Urteil des BPatG vom 13.10.2004

BPatG: form der ware, verbraucher, dreidimensionale marke, unterscheidungskraft, kennzeichnung, warenform, verkehr, produkt, verpackung, gestaltung

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 56/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 303 55 381.2
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
13. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Stoppel, den Richter Paetzold
und die Richterin Schwarz-Angele
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die nachfolgend wiedergegebene, als dreidimensionale Marke angemeldete
Darstellung
soll für die Ware „Fischfutter“ in das Markenregister eingetragen werden.
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Die Markenstelle für Klasse 31 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung mit
der Begründung zurückgewiesen, die Marke besitze keinerlei Unterscheidungs-
kraft. Fischfutter werde zwar in der Regel in Form von Flocken, Tabletten, Granu-
lat, Chips usw angeboten, es müsse aber, soweit damit kleine Zierfische ernährt
werden sollen, von Natur aus sehr klein sein. Infolgedessen sei er für den
Verbraucher fast unmöglich eine bestimmte Warenform zu erkennen. Schon des-
halb erfolge in diesem Warenbereich die betriebliche Zuordnung nicht über die
Form der Ware, sondern einzig über die Kennzeichnung auf der Verpackung.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass
Fischfutter bisher gerade nicht in figürlichen Formen angeboten worden sei, diese
neue Produktform dem Verbraucher daher auffalle und sie deshalb auch als
Kennzeichen wirke. Die Anmelderin legt das Originalprodukt vor, das kleine, etwa
drei bis vier Millimeter große, herzförmige Körnchen zeigt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn der angemeldeten Dar-
stellung fehlt jegliche Unterscheidungskraft; sie ist daher nach § 8 Abs 2 Nr 1 Mar-
kenG von der Eintragung in das Markenregister ausgeschlossen.
Soll die Form einer Ware oder deren Verpackung den inhaltlich und insbesondere
zeitlich weitreichenden Schutz als Marke erhalten, so bedarf es umfassender
Feststellungen über die konkreten Marktgewohnheiten auf dem betreffenden
Warengebiet. Denn anders als bei der Wortmarke, die schon ihrer Natur nach von
der Ware unabhängig und an deren kennzeichnenden Gebrauch der Verkehr seit
langen gewöhnt ist, nimmt der Durchschnittsverbraucher die Warenform oder
deren Verpackung nicht notwendig in der gleichen Weise als Identifikation des
Produktes an (EuGH, WRP 2004, 475 - Henkel). Diese fehlende Gewöhnung des
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Verkehr an den kennzeichnenden Einsatz auch von Warenformen kann durch
Produktgestaltungen überwunden werden, die von der Branchenüblichkeit derart
erheblich abweichen, dass sie dem Verbraucher auffallen und er deshalb bereit
und in der Lage ist, aus dieser Form auch ohne Wort- oder Grafikelemente auf die
Herkunft der Waren zu schließen. Bewegt sich die Form aber im Rahmen des
Marktüblichen und bestehen zudem keine Anhaltpunkte dafür, dass der Verbrau-
cher gerade in dieser Branche die Warenform beachtet, weil sie nämlich auch als
Kennzeichnung eingesetzt wird, so wäre er erst nach einer analysierenden und
vergleichender Betrachtung in der Lage, sein Produkt an Hand der Form zu indivi-
dualisieren. Das aber reicht für die Bejahung einer originären Unterscheidungs-
kraft nicht aus (vgl EuGH aa, RdNr 53).
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, liegen im vorliegenden Fall die
notwendigen geringen Voraussetzungen für die Unterscheidungskraft nicht vor.
Fischfutter, das sich nicht ohnehin bei der Berührung mit Wasser auflöst, muss
klein sein, damit es von kleinen Zierfischen auch gefressen werden kann. Üblich
sind Kügelchen, kleine Sticks, Tabletten, Granulat udgl; die von der Anmelderin
angebotene Herzform ist neu, zumindest gibt es insoweit keine entgegenstehen-
den Feststellungen. Dies allein genügt aber noch nicht für die Zuerkennung von
Unterscheidungskraft. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Verbraucher auch
bereit ist, die Herzchen-Form als Kennzeichnung der Ware Fischfutter zu akzep-
tieren, sei es weil eine derartige Form überaus ungewöhnlich ist, sei es, weil eine
entsprechenden Marktgepflogenheit existiert. Gegen eine die Unterscheidungs-
kraft begründende erhebliche Abweichung von der branchenüblichen Form
spricht, dass die Herzchen-Form mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar ist. Das
nur wenige Millimeter große Produkt gleicht eher einem Kügelchen und stellt sich
erst nach genauer Betrachtung als kleines Herz dar. Der Durchschnitts-
verbraucher wendet in der Regel keine derartige Sorgfalt auf, wenn er das von ihm
gewünschte Produkt an Hand seiner Form erkennen und wiedererkennen will.
Hinzukommt, dass die figürliche Gestaltung von Tierfutter weitverbreitet ist. Bei
Hunde- und Katzennahrung gibt es Kringel, Herzchen, Fischchen, Sternchen,
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Printen, Kügelchen und vieles andere mehr. Auch wenn bei Fischfutter diese
Formenvielfalt noch nicht anzutreffen ist, so zeigt dies doch, dass der Verbrau-
cher bei Tierfutter an allerlei Formen gewöhnt ist, die „Ausweitung“ einer bisher zB
bei Katzennahrung gebräuchlichen Herzchenform auf den Bereich Fischfutter für
ihn also nichts besonders eigentümliches oder ungewöhnliches darstellt. Zu-
mindest nicht in dem Ausmaß, dass er allein aufgrund dieser – noch dazu kaum
wahrnehmbaren - Form bereit wäre, eine solche Form als Kennzeichnung zu
akzeptieren. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass bei Fischfutter allge-
mein die Produktform als Kennzeichnung eine Rolle spielt und der Verbraucher
deshalb darauf achten würde. Die Anmelderin hat hierzu nichts vorgetragen, das
Gericht hat insoweit ebenfalls keine Erkenntnisse. Es spricht im Gegenteil alles
dafür, dass der Verbraucher, wie im sonstigen Tierfutterbereich auch, die Waren-
form als bloße willkürliche und ästhetische Ausgestaltung des jeweiligen Produkts
hinnimmt, ohne sich über eine darüber hinaus gehende gewünschte kennzeich-
nende Funktion Gedanken zu machen. Denn gerade auf dem fraglichen Waren-
sektor werden Kaufanreize auch über die gefällige Gestaltung der Produkte ge-
macht, nur insoweit nimmt der Verbraucher eine ihm bisher unbekannte Form
wahr, nicht als Form, anhand derer er die Herkunft der Ware bestimmen soll.
Aufgrund dieser tatsächlichen wie rechtlichen Umstände muß im Ergebnis davon
ausgegangen werden, daß der Verkehr der Formgebung der beanspruchten Wa-
ren und der gewählten Darstellungsform grundsätzlich nicht die Bedeutung als
betrieblicher Herkunftshinweis beimißt, sondern diese nur als Teil der Ware bzw.
als die Ware selbst ansieht. Markenrechtlich bedeutet diese Feststellung, daß der
angemeldeten Darstellung zumindest in Bezug auf die versagten Waren jegliche
Unterscheidungskraft fehlt und die Beschwerde ohne Erfolg ist.
Stoppel Paetzold
Schwarz-Angele
Wf