Urteil des BPatG vom 24.08.2006

BPatG: verwechslungsgefahr, gesamteindruck, kennzeichnungskraft, krankenpflege, bestandteil, beratung, medizinische betreuung, kur, form, bildmarke

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 71/04
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend die Marke 399 66 611
hat der 25. Senat (Markenbeschwerde-Senat) des Bundespatentgerichts unter
Mitwirkung …
am 24. August 2006
beschlossen:
Die Beschwerden der Widersprechenden 1 und des Inhabers der
angegriffenen Marke werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Marke
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ist am 5. September 2000 unter der Nummer 399 66 611 für die Dienstleistungen
„Durchführung von Dienstleistungen in der häuslichen Krankenpflege, insbeson-
dere Ernährungstherapie, Schmerzplanaufstellung, Ernährungsplanaufstellung,
Infusionen zu Hause; Beratung onkologisch erkrankter Patienten; telefonische
Vermittlung von Krankenpflegedienstleistungen“
in das Markenregister eingetragen worden. Die Registrierung ist am
5. Oktober 2000 veröffentlicht worden.
Hiergegen haben die Inhaberin der älteren Marke 396 47 378
die seit dem 31. Oktober 1997 für
„Krankenpflege, Altenpflege, Familienpflege, Rehabilitation und ärztliche Dienste;
Kinderbetreuung, betreutes Wohnen, Kranken- und Behindertenbeförderung,
Betrieb einer Telefonnotrufzentrale; mobile Verpflegung außer Haus;
Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen, Betreiben von Pflege-,
Gesundheits-, Ärzte-, Reha- und Fortbildungszentren; Veranstaltung von Reisen
für Behinderte und Senioren; kosmetische Pflege; Beratung bezüglich der
vorgenannten Dienstleistungen“ geschützt ist,
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und die Inhaberin der älteren Marke 2 103 438
die seit dem 22. April 1997 als Verbandsmarke für die Dienstleistungen
„Transport von Kranken mit Kraftfahrzeugen; Rettung von Personen bei
Notfalleinsätzen, auch unter Mitwirkung von Ärzten, Katastrophenschutz, soziale
Dienste“ eingetragen ist,
jeweils Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 42 hat mit Beschluss vom 17. September 2002 den
Widerspruch aus der Marke 396 47 378 und den Widerspruch aus der Marke
2 103 408 zurückgewiesen.
Im Hinblick auf die Widerspruchsmarke I 396 47 378 bestehe eine hochgradige
Ähnlichkeit bis Identität zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke
„Durchführung von Dienstleistungen in der häuslichen Krankenpflege; Beratung
onkologisch erkrankter Patienten; telefonische Vermittlung von Krankenpflege-
dienstleistungen“ und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke I „Ambulante,
stationäre und teilstationäre Krankenpflege; Betrieb einer Telefonnotrufzentrale;
Beratung bezüglich der vorgenannten Dienstleistungen“.
Dennoch sei der erforderliche Abstand zwischen diesen Marken eingehalten. Aus-
gehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke I seien insbesondere die klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede
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zwischen den beiden Marken deutlich genug, um Verwechslungen im rechtserheb-
lichen Umfang zu vermeiden.
Sowohl der Bestandteil „CURA“ (lateinisch für „Sorge, Sorgfalt“, allgemein für „Kur,
Behandlung“) als auch „Krankenpflegedienst“ in der angegriffenen Marke seien
rein beschreibende Begriffe, denen daher eine den Gesamteindruck der jüngeren
Marke prägende und deshalb selbständig kollisionsbegründende Bedeutung ab-
zusprechen sei. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke sei daher gleich-
gewichtig von allen Markenteilen geprägt.
Bei der Widerspruchsmarke I sei ebenfalls der Gesamteindruck gleichgewichtig
von allen Markenteilen geprägt, da der beschreibende Bestandteil „CURA“ nicht
für sich allein den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke I präge.
