Urteil des BPatG vom 02.06.2010

BPatG: gas, unterscheidungskraft, beschreibende angabe, beratung, eugh, wasserversorgung, transport, begriff, verbraucher, geschäftsführung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 98/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 307 44 465.1
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 2. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Lehner
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I
Für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 04: Elektrische Energie; Brenngas; Leuchtgas; Brenn-
stoffe;
Klasse 11: Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-,
Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte
sowie sanitäre Anlagen;
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwal-
tung; Büroarbeiten; Beratung in betriebswirtschaftli-
cher Hinsicht im Hinblick auf den Abschluss von Ener-
gielieferungsverträgen sowie Verbraucherberatung;
betriebswirtschaftliche Beratung für Verteilerstationen
für die Versorgung mit Energie und Wasser, für Wind-
turbinenparks und Energie- und Umweltparks; be-
triebswirtschaftliche Beratung in Bezug auf Energie,
Wärme- und Wasserversorgung; betriebswirtschaftli-
che Beratung im Bereich von Ankauf und Verkauf von
Energie; Vermittlung von Verträgen für Dritte, soweit in
Klasse 35 enthalten; Bereitstellen von Wirtschaftsin-
formationen in Geschäftsangelegenheiten;
Klasse 39: Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Wa-
ren; Transport, Verteilung, Lieferung und Bereitstel-
lung von Elektrizität, soweit in Klasse 39 enthalten,
Gas, Wärme und Wasser; Transport von Gasen, flüs-
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sigen und festen Substanzen und Materialien, auch
durch
Pipelines;
Wasserversorgung
(Transport),
Transport, Lagerung und Entladung von Abfällen mit-
tels physikalischer oder chemischer oder biologischer
Verfahren; Verteilung von Energie;
Klasse 40: Abfallverarbeitung (Umwandlung); Müll- und Abfallre-
cycling; Müll- und Abfallentsorgung durch Vernichtung
und Verbrennung; Wasserbehandlung; Erzeugung von
Energie;
Klasse 42: Vermietung von Gas-, Wasser- und Wärmeanlagen;
technische Information und technische Beratungs-
dienstleistungen in Bezug auf Energie-, Wärme- und
Wasserversorgung, beides insbesondere für Energie-
erzeuger und Abnehmer; Beratungsdienstleistungen in
Bezug auf Umweltschutz und Klimaschutz, soweit in
Klasse 42 enthalten; technische Beratung auf dem
Gebiet der Energieeinsparung; Forschung auf dem
Gebiet der Technik, insbesondere der Energie-, Wär-
me- und Umwelttechnik; Forschung und Studien in
Bezug auf energieeinsparende Techniken und die
Wiederverwendung und Aufarbeitung von Abfallpro-
dukten, Fäulnisgas und Dünger; Informationen in
Technikfragen für Energieerzeuger und Abnehmer;
Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und
-software; technische Beratung in Bezug auf Informa-
tions- und Telekommunikationsnetzwerke“
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ist die Wortmarke 307 44 465
betaalbaar Gas
angemeldet worden. In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfah-
ren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und
Markenamts die Anmeldung wegen eines der Eintragung entgegenstehenden
Freihaltungsbedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, „betaalbaar Gas“ sei eine beschreibende Angabe,
die zur Bezeichnung wesentlicher Eigenschaften der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen dienen könne. Es bestehe ein Bedürfnis der Mitbewerber der
Anmelderin, insbesondere der am Im- und Export beteiligten Konkurrenten, an der
freien Verwendbarkeit dieser Wortfolge. Dass es sich bei dem angemeldeten
Kennzeichen um eine ungewöhnliche, teilweise dem Niederländischen entnom-
mene Wortkombination handle, führe nicht zur Eintragungsfähigkeit. Der Begriff
„betaalbaar Gas“ sei der adäquaten deutschen Bezeichnung „bezahlbares Gas“ so
