Urteil des BPatG vom 10.08.2001

BPatG: gebrauchsmuster, patent, verzicht, verwarnung, billigkeit, auskunft, sachprüfung, unterlassen, verfügung, gerichtsbarkeit

BUNDESPATENTGERICHT
5 W (pat) 19/00
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
6.70
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wegen Löschung des Gebrauchsmusters 90 15 421
(hier: Kostenentscheidung)
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
am 10. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter Goebel sowie die Richterin-
nen Tronser und Friehe-Wich
beschlossen:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des
Deutschen Patent- und Markenamts – Gebrauchsmusterabtei-
lung I - vom 7. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
G r ü n d e
I
Die Antragstellerin hat am 7. Oktober 1999 beim Deutschen Patent- und Marken-
amt die Löschung des einen "Fahnenmast mit künstlich wehender Fahne" betref-
fenden Gebrauchsmusters 90 15 421 des Antragsgegners beantragt. Da der An-
tragsgegner dem Löschungsantrag nicht widersprochen hat, ist das Gebrauchs-
muster gelöscht worden.
Die Beteiligten haben beim Deutschen Patent- und Markenamt wechselseitig be-
antragt,
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die Kosten des Löschungsverfahrens dem Gegner aufzuerle-
gen.
Der Antragsgegner hat dies damit begründet, daß wegen des unwidersprochen
gebliebenen Löschungsantrags § 93 ZPO zu seinen Gunsten anzuwenden sei und
der Löschungsantrag mangels hinreichender Substantiierung des Vortrags der
Antragstellerin unzulässig gewesen sei. Die Antragstellerin hat ausgeführt, weil
der Antragsgegner sich auf den Löschungsantrag hin nicht ausdrücklich erklärt
habe, könne ein Fall des § 93 ZPO nicht vorliegen. Im übrigen habe der An-
tragsgegner sich noch mit Schreiben vom 26. Mai 1999 seines Gebrauchsmusters
berühmt, indem er ihr einen Lizenzvertrag angeboten und von ihr Auskunft über
sämtliche von ihr produzierten und vertriebenen Fahnenmasten verlangt hat.
Durch Beschluß vom 7. August 2000 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des
Deutschen Patent- und Markenamtes die Kosten des Verfahrens der Antragstelle-
rin auferlegt, weil der Antragsgegner der beantragten Löschung nicht widerspro-
chen und damit den Löschungsanspruch sofort anerkannt habe. Eine Aufforde-
rung zum freiwilligen Verzicht auf das Gebrauchsmuster habe die Antragstellerin
vor der Einleitung des Löschungsverfahrens offenbar nicht ausgesprochen. Daß
eine solche Verzichtsaufforderung ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei, kön-
ne ihrem Vortrag nicht entnommen werden. Die bloße Geltendmachung des Ge-
brauchsmusters in der Vorkorrespondenz reiche insoweit nicht aus. Mithin habe
der Antragsgegner keine Veranlassung zur Einleitung des Löschungsverfahrens
gegeben.
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Nach Zustellung des Beschlusses am 11. August 2000 hat die Antragstellerin
hiergegen am 6. September 2000 Beschwerde erhoben und zur Begründung vor-
getragen: Aus den vor Einleitung des Löschungsverfahrens bei ihr eingegangenen
Schreiben des Antragsgegners vom 22. März und 26. Mai 1999, mit denen dieser
ihr den Abschluß eines Lizenzvertrages angeboten und Auskunft darüber verlangt
habe, wieviele Fahnenmasten der streitgegenständlichen Art sie und zu welchen
Preisen in der Vergangenheit bis zum damaligen Tag ausgeliefert habe, folge die
Entbehrlichkeit einer Aufforderung zum freiwilligen Verzicht auf das Ge-
brauchsmuster, weil deshalb ein freiwilliges Nachgeben des Antragsgegners aus-
geschlossen erscheinen mußte. Sie habe mit Schreiben vom 29. September 1999
nach entsprechenden Recherchen dem Antragsgegner mitgeteilt, daß das Ge-
brauchsmuster nicht anerkannt werde und daher auch für eine Lizenzvereinbarung
kein Raum sei.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Antrags-
gegner die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen.
