völlig uninformierten Abnehmer abzustellen ist.
Da sich die Anstößigkeit schon grundsätzlich aus dem - kommerziellen - Einsatz
der Bezeichnung als Marke ergibt, ist ein Sittenverstoß unabhängig davon anzu-
nehmen, ob die Marke in bezug auf einzelne beanspruchte Waren und Dienst-
leistungen, zB Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren oder Erlebnis- und Ak-
tionsgastronomie, zudem im Hinblick auf die Person des Dalai-Lama als herab-
würdigend und auch insofern als anstößig empfunden wird, oder ob es sich um
wertneutrale Produkte handelt.
Ferner ist der Dalai-Lama als gegenwärtiges religiöses Oberhaupt der lamaisti-
schen Tibeter nicht Heiligen gleichzusetzen, deren Namen und Abbildungen tradi-
tionsgemäß in bestimmten Produktbereichen zu gewerblichen Zwecken verwendet
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werden, abgesehen davon, daß sich eine entsprechende Tradition, die Titel oder
Gottheiten anderer Religionen zur Produktkennzeichnung zu verwenden, nicht
feststellen läßt.
Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich nicht aus dem Umstand, daß nicht
die in der deutschen Sprache eingebürgerte Schreibweise "Dalai-Lama" bzw zum
Teil auch "Dalai Lama", sondern die hiervon orthographisch leicht abgewandelte
zusammengeschriebene Wiedergabe "Dalailama" angemeldet ist. Im Hinblick auf
die sonst identische Schreibweise sowie die Klangübereinstimmung wird das an-
gesprochene Publikum das Markenwort nämlich ohne weiteres mit dem Begriff
"Dalai-Lama" gleichsetzen, entweder weil sich die inländischen Verkehrsteilneh-
mer über die korrekte Schreibweise des aus dem Tibetischen und Mongolischen
stammenden Wortes häufig nicht sicher sein, sie die Abweichung gar nicht bemer-
ken oder sie darin eine zusätzlich mögliche -richtige - Schreibweise des Begriffes
sehen werden. Hierbei ist auch der Unterschied zwischen beschreibenden und
sittenwidrigen Bezeichnungen zu berücksichtigen. Während Abwandlungen be-
schreibender Angaben (iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) möglicherweise mit der Be-
gründung als Marken eingetragen werden können, durch entsprechende Ein-
schränkungen des Schutzbereichs sei eine ungerechtfertigte Monopolisierung der
Sachangaben selbst zu verhindern, bleibt diese Erwägung bei anstößigen Be-
zeichnungen iSv § 8 Abs 2 Nr 5 MarkenG unbehelflich. Vielmehr kommt es in die-
sem Zusammenhang ausschließlich darauf an, ob die angesprochenen Verkehrs-
kreise durch die abgewandelte Form ebenso wie durch die konkrete Schreibweise
in ihrem religiösen Empfinden beeinträchtigt werden. Das ist im vorliegenden Fall
zu bejahen, weil auch durch die angemeldete Form "Dalailama" die Identifizierung
des religiösen Oberhaupts der Tibeter unberührt bleibt.
Soweit sich die Anmelder auf die Eintragung ihrer Meinung nach vergleichbarer
religiöser Begriffe, wie "Hildegard von Bingen", "Pfarrer Kneipp" und insbesondere
ihre im Erinnerungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt für ein-
tragungsfähig erachtete Marke "Mutter Teresa" berufen, läßt sich hieraus auch
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unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 GG) kein
Eintragungsanspruch herleiten. Wie bereits die Markenstelle zutreffend festgestellt
hat, handelt es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht
um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung (vgl ua BGH
GRUR 1997, 527, 529 "Autofelge"; BlfPMZ 1998, 248, 249 "Today"). Weiter muß
die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des
Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, das besagt, daß
sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen be-
rufen kann (vgl EuG MarkenR 2002, 260, 266 "SAT.2"). Im übrigen sind die Unter-
schiede zwischen den genannten, jeweils konkrete Personen betreffenden Marken
und der allgemeinen Bezeichnung des Oberhaupts einer Religionsgemeinschaft
unverkennbar, die durchaus eine andere markenrechtliche Beurteilung verlangt.
Ströbele Guth
Kirschneck
Bb