Es stünden sich somit die Wort/Bildmarke „CURA Krankenpflegedienst“ der ange-
griffenen Marke und die Wort/Bildmarke „CURA“ der Widerspruchsmarke I gegen-
über. Die beiden Marken seien klanglich völlig unterschiedlich, so dass eine klang-
liche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei. Ebenfalls wichen die beiden Mar-
ken schriftbildlich durch den Begriff „Krankenpflegedienst“ in der angegriffenen
Marke und durch die jeweilige graphische Ausgestaltung deutlich voneinander ab,
so dass eine Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht ausgeschlossen sei.
Verwechslungen aus sonstigen Gründen seien ebenfalls nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf den Widerspruch aus der Widerspruchsmarke II 2 103 438 sei die
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als durchschnittlich einzustufen.
Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke „Durchführung von Dienstleistungen
in der häuslichen Krankenpflege; Beratung onkologisch erkrankter Patienten; te-
lefonische Vermittlung von Krankenpflegedienstleistungen“ seien ähnlich zu den
Dienstleistungen der Widerspruchsmarke II „Rettung von Personen bei Notfall-
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einsätzen, auch unter Mitwirkung von Ärzten, Katastrophenschutz, soziale
Dienste“. Die klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede zwischen den beiden
Marken seien jedoch deutlich genug, um Verwechslungen zu vermeiden. Insbe-
sondere scheide eine klangliche Verwechslung von vornherein aus. Schriftbildlich
seien sich die beiden Marken zwar in der Abbildung des Äskulapstabes auf einem
Stern hochgradig ähnlich, unterschieden sich aber deutlich durch die Begriffe
„CURA Krankenpflegedienst“ in der angegriffenen Marke. Da die angegriffene
Marke von allen Bestandteilen gleichwertig geprägt sei, sei eine schriftbildliche
Verwechslungsgefahr ausgeschlossen. Ebenso sei eine Verwechslung aus sons-
tigen Gründen nicht ersichtlich.
Gegen diesen Beschluss haben die Widersprechende I und die Widerspre-
chende
II jeweils Erinnerung eingelegt. Mit Beschluss der Markenstelle für
Klasse 42 vom 19. Februar 2004 wurde die Erinnerung der Widersprechenden I
aus der Marke 396 47 378 zurückgewiesen; auf die Erinnerung der Widerspre-
chenden aus der Marke 2 103 438 hat die Markenstelle den Beschluss vom
17. September 2002 in der Ziffer 2 aufgehoben und die Löschung der Eintragung
der angegriffenen Marke 399 66 611 angeordnet.
1.
Die Gefahr von Verwechslungen zwischen der angegriffenen Marke und der
Widerspruchsmarke I 396 47 378 sei zu Recht verneint worden.
Die Marken seien teilweise zur Kennzeichnung identischer oder nahe stehender
Dienstleistungen bestimmt, so dass aufgrund der Wechselwirkung ein beachtlicher
Abstand der Marken erforderlich wäre, um die Gefahr von Verwechslungen zu
vermeiden.
Die angegriffene Marke hielte unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke I dennoch den erforderlichen Ab-
stand ein. Insbesondere unterschieden sich die Vergleichsmarken aufgrund ihrer
abweichenden graphischen Ausgestaltung sowie aufgrund des zusätzlichen Wort-
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bestandteils „Krankenpflegedienst“ in der angegriffenen Marke in schriftbildlicher
Hinsicht bereits ausreichend voneinander. Ebenfalls seien die Vergleichsmarken
in begrifflicher Hinsicht ausreichend unterschiedlich.
Auch eine klangliche Ähnlichkeit bestehe nicht. Insbesondere sei eine Prägung
der angegriffenen Marke und auch der Widerspruchsmarke I in klanglicher Hin-
sicht durch den Bestandteil „CURA“ nicht gegeben, da diesem Bestandteil auf-
grund seines beschreibenden Gehalts im Sinne von „Pflege, Fürsorge“ für die vor-
liegenden Dienstleistungen aus dem klassischen Bereich der Krankenpflege keine
Kennzeichnungskraft zukomme. Zwar existiere der Erfahrungssatz, dass bei Zu-
sammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen in der Regel dem Wort, als ein-
fachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung beigemessen
wird. Dieser greife jedoch nicht, wenn aufgrund der Schwäche des Wortbestand-
teils diese nicht als kennzeichnend wahrgenommen würden. In der Kennzeich-
nungskraft verminderte und schutzunfähige Zeichenelemente seien nicht geeignet,
den Gesamteindruck einer Marke zu prägen. Die angegriffene Marke werde daher
nicht durch den Wortbestandteil „CURA“ geprägt, auch wenn das weitere Element
„Krankenpflegedienst“ als kennzeichnungsschwach einzustufen sei.
