Urteil des BPatG vom 01.08.2005

BPatG: schutzwürdiges interesse, einspruch, patentinhaber, zustellung, patentfähigkeit, vindikationsklage, erwerb, rechtskraft, widerruf, form

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
8 W (pat) 359/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 101 22 736
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgericht in der
Sitzung vom 24. August 2006 unter Mitwirkung …
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beschlossen:
Es wird festgestellt, dass das Einspruchsverfahren beendet ist.
G r ü n d e
I
Gegen das Patent 101 22 736, dessen Erteilung am 6. Mai 2004 veröffentlicht
worden ist, hat die A…
GmbH am 6.
August
2004 Einspruch er-
hoben und den Einspruch auf § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG gestützt.
Über das Vermögen der Einsprechenden ist durch Beschluss des Amtsgerichts
Augsburg vom 1. August 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insol-
venzverwalter hat auf Nachfrage des Bundespatentgerichts, ob das Einspruchs-
verfahren aufgenommen werde, mit Schreiben vom 26. Juli 2006 mitgeteilt, dass
der Anspruch hinsichtlich des Rechtstreits vor dem Bundespatentgericht nicht
weiter verfolgt werde.
Der Patentinhaber hat die widerrechtliche Entnahme, auf die der Einspruch aus-
schließlich gestützt worden war, bestritten und er beantragt, den Einspruch zu-
rückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Der (einzige) Einspruch war ursprünglich form- und fristgerecht eingelegt und auch
im Übrigen zulässig, so dass die Zuständigkeit des Senats zur Entscheidung über
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den Einspruch nach § 147 Abs. 3, Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis zum 30. Juni 2006
geltenden Fassung (Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Vor-
schriften des gewerblichen Rechtsschutzes vom 9. Dezember 2004 - BGBI Teil I
vom 14. Dezember 2004, 3232 ff., Art. 1 Nr. 2, BlPMZ 2005, 3; Gesetz zur Ände-
rung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes
vom 21. Juni 2006 - BGBl Teil I vom 26. Juni 2006, 1318 ff., Art. 1 Nr. 17 und
Art. 8, BlPMZ 2006, 225 f.) gegeben ist.
Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Einspre-
chenden ist das Einspruchsverfahren unterbrochen worden und der Insolvenzver-
walter an die Stelle der Einsprechenden getreten. Laut Handelsregisterauszug
vom 6. März 2006 ist die A… GmbH aufgelöst.
Nachdem der Insolvenzverwalter erklärt hat, dass der Anspruch vor dem Bundes-
patentgericht nicht weiter verfolgt werde, stellt die Erklärung zugleich die Rück-
nahme des Einspruchs dar, mit der die Verfahrensbeteiligung der Einsprechenden
beendet worden ist.
Für eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens von Amts wegen ohne die Ein-
sprechende bleibt im vorliegenden Fall kein Raum. Trotz des Wortlauts des § 61
Abs. 1 Satz 2 PatG, der nicht zwischen den einzelnen Widerrufsgründen unter-
scheidet, kann der Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG hier nicht berück-
sichtigt werden. Mit seiner Erklärung hat der Insolvenzverwalter gezeigt, dass die
nach ihrem Einspruchsvorbringen Verletzte kein Interesse mehr an einer Sachent-
scheidung über den Widerruf des Patents hat. Da eine Prüfung der sachlichen
Patentberechtigung nur auf Antrag eines Verletzten stattfindet, rechtfertigt der
Wegfall des Interesses der Verletzten eine Ausnahme von der dem Interesse der
Allgemeinheit dienenden Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG, wenn - wie hier -
ausschließlich die widerrechtliche Entnahme Gegenstand des Einspruchsverfah-
rens war, der Patentinhaber die behauptete widerrechtliche Entnahme bestritten
hat und patenthinderndes Material weder vorgetragen noch im Laufe des bisheri-
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gen Einspruchsverfahrens ersichtlich geworden ist (vgl. hierzu auch Schulte,
PatG, 7. Aufl., § 21 Rdn. 43 m. w. N.; Benkard/Rogge/Schäfers PatG, 10. Aufl.
2006, § 21 Rdn. 18 und § 61 Rdn. 18; Busse/Schwendy PatG, 6. Aufl. 2003, § 61
Rn. 27; BPatGE 36, 213).
Besondere Umstände, die eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens von Amts
wegen ohne die Einsprechende erfordern, weil ein schutzwürdiges Interesse an
einer Sachentscheidung etwa von neuen Patentinhabern und ursprünglichen Ein-
sprechenden anzuerkennen wäre, sind nicht gegeben. Weder liegt ein Erwerb des
Patents durch den Verletzten und dessen Interesse an der Fortsetzung des Ein-
spruchsverfahrens vor, um z. B. das Nachanmelderecht nach § 7 Abs. 2 PatG
gestaltend ausüben zu können (BGH GRUR 96, 42 = BlPMZ 94, 279, 281 - II 3 b
- Lichtfleck) noch besteht ein Antrag von neuen Patentinhabern auf eine be-
schränkte Aufrechterhaltung des Patents, wie er dem Beschluss des 11. Senats
des Bundespatentgerichts (BPatGE 47, 141, 142, 143 - Aktivkohlefilter) zugrunde
lag.
Der Patentinhaber hat nach der Zustellung der Erklärung des Insolvenzverwalters
- über die bereits geltend gemachte Zurückweisung der behaupteten widerrechtli-
chen Entnahme hinaus - kein entsprechendes Interesse dargelegt oder erkennen
lassen. Eine Fortsetzung des Verfahrens von Amtswegen scheidet unter den ge-
gebenen Umständen aus und eine Entscheidung in der Sache ist nicht zu treffen.
Demzufolge ergeht auch kein Ausspruch über die Aufrechterhaltung des Patents,
sondern die Feststellung, dass das Einspruchsverfahren beendet ist.
Nach Rechtskraft dieses Beschlusses bleibt das Patent in der erteilten Fassung
bestehen ohne Prüfung der Patentberechtigung oder der Patentfähigkeit. Im
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Übrigen steht der Feststellungsbeschluss einer eventuellen erfinderrechtlichen
Vindikationsklage eines möglicherweise Verletzten nach § 8 PatG nicht entgegen.
gez.
Unterschriften