Urteil des BPatG vom 17.02.2000

BPatG (marke, form der verpackung, bildmarke, verwechslungsgefahr, dreidimensionale marke, beschwerde, form, verpackung, 1995, benutzung)

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 137/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 395 11 272
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 26. September 2001 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Voit
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß des
Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 31 -
vom 17. Februar 2000 aufgehoben, soweit die Löschung der an-
gegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der
Marke 394 10 425 angeordnet worden ist.
Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die seit 20. November 1995 für zahlreiche Waren der Klasse 31 eingetra-
gene und nachfolgend in vier Darstellungen wiedergegebenen dreidimensionale
Marke 395 11 272
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siehe Abb. 1 am Ende
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ist Widerspruch erhoben aus der am 30. Dezember 1994 angemeldeten und seit
dem 17. August 1995 für
"Tierfutter für Haustiere, einschließlich Ergänzungs- und Belohnungsfutter"
eingetragenen Marke 394 10 425
siehe Abb. 2 am Ende
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Die Widerspruchsmarke ist vom Deutschen Patent- und Markenamt zunächst als
Bildmarke behandelt und so auch am 30. Oktober 1995 veröffentlicht worden. Ein
Widerspruch gegen die Marke ging nicht ein. Mit Berichtigungsantrag vom
11. März 1996 (Bl 16 VA) hat die damalige Inhaberin der Widerspruchsmarke mit
Erfolg beantragt, der Marke zuzuerkennen, daß es sich um eine 3D-Marke han-
dele und dementsprechend die Eintragung im Register zu ergänzen. Anfang 1997
ist die Marke auf die jetzige Inhaberin übertragen worden.
Die Markenstelle für Klasse 31 hat dem Widerspruch teilweise stattgegeben und
unter Zurückweisung des Widerspruchs im übrigen die Löschung der jüngeren
Marke für die folgenden Waren angeordnet:
"Tierfutter, einschließlich Vogel- und Fischfutter sowie Biskuits, kleine Leckerbis-
sen und Belohnungshappen; verdauliche Kauknochen und –stangen für Heimtiere;
Sepiaschale (für Käfig-Vögel); sowie Zubereitungen aus diesen Waren zur
Verwendung als nichtmedizinische Futterergänzungsmittel".
Zur Begründung führt die Markenstelle an, unabhängig davon, ob die Wider-
spruchsmarke als 3D- oder als Bildmarke zu werten sei, könne eine bildliche Ver-
wechslungsgefahr zwischen einer sechseckigen und einer achteckigen Futter-
schale festgestellt werden, da der Verbraucher wegen der Vielzahl marktgängiger
Schalen, diese im Einzelnen nicht auseinanderhalten könne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie erhebt die Ein-
rede der Nichtbenutzung der älteren Marke und vertritt die Auffassung, bei der
Widerspruchsmarke handele es sich um eine Markeneintragung kontra legem, da
eine 3D-Marke mit Anmeldetag 30. Dezember 1994 im Register eingetragen sei,
auf die ein Widerspruch nicht gestützt werden könne. Im übrigen fehle es an einer
Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken.
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Die Markeninhaberin beantragt,
den Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise den Wi-
derspruch unter Verneinung der zeichenrechtlichen Übereinstim-
mung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie legt Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vor und tritt der Be-
schwerde in allen Punkten entgegen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet. Nach Auffassung
des Senats besteht vorliegend jedenfalls keine Gefahr von Verwechslungen zwi-
schen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke im Sinne des § 9
Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der Beschluß der Markenstelle, soweit dem Wider-
spruch stattgegeben wurde, aufzuheben war.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken
auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein
geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähn-
lichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000,
506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon,
ob sich Wort-, Bild-, Wort/Bild- oder dreidimensionale Marken gegenüber stehen.
1. Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob die Widerspruchsmarke rechtser-
haltend nach §§ 43, 26 MarkenG benutzt wird.