Auch die Widerspruchsmarke I erlange ihre schutzbegründende Eigenart vorlie-
gend lediglich durch die Kombination ihrer Bestandteile, d. h. der speziellen gra-
phischen Ausgestaltung in der Form eines angedeuteten Hausumrisses als Um-
randung und einer rotfarbigen Kugel, die den Buchstaben „C“ ausfüllt. Aus dem
Wortbestandteil „CURA“ allein könnten daher keine Rechte hergeleitet werden.
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass die Marken gedanklich
miteinander in Verbindung gebracht würden, sei nicht anzunehmen, da kenn-
zeichnungsschwachen Markenbestandteilen prinzipiell die Eigenschaft fehle, ge-
meinsamer Bestandteil einer Markenserie sein zu können.
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2.
Verwechslungsgefahr bestehe jedoch zwischen der angegriffenen Marke
und der Widerspruchsmarke II 2 103 438 , so dass der Erstprüferbeschluss inso-
weit aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen sei
(§§ 42 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).
Die Vergleichsmarken seien vorliegend zur Kennzeichnung von in einem nahen
Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen bestimmt. Hinsichtlich der durch
die angegriffene Marke gekennzeichneten Dienstleistungen „Durchführung von
Dienstleistungen in der häuslichen Krankenpflege, insbesondere Ernährungsthe-
rapie, Schmerzplanaufstellung, Ernährungsplanaufstellung, Infusionen zu Hause,
Beratung onkologisch erkrankter Patienten“ und den durch die Widerspruchs-
marke II gekennzeichneten „sozialen Diensten“ sei eine engste Ähnlichkeit anzu-
nehmen. Der Bereich der sozialen Dienste erstrecke sich regelmäßig neben der
gesundheitlichen und medizinischen Betreuung z. B. auch auf Telefon- und Funk-
dienste, sie böten Essen auf Rädern sowie Sicherungsmaßnahmen an, so dass
die genannten Tätigkeiten in der häuslichen Pflege regelmäßig in den Bereich der
sozialen Diensten fallen.
Ebenfalls bestehe zwischen der telefonischen Vermittlung von Krankenpflege-
dienstleistungen einerseits und den sozialen Diensten andererseits eine enge
Ähnlichkeit, da erstere regelmäßig ebenfalls im Rahmen des Angebots von sozia-
len Diensten offeriert und erbracht würden, um umfassende Informationen über
mögliche Versorgungs- und sonstige Leistungen für Dritte zur Verfügung zu stellen
und zu vermitteln.
Folglich stünden sich in einem engen Ähnlichkeitsbereich liegende Dienstleistun-
gen gegenüber, so dass aufgrund der Wechselwirkung ein beachtlicher Abstand
der Marken erforderlich sei, um die Gefahr von Verwechslungen zu vermeiden.
Die angegriffene Marke halte den erforderlichen Abstand nicht ein, wobei bei der
Beurteilung von einer zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Wi-
derspruchsmarke II auszugehen sei.
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Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in klanglicher, schriftbildlicher oder be-
grifflicher Hinsicht bestehe nicht, da die angesprochenen Abnehmer aufgrund der
zusätzlichen Wortbestandteile der angegriffenen Marke die Unterschiede in den
Marken erkennen und somit nicht von übereinstimmenden Zeichen ausgingen.
Vorliegend sei jedoch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn gemäß § 9
Abs. 1 Nr. 2, letzter Halbsatz gegeben.
