Urteil des BPatG vom 08.05.2000

BPatG: dreidimensionale marke, ware, gestaltung, unterscheidungskraft, teilung, form, zitat, gesamteindruck, substanzverlust, bestätigung

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 223/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 35 364.6
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 8.
Mai
2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Buchetmann sowie des Richters Sommer und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152
6.70
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G r ü n d e
I.
Zur Eintragung als dreidimensionale Marke für
"Arzneimittel"
angemeldet ist die nachfolgend in kleinerem Maßstab wiedergegebene als dreidi-
mensionale Marke beanspruchte Darstellung
siehe Abb. 1 am Ende
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung in
zwei Beschlüssen, einem davon im Erinnerungsverfahren, wegen fehlender Un-
terscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen, da die Marke
nur die Form der beanspruchten Ware darstelle und die dreidimensionale Gestal-
tung der Tablette keine auf diesem Warengebiet ungebräuchlichen Gestaltungs-
merkmale aufweise.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Beschwerde trägt die Anmelderin vor,
die angemeldete dreidimensionale Marke weise entgegen der von der Marken
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stelle vertretenen Auffassung durch den Anklang an das Firmensymbol der An-
melderin, den "STADA-Bogen", und durch die besondere Ausgestaltung der Ein-
kerbung im oberen Bereich der Tablette ungebräuchliche Gestaltungsmerkmale
auf. Die Schutzfähigkeit von Tablettendarstellungen ergebe sich auch aus der
Voreintragung vergleichbarer Anmeldungen.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Anmel-
dezeichen antragsgemäß einzutragen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung und denjenigen der
beigezogenen Amtsakte verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angemeldete Marke ist
zu Recht gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft
zurückgewiesen worden.
Unterscheidungskraft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die
einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-
dungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen
anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem
großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterschei-
dungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (s
BGH
MarkenR 1999, 349 - YES). Erschöpft sich dagegen die Marke in der Abbildung
der Ware selbst, so wird auch bei der Anlegung des großzügigen Prüfungsmaß-
stabs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im allgemeinen die erfor-
derliche Unterscheidungskraft fehlen (BGH BlPMZ 1999, 187 - Etiketten; BlPMZ
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1997, 318 ff - Autofelge sowie BlPMZ 1996, 182 ff - Füllkörper und BlPMZ 1985,
219 f - BMW-Niere). Die naturgetreue wenn auch nicht fotografisch genaue oder
maßstabgerechte Wiedergabe der im Warenverzeichnis genannten Ware ist nicht
geeignet, die Ware ihrer Herkunft nach zu individualisieren; die bloße Abbildung
der Ware - auf der Ware angebracht - ermöglicht nicht deren Zuordnung zu einem
bestimmten Geschäftsbetrieb (BGH, aaO - Füllkörper, S 184 rechts). Entspre-
chendes gilt für die Ware selbst in ihrer dreidimensionalen Form, wie sie vorlie-
gend als Marke beansprucht wird.
Die als Marke angemeldete Tablette weist keine gestalterischen Merkmale auf, die
diese Tablette von der Gestaltung üblicher Tabletten dergestalt abheben würden,
daß sie aufgrund der Besonderheit ihrer Formgebung geeignet wäre, als be-
triebskennzeichnender Herkunftshinweis im Sinne einer Marke zu fungieren. Eine
Tablette mit einem flachen kreiszylindrischen Grundkörper und konvexen Anwöl-
bungen über der unteren und oberen Zylinderkreisfläche gehört zu den wichtigsten
Tablettengrundformen (vgl
Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 8.
Aufl,
Stichw "Compressi"). Entsprechendes gilt für die Einkerbung einer solchen Ta-
blette mit einer Bruchrille (Hunnius, aaO), die es ermöglicht, die Tablette hälftig zu
brechen und auf diese Weise die Gesamtdosierung zu halbieren.
Entgegen der von der Anmelderin vertretenen Auffassung weist die angemeldete
Tablette über diese gängige Gestaltung hinaus keine Merkmale auf, die ihre Ein-
tragung als Marke rechtfertigen könnten.
Der Vortrag der Anmelderin, die angemeldete Tablette habe durch den Anklang an
den STADA-Bogen (das Firmensymbol der Anmelderin) eine kennzeichnende
Gestaltung erfahren, findet in der mit der Anmeldung eingereichten Darstellung
der Tablette keine Bestätigung und vermag schon aus diesem Grunde nicht die
Schutzfähigkeit der Marke zu begründen. Die eingereichte Darstellung der Tablet-
te läßt keinen Bogen erkennen, der wie der STADA-Bogen im mittleren (oberen)
Bereich aus einem nach Art eines Streifens verbreiterten "Strich" besteht, der sich
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nach beiden Seiten bis zum auslaufenden Ende hin kontinuierlich verjüngt. Dar-
über hinaus läßt die der Anmeldung beigefügte Darstellung der Tablette keinen
Bogen erkennen, der in der Dimensionierung bzw Krümmung dem auf dem Brief-
kopf der Anmelderin enthaltenen STADA-Bogen entsprechen würde. Dieser weist
auf eine Spannweite von zirka 45 mm eine Höhe von knapp 5 mm auf, wogegen
alle auf der Darstellung der Tablette gezeigten vergleichbaren Bögen stärker ge-
krümmt und damit erkennbar einem entsprechend größeren Kreissegment zuzu-
ordnen sind. Die konvexe Wölbung der Tablette weist bei einem Durchmesser
derselben von knapp 60 mm eine Höhe von mehr als 10 mm auf. Der obere Rand
der Kerbe in dem konvex gewölbten oberen Teil der Tablette bildet in der Drauf-
sicht einen Bogen mit einer Spannweite von knapp 60 mm und einer Höhe von
zirka 8 mm. Da bei der Einkerbung einer konvex gewölbten Tablette zwangsläufig
ein bogenförmiger Kerbenrand entsteht, ist dieser in erster Linie funktional (tech-
nisch) bedingt und wird auch aus diesem Grund kaum als ein bewußtes "Zitat" des
Firmenlogos realisiert werden, zumal dessen Schutzfähigkeit mindestens
zweifelhaft ist.