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Bei dieser handelt es sich um eine Bildmarke, da sich dies für den Senat unzwei-
felhaft aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ergibt, die keine Anhaltspunkte
für eine von der anwaltlich vertretenen Anmelderin in Wirklichkeit beabsichtigte
3D-Markenanmeldung erkennen lassen. Gegen die Veröffentlichung und
Registereintragung als Bildmarke hat die damalige Inhaberin der Widerspruchs-
marke zunächst auch keine Einwände erhoben. Ihr Antrag auf Änderung der Mar-
kenkategorie datiert erst vom 11. März 1996 und hätte wegen fehlender Er-
folgsaussichten zurückgewiesen werden müssen. Der dennoch vom Deutschen
Patent- und Markenamt vorgenommene Wechsel der Markenkategorie ist rechts-
widrig, da er eine unzulässige nachträgliche Änderung des angemeldeten Zei-
chens darstellt (BGH WRP 2001, 31 Leitsatz – "Zahnpastastrang"). Bei der Beur-
teilung des vorliegenden Kollisionsfalls ist für den Senat daher nicht die (falsche)
Registerlage maßgeblich, sondern von der Marke auszugehen, wie sie sich aus
den Anmeldeunterlagen ergibt.
Handelt es sich daher bei der älteren Kennzeichnung um eine Bildmarke (Abbil-
dung einer Futterschale), begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, daß
diese in Form eines dreidimensionalen Gegenstands (Futterschale selbst) benutzt
werden kann. Fraglich ist jedoch, was die widersprechende Bildmarke darstellt,
insbesondere ob es sich um die Abbildung einer Futterschale handelt, über der
der passende Deckel dargestellt ist oder ob es sich insoweit um eine Draufsicht
der Futterschale selbst handelt. Selbst wenn man zugunsten der Widersprechen-
den von einer Darstellung einer Schale mit Deckel ausgeht, weisen die von der
Widersprechenden eingereichten tatsächlichen Benutzungsformen gegenüber der
Markendarstellung zahlreiche Zusätze auf, die den kennzeichnenden Charakter
der Marke verändern (§ 26 Abs. 2 MarkenG). So besitzen die vorgelegten Futter-
schalen Sicken, die jedenfalls in dieser konkreten Anordnung nicht technisch be-
dingt sind, und weisen darüber hinaus eine Falzung an der oberen Kante auf wie
auch eine gänzlich von der eingetragenen Fom abweichende Bodengestaltung mit
einer kreisrunden Stanzung. Zusammen mit den unschlüssigen Angaben in der
eidesstattlichen Versicherung, wer im nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG relevanten
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Benutzungszeitraum vom 26.9. 1996 bis zum Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung die Marke benutzt hat, wobei sich eine Benutzung durch die seit Ja-
nuar 1997 auch formell berechtigte jetzige Inhaberin der Widerspruchsmarke aus
den Angaben auf den eingerechten Futterschalen gerade nicht ergibt, rechtfertigt
es sich, den Widerspruch bereits mangels Benutzung der älteren Marke zurück-
zuweisen.
2. Jedenfalls fehlt es nach Ansicht des Senats an einer Verwechslungsgefahr (§ 9
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeich-
nungen, wobei es für deren Beurteilung dahingestellt bleiben könnte, ob die Wi-
derspruchsmarke als Bildmarke oder als 3D-Marke anzusehen ist, da auch zwi-
schen einer zweidimensionalen Marke und einer 3D-Marke Verwechslungsgefahr
bestehen kann (BGH MarkenR 2000, 140, Leitsatz1 – ATTACHÉ/TISSERAND).
Bereits nach der Registerlage ist vorliegend von teilweiser Warenidentität auszu-
gehen, da sich die Marken im Bereich der Tiernahrung bzw des Tierfutters be-
gegnen können. Die Waren richten sich an breiteste Verkehrskreise, so daß an
den Zeichenabstand eher strenge Anforderungen zu stellen sind, zumal es sich
um billige Waren des täglichen Bedarfs handelt, die erfahrungsgemäß vom Ver-
braucher mit einer gewissen Flüchtigkeit den Kennzeichnungen gegenüber er-
worben werden.
Den danach zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr notwendigen Abstand der
Zeichen hält die angegriffene Marke vor dem Hintergrund des äußerst geringen
Schutzumfangs der Widerspruchsmarke allerdings noch ein. Wird der Verkehr mit
einer dreidimensionalen Marke in Form einer Warenverpackung konfrontiert, kann
nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, daß er diese primär nicht
als Herkunftshinweis auf die darin enthaltenen Waren erfaßt und versteht, sondern
zunächst einmal nur als bloßes Behältnis wahrnimmt. Dem entspricht die Übung
und Gewöhnung des Verkehrs, der Verpackung im Rahmen der Herkunftsfunktion
grundsätzlich geringere Bedeutung beizumessen als etwa der Etikettierung mit der
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markenmäßigen Benennung des Produkts (vgl BGH Mitt 2000, 506 - Likörflasche -
, BGH GRUR 2000, 888 - MAG-LITE-, BGH GRUR 2001, 443 - Viennetta-).