Das graphische Element der Widerspruchsmarke II in Form eines Äskulapstabes
auf einem Stern sei in der angegriffenen Marke wesensgleich als schutzbegrün-
dender Markenbestandteil enthalten. Die bildlichen Unterschiede am Kopf der
Schlange und dem oberen Ende des Stabes seien unwesentlich und nicht markant
sichtbar, so dass der Großteil der Abnehmer diese gar nicht wahrnehme. Zwar
möge die Darstellung des Äskulapstabes als Hinweis auf den medizinischen Be-
reich und somit auch auf ein entsprechendes Dienstleistungsangebot verstanden
werden, der weitere Bestandteil in Form eines sternförmigen Kreuzes sei dagegen
kein allgemein bekanntes Symbol für den vorgenannten Bereich, sondern stelle
sich vielmehr als eine, über eine einfache Figur hinausgehende, normal kenn-
zeichnungskräftige Gestaltung dar.
Bei den weiteren Wortelementen „CURA“ bzw. „Krankenpflegedienst“ handele es
sich dagegen in Bezug auf die gekennzeichneten Dienstleistungsgebiete um aus-
schließlich beschreibende Angaben ohne eigenständige Kennzeichnungskraft, so
dass die Aufmerksamkeit des Verkehrs auf dem gemeinsamen Bestandteil liege.
Zudem sei der Umstand, dass es sich bei der Widersprechenden um einen Ver-
band handele, geeignet, die Vorstellung des Verkehrs, dass die betroffenen
Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht würden, zu verstär-
ken, wenn diese mit dem identischen Verbandszeichen gekennzeichnet würden.
Gegen diesen Beschluss haben die Widersprechende I und der Inhaber der ange-
griffenen Marke jeweils Beschwerde eingelegt.
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Die Inhaberin der Widerspruchsmarke I beantragt, unter Berücksichtigung des
Vortrags gemäß des Schriftsatzes vom 18. Oktober 2002
nach Aktenlage zu entscheiden.
Sie ist der Ansicht, dass zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke
und der Widerspruchsmarke I eine hochgradige Ähnlichkeit bis Identität bestehe.
Ausgehend davon sei der erforderliche Abstand zwischen den Zeichen nicht ein-
gehalten. Bei beiden Marken handele es sich um Wort-Bildmarken, die sich aus
einer Kombination von Wort- und Bildelementen und dem gemeinsamen identi-
schen Wort „CURA“ zusammensetzen. Die angegriffene Marke umfasse dabei als
Bildbestandteil ein Kreuz mit einem Äskulapstab. Der Äskulapstab sei als Hinweis
auf ärztliche oder medizinische Betreuung für Dienstleistungen im medizinischen
Bereich als direkt beschreibend anzusehen, so dass ihm keine prägende Wirkung
zukomme. Ein ausreichend großer Abstand zwischen der angegriffenen Marke
und der Widerspruchsmarke I könne folglich nur durch die Wortbestandteile gege-
ben sein. Hier stünden sich die Wortbestandteile „CURA Krankenpflegedienst“ und
„CURA“ gegenüber. Der Begriff „Krankenpflegedienst“ sei rein beschreibend und
somit als prägender Bestandteil zu vernachlässigen. Der Begriff „CURA“ jedoch,
welcher nicht der deutschen Sprache entstamme, habe im Deutschen keine un-
mittelbar beschreibende Bedeutung, so dass ihm normale Kennzeichnungskraft
zukomme.
Die Bestandteile „CURA“ der angegriffenen und der Widerspruchsmarke I seien
identisch. Der Verkehr werde die angegriffene Marke in Ermangelung anderer
prägender Elemente daher als „CURA“ erinnern. Da dies bei der Widerspruchs-
marke I ebenso der Fall sei, bestehe eine akute Verwechslungsgefahr. Ebenfalls
vermöge die graphische Gestaltung der Schriftzüge, insbesondere durch die ähn-
liche Farbgebung, keinen ausreichenden Abstand in schriftbildlicher Hinsicht zu
erzeugen. Die angegriffene Marke sei somit auch schriftbildlich hochgradig ähnlich
mit der Widerspruchsmarke I.
- 11 -
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
19. Februar 2004 aufzuheben und die Eintragung der angegriffe-
nen Marke 399 66 611 zu beschließen.
Obwohl die Dienstleistungen der angegriffenen Marke ähnlich den Dienstleistun-
gen der Widerspruchsmarke II seien, werde der geforderte große Abstand zwi-
schen den Marken eingehalten, wobei von einer durchschnittlichen Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke II auszugehen sei.