ähnlich, dass sich deren Bedeutung dem angesprochenen inländischen Verkehr
ohne weiteres Nachdenken unmittelbar erschließe. Zudem sei ein grenzüber-
schreitender Warenaustausch gerade auf dem Energiesektor seit geraumer Zeit
üblich, so dass der inländische Verkehr an derartige fremdsprachige Bezeichnun-
gen gewöhnt sei.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Auffassung
nach sei „betaalbaar Gas“ eine unübliche und phantasievolle zweisprachige Be-
zeichnung, die der angesprochene Verkehr als betriebliche Kennzeichnung an-
sehe. Kenntnisse der niederländischen Sprache könnten dem inländischen Ver-
braucher nicht unterstellt werden, nachdem es sich hierbei nicht um eine geläufige
Fremdsprache handle. Auch könne man nicht davon ausgehen, dass dem inländi-
schen Verkehr bekannt sei, ob der Begriff „Gas“ im Niederländischen demjenigen
der deutschen Sprache entspreche. Überdies führe eine zutreffende Übersetzung
des Begriffs „betaalbaar Gas“ in „bezahlbares Gas“ nicht zur Schutzunfähigkeit der
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angemeldeten Kennzeichnung, da es zusätzlicher gedanklicher Schritte bedürfe,
um eine Verbindung zwischen dem verfahrensgegenständlichen Zeichen und dem
beanspruchten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis herzustellen. Schließlich
seien teilweise in niederländischer Sprache gehaltene Werbeslogans unüblich und
würden vom Verkehr nicht als beschreibender Sachhinweis verstanden.
Die Anmelderin beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 2008 und vom
20. März 2008 aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Die Zurückweisung
des Eintragungsantrags durch die Markenstelle ist im Ergebnis nicht zu beanstan-
den. Die hiergegen von der Anmelderin vorgebrachten Einwände verhelfen ihrer
Beschwerde nicht zum Erfolg. Einer Eintragung des Zeichens „betaalbaar Gas“ für
die angemeldeten Waren und Dienstleistungen steht das Schutzhindernis der
mangelnden Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entge-
gen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche
die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend
zu kennzeichnen und diese Waren/Dienstleistungen von denjenigen anderer
Unternehmen zu unterscheiden. Auch dieses Eintragungshindernis ist im Lichte
des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm zugrunde liegt, und das darin be-
steht, den freien Waren- oder Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten (vgl. EuGH
GRUR 2002, 804, 809 - ; GRUR 2003, 604, 607 - ). Für kennzeich-
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nungsrechtliche Monopole ist damit nur Raum, soweit diese geeignet sind, dem
Verbraucher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleis-
tungen zu garantieren und damit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen (vgl.
EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 - ). Die Unterscheidungskraft ist zum
einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum
anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. EuGH
GRUR Int. 2004, 500, 504 - ; GRUR Int. 2004, 631, 633 -
). Keine Unterscheidungskraft weisen vor allem solche Mar-
ken auf, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder
Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Be-
griffsgehalt zuordnen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - ; GRUR
2004, 778, 779 - ).
In Anwendung dieser Grundsätze kann dem Zeichen „betaalbaar Gas“ eine für die
Eintragung hinreichende Unterscheidungskraft nicht zugesprochen werden.
Das Prüfzeichen setzt sich aus den Wortbestandteilen „betaalbaar“ und „Gas“ zu-
sammen. „betaalbaar“ stammt aus dem Niederländischen und steht für die Adjek-
tive „bezahlbar, erschwinglich“ (vgl. Langenscheidt, Taschenwörterbuch Nieder-
ländisch, 2005, S. 77). Die Anmeldung ist daher mit „bezahlbares Gas“ oder „er-
schwingliches Gas“ zu übersetzen.