Der Antragsgegner wendet sich hiergegen und macht geltend, aus den von der
Antragstellerin vorgelegten Unterlagen ergebe sich gerade nicht, daß sie ihn unter
Fristsetzung zur Löschung seines Gebrauchsmusters aufgefordert habe. Vielmehr
habe sie im Zuge der stattfindenden Vergleichsverhandlungen ohne jede weitere
Vorwarnung, Abmahnung oder Fristsetzung Antrag auf Löschung des Ge-
brauchsmusters gestellt.
II
Die zulässige Beschwerde mußte in der Sache ohne Erfolg bleiben:
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Denn zu Recht hat die Gebrauchsmusterabteilung die Kosten des Löschungsver-
fahrens der Antragstellerin auferlegt. Diese Entscheidung steht im Einklang mit
§ 17 Abs 4 Satz 1 und 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 93 ZPO, weil der An-
tragsgegner den Löschungsanspruch sofort anerkannt und auch durch sein Ver-
halten der Antragstellerin keine Veranlassung zur Erhebung des Löschungsan-
trags gegeben hat.
Die Anwendung des § 93 ZPO auf den vorliegenden Fall scheitert nicht - wie die
Antragstellerin meint - daran, daß der Antragsgegner den Löschungsantrag unwi-
dersprochen gelassen und keine auf seine Anerkennung gerichtete, ausdrückliche
Erklärung abgegeben hat. Zwar setzt § 93 ZPO für den Rechtsstreit vor den
Gerichten der allgemeinen ordentlichen Gerichtsbarkeit die förmliche Erklärung
des Beklagten voraus, daß der gegen ihn geltendgemachte Anspruch anerkannt
wird (§ 307 ZPO). Bei - entsprechend § 84 Abs 2 Satz 2 PatG - sinngemäßer An-
wendung im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren steht es indessen einer sol-
chen Anerkenntniserklärung gleich, wenn der Antragsgegner - wie hier - im Lö-
schungsantrag innerhalb der Monatsfrist des § 17 Abs 1 Satz 1 GebrMG nicht wi-
derspricht. Denn das Unterlassen des Widerspruchs hat die gleiche rechtliche
Wirkung wie das Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO: dem geltendgemachten
Anspruch, der im Zivilprozeß auf antragsgemäße Verurteilung, im Löschungsver-
fahren auf Löschung des Gebrauchsmusters gerichtet ist, kann ohne jede Sach-
prüfung in vollem Umfang stattgegeben werden.
Dieser gleichen Rechtsfolge gegenüber fällt es nicht ins Gewicht, daß im Zivilpro-
zeß wegen der dort bestehenden weitergehenden Parteiherrschaft der Erlaß eines
Anerkenntnisurteils besonders beantragt werden muß (§ 307 ZPO), während die
Löschung eines Gebrauchsmusters gemäß § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG mangels
rechtzeitigen Widerspruchs ohne weiteres erfolgt. Auch kommt es nicht darauf an,
daß der unterlassene Widerspruch nicht in jedem Fall den tatsächlichen Willen
des Gebrauchsmusterinhabers zum Ausdruck bringt, er wolle den Lö-
schungsanspruch wirklich anerkennen. Auch ein ausdrücklich erklärtes Aner-
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kenntnis eines Löschungsanspruchs hätte unter den Voraussetzungen des § 17
Abs 1 Satz 1 GebrMG keine andere Bedeutung als die eines unterlassenen Wi-
derspruchs (vgl BPatGE 8, 47, 50; Bühring, GebrMG, 5. Aufl, § 17 Rdn 33).