Auch das weitere von der Anmelderin hervorgehobene Merkmal der stärkeren Öff-
nung der oberen Einkerbung der Tablette im Bereich der Aufwölbung kann nicht
als derart auffallend oder ungewöhnlich angesehen werden, um als betriebs-
kennzeichnender Herkunftshinweis zu dienen. Die obere und untere Einkerbung
der Tablette soll erkennbar eine hälftige Teilung ermöglichen. Beide Kerben liegen
übereinstimmend in einer durch die gedachte senkrechte Mittelachse des
Kreiszylinders bzw der Tablette verlaufenden senkrechten Ebene. Die untere Ein-
kerbung folgt in gleichbleibend geringer Tiefe der konvexen Wölbung des "Tablet-
tenbodens" und greift nicht in den (durch eine gedachte untere waagerechte
Kreisfläche begrenzten) zylindrischen Teil der Tablette ein. Die obere Kerbe hin-
gegen spaltet nicht nur die obere konvexe Wölbung der Tablette, sondern dringt
darüber hinaus in gleichbleibender Tiefe von etwa einem Drittel der Höhe des zy-
lindrischen Teils in diesen ein. Das von der Anmelderin als ungebräuchlich be-
zeichnete Merkmal der oberen Kerbe besteht in deren Aufweitung (bzw Abfla-
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chung) im Bereich des konvex gewölbten oberen Teils der Tablette, beginnend in
der gedachten oberen waagerechten Kreisfläche des zylindrischen Teils. Dabei
vergrößert sich der Öffnungswinkel der Kerbe nach Angabe der Anmelderin von
100° im zylindrischen Teil auf 130° in dem darüber befindlichen aufgewölbten Teil.
Bei der Einkerbung einer Tablette zum Zweck einer hälftigen Teilung sind ver-
schiedene Vorgaben zu berücksichtigen. Die Tiefe der Einkerbung steht in Wech-
selbeziehung zur Konsistenz bzw Festigkeit der Tablette. Je fester die Tablette ist,
desto ausgeprägter muß die Einkerbung sein. Dabei führt eine tiefe und breite
Kerbe zwangsläufig zu einer Vergrößerung der Tablette, da die im Bereich der
Kerbe fehlende Arzneimittelsubstanz an anderer Stelle ausgeglichen werden muß.
Soll bei dem Einkerben einer Tablette einerseits ein möglichst geringer Sub-
stanzverlust entstehen, andererseits eine ausreichende Öffnung der Kerbe das
Eindringen in diese mit mehr oder weniger spitzen bzw stumpfen Mitteln (z. B. den
Daumen"spitzen") ermöglichen, so bietet sich die Abstufung des Öffnungswinkels
der Kerbe als praktischer Kompromiß geradezu an. Denn bei einer vergleichs-
weise engeren Einkerbung im zylindrischen Teil der Tablette tritt ein vergleichs-
weise geringerer Substanz"verlust" ein als bei der Aufweitung der Kerbe erst in
dem oberhalb des zylindrischen Teils befindlichen aufgewölbten Teil. Die abge-
stufte Öffnung der Kerbe ist demnach in erster Linie funktional bzw technisch be-
dingt; sie erleichtert die Teilung der Tablette und wird von den angesprochenen
allgemeinen Verkehrskreisen nicht als eine besondere und ungewöhnliche Ge-
staltung der Tablette angesehen.
Insgesamt bewegt sich daher die angemeldete Tablette ihrem Gesamteindruck
nach im Rahmen der für eine Tablette üblichen und zweckmäßigen Gestaltung.
Sie ist daher nicht geeignet, darüber hinaus die erforderliche betriebskennzeich-
nende Individualisierung zu ermöglichen, wie es für ihre Eintragung als Marke
unerläßlich wäre. Soweit die Anmelderin auf die Voreintragung vergleichbarer Ta-
blettendarstellungen hinweist, kann daraus schon aufgrund der Pauschalität des
Vortrags kein Rückschluß auf die vorliegende Anmeldung erfolgen. Unabhängig
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davon hätte selbst eine identische Voreintragung unter keinen in Betracht kom-
menden rechtlichen Gesichtspunkt eine wie auch immer geartete bindende Wir-
kung für die vorliegende Entscheidung (s. zB BPatGE 32, 5/9 f - CREATION
GROSS mwNachw).
Die Beschwerde der Anmelderin hat daher keinen Erfolg (vgl. auch BPatG,
BlPMZ 2000, 194).
Dr. Buchetmann
Sommer
Schwarz-Angele
Ko
Abb. 1