Die klanglichen und die schriftbildlichen Unterschiede zwischen den beiden Mar-
ken seien deutlich genug, um Verwechslungen in rechtserheblichem Umfang zu
vermeiden. Eine klangliche Verwechslungsgefahr scheide von vornherein aus.
Schriftbildlich seien die beiden Marken zwar in der Abbildung des Äskulapstabes
auf einem Stern zwar hochgradig ähnlich, unterschieden sich jedoch durch die
Begriffe „CURA Krankenpflegedienst“ in der angegriffenen Marke deutlich
voneinander. Da die angegriffene Marke von allen Bestandteilen gleichwertig
geprägt wird, sei eine Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht
ausgeschlossen.
Somit sei eine unmittelbare Verwechslungsgefahr in klanglicher, schriftbildlicher
oder begrifflicher Hinsicht nicht anzunehmen, da die angesprochen Verkehrskreise
aufgrund der zusätzlichen Wortbestandteile der angegriffenen Marke die Unter-
schiede in den Marken erkennen und somit nicht von übereinstimmenden Zeichen
ausgehen würden.
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Es liege auch keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne gemäß § 9 Abs. 1
Nr. 2, letzter Halbsatz MarkenG vor, denn beide Marken unterschieden sich je-
weils nach ihrem maßgeblichen Gesamteindruck, insbesondere durch den der
Widerspruchsmarke II fehlenden Wortbestandteil „CURA Krankenpflegedienst“
und ferner durch die jeweilige graphische Ausgestaltung der angegriffenen Marke.
Die Inhaberin der Widerspruchsmarke II beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
Die einander gegenüberstehenden Dienstleistungen seien zweifelsfrei ähnlich. Die
bei der angegriffenen Marke gegebene Kombination aus dem prägenden Bildbe-
standteil, der von der Widerspruchsmarke II nur in weitgehend unbemerkt blei-
benden Details abweiche, und einem kennzeichnungsschwachen Wortbestandteil
führe unter diesen Umständen zu einem gedanklichen In-Verbindung-Bringen so-
wohl in seiner Ausprägung als mittelbares Verwechseln im Sinne der Annahme
eines Serienzeichens als auch in seiner Ausprägung als mittelbares Verwechseln
im Sinne eines Schließens auf geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische
Zusammenhänge. Der Schluss auf das Bestehen irgendwie gearteter, insbeson-
dere organisatorischer Zusammenhänge sei insbesondere naheliegend, da die
Inhaberin der Widerspruchsmarke II ein Verband sei.
II.
Die Beschwerden der Widersprechenden I und des Inhabers der angegriffenen
Marke sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1.
Die ursprüngliche Widersprechende
I, die A…
GmbH in B…, hat die Rechte an der Widerspruchsmarke 396
46
378
mit Vertrag vom 20.
Mai
2005
/
21.
Juni
2005 an die C…
Aktiengesellschaft in D…, veräußert, wie mit Schrift-
- 13 -
satz vom 15. August 2005 mitgeteilt wurde. Die Erwerberin ist mit Verfügung des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 2005 als neue Inhaberin in
das Markenregister eingetragen worden. Nachdem sie jedoch bislang nicht - wie
angekündigt - erklärt hat, ob sie das Beschwerdeverfahren übernehmen will, ist
das Verfahren mit der ursprünglichen Markeninhaberin in analoger Anwendung
des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 MarkenG fortzusetzen (vgl. BGH
GRUR 1998, 940 -
Salorpharm
/
Sanopharm; BPatG GRUR 2005, 277
- TAXIMOTO; a. A. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 28 Rdnr. 15, 18),
ohne dass es auf die Zustimmung des Gegners, hier des Inhabers der angegriffe-
nen Marke ankäme, § 28 Abs. 2 Satz 3 MarkenG (s. Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 8. Aufl., § 28, Rdnr. 14).
Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der Widerspruchsmarke I
396 47 378 und der angegriffenen Marke nicht die Gefahr von Verwechslungen im
Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, bemisst sich nach dem Zusammenwirken
der Ähnlichkeit der Waren, der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungs-
kraft der älteren Marke(n), wobei diese Faktoren in einer gewissen Wechselwir-
kung zueinander stehen.
