Urteil des BPatG vom 23.07.2007

BPatG: beschreibende angabe, geographische angabe, unterscheidungskraft, eugh, verkehr, unternehmen, herkunft, software, dienstleistung, vogel

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 142/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 304 71 596.4
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 23.
Juli
2007 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Vogel von Falckenstein und die Richterinnen Winter und Hartlieb
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
HOSPIZ
STUTTGART
Klasse 9:
Lehr- und Unterrichtsmittel (Apparate), CDs, CD-Roms, DVD, be-
spielte Träger von Bild, Ton und Software, Filme, soweit in Klas-
se 9 enthalten.
Klasse 16:
Druckereierzeugnisse, Bücher, Zeitschriften, Kalender, Poster,
Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate).
Klasse 41:
Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Palliativmedizin/Palliati-
ve Care und Hospizarbeit.
Klasse 42:
Wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten, ins-
besondere im Bereich der Palliativmedizin und damit zusammen-
hängender medizin-ethischer Fragen
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Klasse 44:
Medizinische Dienstleistungen sowie Gesundheitspflege für Men-
schen insbesondere die stationäre Pflege, Betreuung und Sicher-
stellung der ärztlichen Versorgung von sterbenskranken Men-
schen unter Einbeziehung ihrer Angehörigen. Psychosoziale Be-
treuung und Beratung von sterbenskranken Menschen jeden Al-
ters zu Hause unter Einbeziehung ihrer Angehörigen sowie die
medizinisch-pflegerische Beratung von Fachleuten (insbesondere
Ärzten, Pflegekräften) und Laien. Diese Arbeit wird ebenfalls in
erster Linie durch speziell qualifizierte Krankenschwestern ge-
leistet - im Verbund mit Fachleuten aus dem psychosozialen Be-
reich.
Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt,
die Marke sei als Hinweis auf eine Einrichtung bzw. ein Konzept zur Sterbebeglei-
tung in Stuttgart eine beschreibende Angabe.
Die Anmelderin hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausfüh-
rungen insbesondere wegen Mehrdeutigkeit des Wortes „Hospiz“ (nämlich kirchli-
che Verpflegungsanstalt, Gasthaus, Sterbebegleitung) die angemeldete Marke be-
züglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht für beschreibend.
Sie verweist zur Begründung der Schutzfähigkeit ferner auf ihrer Meinung nach
vergleichbare Voreintragungen.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle vom 27. Juni 2005 aufzuheben
und die Eintragung der Marke zu verfügen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg. Die zur
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MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlos-
sen.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger
Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidenti-
tät der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr.
BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 - COMPANYLINE
zur Gemeinschaftsmarkenverordnung). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach
der Rechtsprechung zwar vor allem solche Marken, denen die angesprochenen
Verkehrskreise für die fraglichen Waren/Dienstleistungen lediglich einen im Vor-
dergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR
2004, 674, 678 – Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen,
dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die An-
nahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungs-
kraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH a. a. O. Nr. 70 und 86
- Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Nr. 19 – BIOMILD). Maßgebend ist allein, ob
der Verkehr in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder
nicht.
HOSPIZ STUTTGART
Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderliche Eig-
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nung, im Verkehr als Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich ihrer Herkunft aus ei-
nem bestimmten Unternehmen angesehen zu werden.
Bei dem Markenbestandteil „Hospiz“ handelt es sich um ein lexikalisch nachweis-
bares Wort der deutschen Sprache, mit dem eine Einrichtung zur Begleitung, Pfle-
ge und Betreuung schwerkranker und sterbender Menschen sowie ihrer Angehöri-
gen bezeichnet wird (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006,
S. 851); im zuletzt genannten Zusammenhang gibt es die Begriffe „Hospizbewe-
gung, Hospizarbeit, Hospizhelfer“ (vgl. Duden a. a. O.).
Vor diesem Hintergrund eines Verständnisses des Wortes „Hospiz“ ist davon aus-
zugehen, dass die hier zu beachtenden Verkehrskreise bei Verwendung der ange-
meldeten Bezeichnung - nämlich gerade im Zusammenhang mit den beanspruch-
ten Waren und Dienstleistungen - an eine sachbezogene Aussage bezüglich der
damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen denken und nicht an eine
Kennzeichnung, die es ermöglicht, sie hinsichtlich ihrer betrieblichen Herkunft von
den von anderen Unternehmen angebotenen Waren und Dienstleistungen zu un-
terscheiden.
Was die beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 41, 42 und 44 anbetrifft, so
können diese mit dem Wort „Hospiz“ nach Gegenstand, Art und Bestimmung im
Zusammenhang mit dem Betrieb eines Hospizes erbracht werden. Die maßgebli-
chen Waren der Klassen 9 und 16 können mit dem Begriff „Hospiz“ nach Art, In-
halt bzw. Gegenstand beschrieben werden; dies gilt auch für die beanspruchte
Software: Sämtliche im Zusammenhang mit der Arbeit eines Hospizes zusammen-
hängenden Aufgaben wie Ausbildung oder Betriebsführung können ohne weiteres
durch die beanspruchte Software erfolgen oder unterstützt werden; die Lehr- und
Unterrichtsmittel der Klasse 9 können für ein Hospiz bestimmt und auf dessen be-
sondere Aufgaben abgestimmt und dessen spezielle Erfordernisse ausgerichtet
sein.
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Wegen seiner allgemeinen Bekanntheit und begrifflichen Eindeutigkeit erscheint
es überdies naheliegend, dass der Verkehr selbst dann nicht auf die Idee kommt,
die Bezeichnung „Hospiz“ könne oder solle die Herkunft einer damit versehenen
Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen identifizieren,
wenn sie im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen verwendet würde,
die als solche ihrer Art und ihrer Bestimmung nach keinen Bezug zu einem „Hos-
piz“ aufweisen (vgl. dazu BGH, GRUR 2006, 850, 857 Tz. 45 – FUSSBALL
WM 2006).