Der Antragsgegner hat auch nicht - wie die Antragstellerin meint - Veranlassung
zur Stellung des Löschungsantrags gegeben. Ein solches Verhalten, das den
Schluß auf die Notwendigkeit eines Löschungsverfahrens rechtfertigt, kann jeden-
falls nicht in der bloßen Verwarnung aus dem Schutzrecht (wie sie das an die An-
tragstellerin gerichtete Schreiben des Antragsgegners vom 22. März 1999 dar-
stellt) gesehen werden. Denn hieraus ergibt sich - nur -, daß eine Konfliktlage
zwischen den Beteiligten besteht, aber nicht, welcher Lösung - einer vergleichs-
weisen oder streitigen - sie zugeführt werden kann. So hat denn der Antragsgeg-
ner mit weiterem Schreiben vom 26. Mai 1999 der Antragstellerin eine vergleichs-
weise Regelung angeboten. Weshalb ein freiwilliges Nachgeben eines Schutz-
rechtsinhabers dadurch ausgeschlossen erscheinen soll, daß er in einem Ver-
gleichsangebot erstmals eine Verhandlungsposition vertritt, hat auch die Antrag-
stellerin nicht begründet. Dem Sinn und Zweck des § 93 ZPO folgend, nämlich
unnötige Prozesse bzw vorliegend unnötige Löschungsverfahren zu vermeiden,
hat es die Rechtsprechung deshalb für eine Kostenentlastung des Antragstellers
als erforderlich angesehen, daß dieser vor der Stellung eines Löschungsantrags
den Gebrauchsmusterinhaber unter Angabe des näher darzulegenden Lö-
schungsgrundes und mit angemessener Fristsetzung zur freiwilligen Aufgabe des
Gebrauchsmusters, zur Erklärung des Verzichts auf Ansprüche aus dem Ge-
brauchsmuster oder zur Einräumung eines kostenlosen Mitbenutzungsrechts auf-
fordert und der Gegner dem innerhalb der Frist nicht Folge leistet (vgl BPatGE 21,
38, 39 mwNachw). Denn nur dann kann vernünftigerweise davon ausgegangen
werden, daß mangels freiwilligen Nachgebens ein patentamtliches Löschungsver-
fahren notwendig ist (vgl BPatGE 21, 17, 18).
Daß eine solche Aufforderung gegenüber dem Antragsgegner abgegeben worden
wäre, macht die Antragstellerin selbst nicht geltend. Wenn sie vorträgt, sie habe
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mit Schreiben vom 29. September 1999 dem Antragsgegner nach entsprechenden
Recherchen mitgeteilt, daß das Gebrauchsmuster nicht anerkannt werde und
daher auch für eine Lizenzvereinbarung kein Raum sei, kann auch darin weder ei-
ne Aufforderung zum freiwilligen Verzicht auf das Gebrauchsmuster noch zur Ein-
räumung eines kostenlosen Mitbenutzungsrechts gesehen werden. Vielmehr
konnte der Antragsgegner daraufhin zu Recht bemüht sein, ein neues Vergleichs-
angebot in den Raum zu stellen. Jedenfalls ist es dann als "Klageüberfall" zu
bewerten, wenn die Antragstellerin nach Abfassung ihres Schreibens vom
29. September 1999 ohne weitere Fristsetzung - bereits - am 7. Oktober 1999
einen Löschungsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht hat.
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, daß die Verwarnung aus
dem Gebrauchsmuster - wie sie der Antragsgegner mit seinen Schreiben vom
22. März und 26. Mai 1999 an die Antragstellerin erklärt hat - kein Verhalten dar-
stellt, das es nach der hierzu entwickelten Rechsprechung ausnahmsweise recht-
fertigt, von einer Aufforderung an den Gebrauchsmusterinhaber, auf sein Schutz-
recht insgesamt oder einzelne seiner Ansprüche zu verzichten oder ein kostenlo-
ses Mitbenutzungsrecht einzuräumen, abzusehen. Ein solches Verhalten, das ein
freiwilliges Nachgeben des Gebrauchsmusterinhabers ausgeschlossen erscheinen
läßt, liegt vor, wenn der Gebrauchsmusterinhaber gegen den Löschungsan-
tragsteller wegen Verletzung des Schutzrechts eine (noch anhängige) Klage erho-
ben, den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt oder ihm ein Verfügungs-
verfahren angedroht hat. Die Verwarnung aus einem eingetragenen Gebrauchs-
muster oder gar das Angebot von Vergleichsverhandlungen kann jedenfalls ein
Absehen von einer solchen Aufforderung des Löschungsantragstellers nicht
rechtfertigen (vgl BPatG 21, 17, 18).
Da der Antragsgegner mithin durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Stel-
lung des Löschungsantrags gegeben und diesen sofort anerkannt hat, ist für eine
andere Kostenentscheidung als die vom Deutschen Patent- und Markenamt erlas-
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sene auch unter Berücksichtigung der Billigkeit (vgl § 84 Abs 2 Satz 2 PatG) kein
Raum.
Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil
sie das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat (§ 97 Abs 1 ZPO). Auch insoweit
erfordert die Billigkeit keine andere Entscheidung.
Goebel Tronser Friehe-Wich
br/Be