Die Benutzung der Widerspruchsmarke I ist nicht bestritten worden, so dass von
der jeweiligen Registerlage auszugehen ist. Danach besteht zwischen den bean-
spruchten Dienstleistungen der angegriffenen Marke „Durchführung von Dienst-
leistungen in der häuslichen Krankenpflege; Beratung onkologisch erkrankter Pa-
tienten; telefonische Vermittlung von Krankenpflegedienstleistungen“ und den
Dienstleistungen der Widerspruchsmarke I „Durchführung von Dienstleistungen in
der häuslichen Krankenpflege;onkologisch erkrankter Patienten; telefonische
Vermittlung von Krankenpflegedienstleistungen“ und den Dienstleistungen der Wi-
derspruchsmarke „ambulante, stationäre und teilstationäre Krankenpflege; Betrieb
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einer Telefonnotrufzentrale; Beratung bezüglich der vorgenannten Dienstleistun-
gen“ hochgradige Ähnlichkeit bis Identität.
Der Widerspruchsmarke I kommt durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu. Um-
stände, aus denen sich eine gesteigerte oder verminderte Kennzeichnungskraft
ergeben könnte, sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht erkennbar.
Beide Vergleichsmarken richten sich unter anderem an die allgemeinen Verkehrs-
kreise. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kann folglich vom Standpunkt
eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Adressaten
der fraglichen Dienstleistungen ausgegangen werden. Unter diesen Umständen
sind hohe Anforderungen an den Markenabstand der sich gegenüber stehenden
Zeichen zu stellen.
Sowohl bei der Widerspruchsmarke I als auch bei der angegriffenen Marke han-
delt es sich um Wort/Bildmarken, die aus mehreren Bestandteilen zusammenge-
setzt sind. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist grundsätzlich auf den
jeweiligen Gesamteindruck abzustellen. Ausnahmsweise kann jedoch einem ein-
zelnen Bestandteil eine den Gesamteindruck prägende Wirkung zukommen, wenn
die weiteren Bestandteile eines Kombinationszeichens weitgehend in den Hinter-
grund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.
Die beiden Vergleichsmarken weisen deutliche Unterschiede in ihrer graphischen
Gestaltung auf - Andeutung eines Hauses und eine rote Kugel in dem Buchstaben
„C“ der Widerspruchsmarke I; Stern mit einem Äskulapstab in der angegriffenen
Marke - sowie aufgrund des zusätzlich in der angegriffenen Marke enthaltenden
Bestandteils „Krankenpflegedienst“. Die Marken unterscheiden sich folglich in
schriftbildlicher Hinsicht ausreichend voneinander. Ebenfalls liegen keine Anhalts-
punkte für eine begriffliche Verwechslungsgefahr der beiden Marken vor.
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Auch unmittelbare Verwechslungen in klanglicher Hinsicht sind nicht zu erwarten.
Bei dem klanglichen Gesamteindruck eines aus Wort- und Bildelementen zusam-
mengesetzten Zeichens gilt der Erfahrungssatz, dass der Wortbestandteil den Ge-
samteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benen-
nen. Jedoch greift dieser Erfahrungssatz nicht, wenn aufgrund der Kennzeich-
nungsschwäche der in Frage kommende Wortteil nicht als kennzeichnend wahr-
genommen wird. So kann ein selbständig nicht schutzfähiger Bestandteil eines
Kombinationszeichens zwar zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen, ihm
kommt aber grundsätzlich kein den Gesamteindruck dominierender Einfluss zu
(vgl. BGH GRUR 1995, 808 - P3-plastociclin).