Dass mit dem Wort „Hospiz“ auch ein bei einem Kloster befindliches Übernach-
tungshaus oder für ein christlich geführtes Hotel bezeichnet wird (vgl. Duden
a. a. O.), begründet als solches nicht die Schutzfähigkeit des Wortes, wie die An-
melderin aber meint. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann be-
reits dann gegeben sein, wenn die angesprochenen Verkehrskreise dem Zeichen
von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine (insoweit eindeutige)
Aussage mit beschreibendem Charakter entnehmen (BGH GRUR 2005, 257, 258
- Bürogebäude). Das ist hier, wie oben ausgeführt, der Fall.
Unterscheidungskraft einer Bezeichnung liegt zudem nicht schon dann vor, wenn
man allein aus der Bezeichnung noch nicht ersehen kann, wie im Einzelnen die so
bezeichneten Waren und Dienstleistungen beschaffen sind. Denn eine gewisse
begriffliche Unbestimmtheit und Unschärfe begründet noch keine Unterschei-
dungskraft und nimmt der angemeldeten Bezeichnung nicht ihren Charakter als
Sachangabe (vgl. zur Frage der begrifflichen Bestimmtheit allgemein beschreiben-
der Angaben i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG BGH MarkenR 2000, 330, 332
- Bücher für eine bessere Welt).
In rechtlicher Hinsicht ist insoweit zu berücksichtigen, dass bei einem Waren- und
Dienstleistungsverzeichnis, welches wie vorliegend durch die Verwendung von
Oberbegriffen unterschiedliche Waren bzw. Einzeldienstleistungen umfasst, die
Eintragung des angemeldeten Zeichens für einen beanspruchten Oberbegriff be-
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reits dann ausgeschlossen ist, wenn sich auch nur für eine spezielle, hierunter fal-
lende Ware bzw. Dienstleistung ein Eintragungshindernis ergibt (vgl. BGH WRP
2002, 91, 93, 94 - AC; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl § 8 Rdn. 203). Dies
ist der Fall, wenn sich die jeweilige Ware oder Dienstleistung, wie oben ausge-
führt, speziell mit dem Thema Hospiz befasst. Andernfalls wäre es möglich, ein für
bestimmte Waren oder Dienstleistungen bestehendes Eintragungshindernis da-
durch zu umgehen, dass in das Verzeichnis ein entsprechend weit gefasster Wa-
ren-/Dienstleistungsbegriff aufgenommen wird.
Was die geographische Angabe „Stuttgart“ anbelangt, ist diese Großstadt die
Hauptstadt des Landes Baden-Württemberg und einer der wirtschaftsstärksten,
bekanntesten Standorte in Europa (vgl. Duden a. a. O. S. 1641; Brockhaus, Enzy-
klopädie, 21. Aufl., Band 26 S. 540f.). Als sachbeschreibende Angabe über den
Herkunfts-/Erbringungsort der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist die-
se Angabe geeignet, jedoch nicht als Betriebskennzeichnung; entgegenstehende
Anhaltspunkte sind nicht erkennbar.
HOSPIZ STUTTGART
scheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zwar ist eine unterscheidungs-
kräftige Marke dann anzunehmen, wenn ein merklicher Unterschied zwischen dem
Gesamtgebilde und der bloßen Summe der Bestandteile besteht, was bei Wort-
kombinationen sprachliche oder begriffliche Besonderheiten voraussetzt, welche
die gewählte Verbindung als ungewöhnlich und über die bloße Summenwirkung
der Einzelworte hinausgehend erscheinen lässt (vgl. EuGH a. a. O. Nr. 98-100
- Postkantoor; GRUR 2006, 229, 230 Nr.
34-37 -
BioID; a. a. O. Nr. 39-41
- BIOMILD; auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 92). Als eine solche
in ihrer Gesamtheit unterscheidungskräftige, nicht beschreibende Gesamtheit
kann die angemeldete Marke nicht beurteilt werden. Beide Einzelbestandteile wer-
den dabei entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Ge-
samtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff. Die
Anmeldung bringt nämlich insgesamt nur zum Ausdruck, dass Herstellungs-/Ver-
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triebs- bzw. Erbringungsort/-stätte der angemeldeten Waren und Dienstleistungen
ein Hospiz in Stuttgart ist und erfüllt damit nicht die Funktion eines sich durch indi-
viduelle Merkmale von den Waren und Dienstleistungen anderer Anbieter unter-
scheidenden betrieblichen Herkunftshinweises (vgl. u. a. EuGH a. a. O. - Nr. 86
-
Postkantoor; BGH a.
a.
O. -
Cityservice; BGH a.
a.
O. m.
w.
N. -
URLAUB
DIREKT).
Soweit sich die Anmelderin auf Voreintragungen von ihrer Meinung nach ver-
gleichbaren Marken bezogen hat, vermag dies in Übereinstimmung mit der ständi-
gen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundespatentgerichts so-
wie auch der ganz überwiegenden Literaturmeinung keine andere Beurteilung zu
begründen. Es bedarf deshalb im Einzelnen keiner Erörterung, ob die genannten
Voreintragungen überhaupt gleich zu beurteilende Sachverhalte betreffen (vgl.
BPatG GRUR 2007, 337 - Papaya; BPatG MarkenR 2007, 178 - CASHFLOW).
Dr. Vogel von Falckenstein
Winter
Hartlieb
Ko