Orientiert sich der Verkehr aber vordergründig eher an solchen Merkmalen, tritt für
ihn die Form der Verpackung als Herkunftshinweis in den Hintergrund und findet
nur geringere Beachtung. Formmarken, die eine dreidimensionale Verpackung
zum Gegenstand haben, können damit von Haus aus zunächst nur ein äußerst
geringer Schutzumfang beanspruchen, der letztlich auf identische oder nahezu
identische Nachahmungen beschränkt ist (vgl Erdmann GRUR 2001, 609, 612
"Reduzierung auf 1:1-Schutz").
Hinzu kommt folgendes: Erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten und Übereinstim-
mungen von Marken letztlich im beschreibenden oder dem Markenschutz nicht
zugänglichen Bereich, scheidet eine Verwechslungsgefahr von vornherein bereits
aus Rechtsgründen aus (so schon BGH GRUR 1990, 453 L-Thyroxin). Dieser
Grundsatz gilt auch für den Fall, daß eine Formmarke einer Bildmarke, die eine
dreidimensionalen Darstellung einer Warenverpackung zeigt, gegenübersteht,
wobei beide Markenformen ihre augenscheinlichen Gemeinsamkeiten allein aus
dem Umstand herleiten, daß sie - wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung -
beide die Abwandlung eines nicht markenschutzfähigen Prototypen der Ver-
packung von Tierfutter zum Gegenstand haben. Der Senat hat durch Recherchen
in Katalogen und Werbeprospekten für Tierfutter sowie im Internet festgestellt, daß
Naßfutter vor allem für Katzen und Hunde ganz überwiegend in "quadratischen"
Schalen mit "abgerundeten Ecken" angeboten wird, was von der Industrie
offensichtlich als die ökonomischste Verpackungsart hinsichtlich Transport und
Lagerung betrachtet wird. Diese Form kann auf dem vorliegenden Warengebiet
daher als Prototyp bezeichnet werden und ist wegen des Freihaltungsinteresses
der Mitbewerber deshalb einem markenrechtlichen Schutz nicht zugänglich. Das
schließt aber nicht aus, diese Grundform - wie bei Wort- oder Bildmarken allge-
mein üblich - unter Verwendung charakteristischer Merkmale in nunmehr kenn-
zeichnender Weise abzuwandeln und für diese neue Gestaltungsform Marken-
schutz zu erlangen, falls sich die Abwandlung nicht lediglich in reiner Ornamentik
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oder sonstigen unbedeutenden Zusätze erschöpft. In allen diesen Fällen erstreckt
sich der Schutzumfang solcher Marken jedoch in keinem Fall auf die abgewan-
delte freizuhaltende Grundform, sondern allein auf die Art und Weise der Ab-
wandlung und der dabei verwendeten charakteristischen Merkmale. Vorliegend
steht bereits eine Sechseckfutterschale seitens der Widersprechenden dem acht
Ecken aufweisenden Futterbehältnis der Markeninhaberin gegenüber. Vor diesem
Hintergrund und unter Berücksichtigung weiterer kennzeichnender Unterschiede in
der Form des Bodens und der seitlichen Gestaltung sind beide Markenformen so
weit vom Prototypen abgewandelt, daß eine Markenkollison aus Rechtsgründen
nicht in Betracht kommt.
Mangels Vorliegen einer Verwechslungsgefahr hatte die Beschwerde der Marken-
inhaberin damit Erfolg, so daß der angefochtene Beschluß aufzuheben war. Anlaß
zur Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand nicht (§ 71 Abs 1
MarkenG).
Der von der Markeninhaberin gestellte Antrag, das Beschwerdeverfahren bis zur
Entscheidung über den gegen die Widerspruchsmarke gestellten Löschungsan-
trag auszusetzen, hat sich durch die vorliegende Entscheidung erledigt.
Stoppel Martens
Voit
prö
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Abb. 1
Abb. 2