Bei dem Wortbestandteil „CURA“ handelt es sich um ein aus dem Lateinischen
entstammendes Wort für „Pflege, Behandlung, Kur, Fürsorge“. Es ist Bestandteil
der italienischen und spanischen Sprache mit der Bedeutung „Pflege, Behandlung,
Kur, Fürsorge“ (vgl. z.B. Deutsch-Spanisches online Wörterbuch LEO
http://dict.leo.org Eintrag „Cura“; Deutsch-Italienisches online Wörterbuch
http://dicdata.de/4DCGI, Eintrag „Cura“). In die deutsche Sprache sind entspre-
chende Wörter wie „Kur, kurieren, Kuratorium, Kuratel“ eingegangen. Obwohl das
Wort „Cura“ nicht direkt der deutschen Sprache entstammt, hat es für einen
durchschnittlichen Verbraucher insbesondere im medizinischen und im Pflege-Be-
reich deutlich beschreibende Anklänge. Auch wenn z. B. das Markenregister nur
11 Eintragungen von Marken mit dem fraglichen Wortelement für den Bereich der
Klasse 42 enthält, ist demgegenüber nicht zu übersehen, dass es zahlreiche Fir-
mennamen gibt, die im Zusammenhang mit dem Angebot ambulanter Pflege-
dienstleistungen das Wort „CURA“ verwenden. Die Internet-Suchmaschine google
nennt unter dem Stichwort „Cura Pflegedienstleistungen“ 850 Eintragungen allein
in Deutschland. Durch die entsprechend häufige Verwendung ist die Kennzeich-
nungskraft des Wortes „CURA“ folglich eher als schwach einzustufen.
Daraus ergibt sich, dass die angegriffene Marke nicht allein durch den Wortbe-
standteil „CURA“ geprägt wird, selbst wenn das weitere Element „Krankenpflege-
- 16 -
dienst“ als nicht selbständig schutzfähig einzustufen ist (vgl. hierzu Ströbele/
Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 276 mit Hinweisen zur Rspr.). Vielmehr
wird der Gesamteindruck der angegriffenen Marke gleichgewichtig durch alle
Markenteile einschließlich des Bildbestsandteils „Äskulapstab mit Stern“ bestimmt.
Dies gilt auch für den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke I. Ausgehend
davon unterscheiden sich die beiden sich gegenüberstehenden Marken durch das
zusätzliche Wortelement „Krankenpflegedienst“ der angegriffenen Marke in klang-
licher Hinsicht ausreichend voneinander.
Eine assoziative Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass die Ver-
gleichsmarken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS MarkenG gedanklich
miteinander in Verbindung gebracht werden, ist unter Berücksichtigung des unter-
schiedlichen Gesamteindrucks ebenfalls nicht ersichtlich.
2. Auch
die
Beschwerde
des Inhabers der angegriffenen Marke hat keinen
Erfolg, denn zwischen seiner Marke und der Widerspruchsmarke II 2 103 438 be-
steht die Gefahr von Verwechslungen.
Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen worden sind, ist bei der Beurteilung der
Verwechslungsgefahr von den jeweils eingetragenen Waren bzw. Dienstleistun-
gen auszugehen. Danach besteht zwischen den Dienstleistungen der angegriffe-
nen Marke „Durchführung von Dienstleistungen in der häuslichen Krankenpflege;
Beratung onkologisch erkrankter Patienten“ und den Dienstleistungen der Wider-
spruchsmarke II „soziale Dienste“ eine hochgradige Ähnlichkeit, da der Bereich
der sozialen Dienste sich regelmäßig auf Tätigkeiten der häuslichen Pflege bzw.
Krankenpflege erstreckt.
Auch zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke „telefonische Ver-
mittlung von Krankenpflegedienstleistungen“ und den Dienstleistungen der Wider-
spruchsmarke II „soziale Dienste“ ist eine hochgradige Ähnlichkeit festzustellen,
da eine telefonische Vermittlung bzw. das Angebot von Dienstleistungen im Zu-
- 17 -
sammenhang mit Krankenpflege im Rahmen des Angebots von sozialen Diensten
regelmäßig stattfindet.
Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der Ähnlichkeit der Waren, der Ähnlich-
keit der Marken und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist daher ein gro-
ßer Abstand der Marken erforderlich, um die Gefahr von Verwechslungen zu ver-
meiden, zumal sich auch in diesem Fall die jeweiligen Dienstleistungen an das
durchschnittlich aufmerksame und informierte Publikum richten.
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es grundsätzlich auf den je-
weiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken an. In dem vorlie-
genden Fall stehen sich eine ältere Bildmarke und eine jüngere Wort-Bildmarke
gegenüber.