Hat - wie hier - die fragliche Angabe in der entsprechenden Fremdsprache einen
beschreibenden Gehalt, so ist eine Eintragung wegen fehlender Unterscheidungs-
kraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nur ausgeschlossen, wenn die betei-
ligten Verkehrskreise in dem Staat, in dem die Eintragung begehrt wird, im Stande
sind, die - eine betriebliche Herkunftsunterscheidung ausschließende - Bedeutung
dieser Bezeichnung zu erkennen (vgl. EuGH, GRUR 2006, 411, 412 -
; HK-MarkenR, 2. Aufl., § 8 Rn. 37Hacker, MarkenG, 9. Aufl.,
§ 8 Rn. 109). Hierbei darf beim im Streitfall angesprochenen deutschen Durch-
schnittsverbraucher die Verständnisfähigkeit nicht zu gering veranschlagt werden
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(vgl. /Hacker a. a. O., § 8 Rn. 110). Unter Zugrundelegung dieses Maß-
stabs wird sich dem inländischen Verkehr die Bedeutung von „betaalbaar Gas“ im
Sinne von „bezahlbares Gas“ oder „erschwingliches Gas“ aufgrund der sprachli-
chen Nähe der jeweiligen Begriffe in Verbindung mit den beanspruchten, in engem
Zusammenhang mit Fragen der Energieversorgung stehenden verfahrensgegen-
ständlichen Waren und Dienstleistungen zumindest bei akustischer Wahrnehmung
ohne weiteres Nachdenken erschließen, auch wenn der Adressat nicht des Nie-
derländischen mächtig ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - ). Ohne
Erfolg beruft sich indessen die Anmelderin darauf, dass ungeklärt sei, ob dem
Begriff „betaalbaar gas“ im Niederländischen die vorstehend angeführte beschrei-
bende Bedeutung von bezahlbarem Gas zukomme. Maßgeblich für die Feststel-
lung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist das Sprachverständnis des in-
ländischen Publikums. Ob das fragliche Sprachgebilde im Heimatland nach dem
Verständnis ausländischer Verkehrskreise ebenfalls beschreibender Natur ist, ist
für die Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG grund-
sätzlich nicht von Bedeutung (vgl. /Hacker a. a. O., § 8 Rn. 110).
Enthalten die Wortbestandteile einer Bezeichnung hiernach einen beschreibenden
Begriffsinhalt, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne
weiteres als solcher erfasst wird, ist der angemeldeten Bezeichnung die Eintra-
gung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei
derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt,
dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2001,
1151, 1152 - ; GRUR 2001, 1153 - ; GRUR 2004, 778, 779
- ). Demgemäß wird der Verbraucher in dem Prüfzeichen
„betaalbaar Gas“ in Verbindung mit dem angemeldeten Waren- und Dienstleis-
tungsverzeichnis einen in Form eines Werbeslogans gehaltenen beschreibenden,
anpreisenden Sachhinweis auf das Leistungsspektrum eines Energieversorgungs-
unternehmens sehen.
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Dieser anpreisende Sachhinweis bezieht sich auf alle beanspruchten Waren und
Dienstleistungen. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware
oder Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt eine (hinreichende)
Unterscheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug zu
den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und deshalb die
Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt
als solchen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung
nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder
Dienstleistungen sieht (vgl. BGH GRUR 1998, 465, 468 - ; GRUR 2006,
850, 854 - Soweit das Prüfzeichen „betaalbaar Gas“ die
beanspruchten Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung;
Büroarbeiten; Wasserversorgung; Wasserbehandlung“ nicht unmittelbar be-
schreibt, ist es hiernach gleichwohl nicht hinreichend unterscheidungskräftig, da
diese Dienstleistleistungen in einem engen Sachzusammenhang zum Tätigkeits-
feld eines Energieversorgungsunternehmens stehen und der angesprochene Ver-
kehr mit „betaalbaar Gas“ einen unmittelbaren und konkreten Sachbezug zu die-
sen Dienstleistungen herstellen wird.
Ob einer Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „betaalbaar Gas“ auch ein
Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit bzw. der Mitbewerber der Anmelderin im
Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, bedarf bei dieser Sachlage
keiner Erörterung mehr.
Dr. Fuchs-Wissemann
Reker
Lehner
Fa