Die jüngere Marke setzt sich aus den Wortbestandteilen „CURA Krankenpflege-
dienst“ und dem Bild eines Äskulapstabes auf einem Stern zusammen. Die Wider-
spruchsmarke besteht ausschließlich aus einem auf einem Stern platzierten Äs-
kulapstab, der an sich als Hinweis auf ein Dienstleistungsangebot im medizini-
schen Bereich verstanden wird und dem somit beschreibender Charakter zu-
kommt. Der zweite Bestandteil des Bildelements in Form eines Sterns ist jedoch
kein allgemein bekanntes Symbol für den in Frage kommenden Bereich, so dass
der Darstellung insgesamt als einem über eine einfache geometrische Figur hi-
nausgehendes Bildelement eine normale Kennzeichnungskraft zukommt.
Aufgrund der zusätzlichen, deutlich erkennbaren Bestandteile in der angegriffenen
Marke ist eine unmittelbare schriftbildliche Ähnlichkeit nicht gegeben. Auch klang-
liche Verwechslungen sind eher auszuschließen.
Allerdings besteht die Gefahr einer assoziativen Verwechslung gemäß § 9 Abs. 1
Nr. 2, 2. Halbsatz MarkenG. Eine solche Verwechslungsgefahr ist insbesondere
dann anzunehmen, wenn der Verkehr die Marken selbst unterscheidet, aber auf-
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grund ihrer Berührungspunkte und der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistun-
gen auf einem gemeinsamen betrieblichen Ursprung der Kennzeichnungen
schießt. Ein weiteres Beispiel bildet die Fallgestaltung, wenn die Verbraucher zwar
auch die Unternehmen auseinander halten können, aber zwischen ihnen aufgrund
der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen irrtümlich besondere wirtschaftli-
che, organisatorische oder rechtliche Beziehungen annehmen. Dabei handelt es
sich um Ausnahmetatbestände, so dass ein strenger Maßstab anzuwenden wäre.
Da es sich bei den weiteren Wortelementen der angegriffenen Marke „CURA“ und
„Krankenpflegedienst“ in Bezug auf die in Frage kommenden Dienstleistungen um
kennzeichnungsschwache bzw. schutzunfähige Angaben handelt, wird die Auf-
merksamkeit des Verkehrs auf den gemeinsamen Bestandteil der beiden Marken.
d. h. auf das gemeinsame Bildelement gelenkt. Die geringen Unterschiede am
Kopf der Schlange sowie am oberen Ende des Stabes sind allerdings kaum er-
kennbar. Selbst bei einer weniger flüchtigen Betrachtung der Marken wird der
Großteil der Betrachter diese Unterschiede kaum wahrnehmen und auf jeden Fall
nicht in Erinnerung behalten. Die Widerspruchsmarke II ist folglich wesensgleich
mit dem Bildelement der angegriffenen Marke.
Zu berücksichtigen dabei ist insbesondere, dass es sich bei der Inhaberin der Wi-
derspruchsmarke 2 103 438 um einen Verband handelt, dem bundesweit über
100
Mitglieder angehören (vgl. Internetauftritt der Widersprechenden
II
http://www.bks-rettungsdienst.de/). Verwendet wird dieses Zeichen in Kombination
mit den eigenen Marken der einzelnen Mitglieder des Verbandes als Zeichen der
Zugehörigkeit zu dem Verband. Beispiele dafür - nämlich die Marken der Ver-
bandsmitglieder Krankentransport Ost/West GmbH, Paramed Ambulanz GmbH
und Aicher Ambulanz Union OHG - hat die Widersprechende II mit der Eingabe
vom 22. Januar 2003 eingereicht. Unter diesem Gesichtspunkt und in Anbetracht
der hochgradigen Ähnlichkeit der jeweiligen Dienstleistungen der sich gegenüber-
stehenden Marken besteht die Gefahr, dass die angesprochenen Verkehrskreise
die angegriffene Marke gedanklich mit der Widersprechenden II in Verbindung
- 19 -
bringen und zu der irrtümlichen Vorstellung gelangen, dass es sich bei dem Inha-
ber der angegriffenen Marke ebenfalls um ein Verbandsmitglied handelt.
Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke konnte daher ebenfalls
keinen Erfolg haben.
3.
Ein Anlass zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen ist nicht
erkennbar, § 71 Abs. 1 MarkenG.
gez.
Unterschriften