Urteil des BPatG vom 13.10.2010

BPatG (marke, dreidimensionale marke, form der ware, patent, eugh, form, antragsteller, unterscheidungskraft, beschwerde, eintragung)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 136/09
führend verbunden
mit
26 W (pat) 137/09
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 307 59 218.9
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 13. Oktober 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann, des Richters Reker und der Richterin Dr. Schnurr
beschlossen:
1. Das Verfahren 26 W (pat) 137/09 wird zum Verfahren 26 W (pat) 136/09
verbunden. Es führt das Verfahren 26 W (pat) 136/09.
2. Die Beschwerden des Antragsgegners werden zurückgewiesen.
3. Dem Antragsgegner wird eine Beschwerdegebühr erstattet.
G r ü n d e
I.
Mit zwei bislang in getrennten Verfahren bearbeiteten Anträgen haben die An-
tragsteller jeweils die Löschung der am 17.12.2007 für die Waren
„Weine, inklusive Apfelwein und andere Fruchtweine sowie Honigwein“
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eingetragenen dreidimensionalen Marke 307 59 218.9
des Antragsgegners mit der Begründung beantragt, einer Eintragung der Marke
habe bei Anmeldung das absolute Schutzhindernis fehlender Unterscheidungs-
kraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden. Die Marke sei
freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Das für den Flaschen-
anhänger verwendete Befestigungsband sei schließlich aus technischen Gründen
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notwendig gemäß § 3 Abs. 2 MarkenG. Der Antragsgegner hat der Löschung je-
weils innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Be-
schlüssen vom 22.04.2009 und 23.4.2009 die Löschung der angegriffenen Marke
angeordnet und bestimmt, dass Kosten weder auferlegt noch erstattet werden. Zur
Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der angegriffenen Marke habe
bei Eintragung die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG gefehlt. Die dreidimensionale Marke stelle ein sogenanntes „An-
hängeetikett“ dar, das als gefaltetes Heftchen oder Broschüre um den Hals einer
Weinflasche gehängt werde. Dies sei im Verkehr auch unter Berücksichtigung der
Tatsache nicht unüblich, dass die angemeldete Marke ein aus mehreren Seiten
bestehendes Heftchen bzw. eine Minibroschüre darstelle.
Gegen die Beschlüsse vom 22.04.2009 und 23.04.2009 richten sich die Be-
schwerden des Antragsgegners, mit denen er beantragt,
1.
die
angefochtenen
Beschlüsse
aufzuheben
und
die
Löschungsanträge zurückzuweisen,
2. sowie ihm eine Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Er wendet ein, in der betrachteten Weinbranche diene gerade die Etikettierung als
betrieblicher Herkunftshinweis. Als einen solchen werde der Verkehr auch die im
Vergleich zu einem zweidimensionalen Weinetikett leichter ins Auge springende
Form - und Bildgestaltung der Etikettierung durch ein geheftetes oder gebundenes
Büchlein in der Form eines Anhängeetiketts erkennen. Das gewählte Befesti-
gungsband weise mit seiner geringen Stärke, dem ununterbrochenen Durchlauf an
der Öse und der recht straffen Verbindung von Flasche und Anhänger auch
nichttechnische Merkmale auf, die es dem Gesamteindruck der Marke hinzufüge.
Ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht. Üblicherweise seien Anhängeetiketten ein-
seitig oder einfach gefaltet, jedoch gewöhnlicherweise weder mehrseitig noch auf-
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klappbar, verbunden oder geheftet. Durch ihre relative Größe zum Flaschenkör-
per, dem sehr dünnen Befestigungsband, dem ununterbrochenen Durchgang des
Befestigungsbandes an der Öse und der engen Verbindung von Marke und Fla-
schenkörper weise die eingetragene Marke prägende Merkmale auf. Dass soge-
nannte „Minibroschüren“ im Weinhandel unüblich seien, spreche gerade für die
Unterscheidungskraft der eingetragenen Marke in Bezug auf die beanspruchten
Waren. Der Verweis der Markenstelle auf einen Schweizer Anbieter von Anhän-
geretiketten gehe fehl, da die umstrittene Marke gerade nicht für den Etiketten-
markt eingetragen sei, sondern durch die Weinkonsumenten wahrgenommen
werde. Der Antragsgegner moniert, dass beide Löschungsanträge in zwei ge-
trennten Verfahren behandelt wurden und vertritt die Auffassung, dass ihm die
- doppelt gezahlte - Beschwerdegebühr einmal zurückzuerstatten sei. Er regt eine
Verfahrensverbindung an.
Der Antragsteller im Verfahren 26 W (pat) 136/09 beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verweist auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Deutschen
Patent- und Markenamtes im Beschluss vom 22.4.2009.
Der Antragsteller im bisherigen Verfahren 26 W (pat) 137/09 hat im Beschwerde-
verfahren keinen Antrag gestellt.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten des Deutschen Patent- und Markenamtes
Az. 307 59 218.9, S 84/08 Lö und S 80/08 Lö Bezug genommen.
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II.
1.
Das Verfahren 26 W (pat) 137/09 war zum Verfahren 26 W (pat) 136/09 zu ver-
binden, § 147 ZPO, § 82 Abs. 1 MarkenG. Zwischen beiden Verfahren besteht ein
rechtlicher Zusammenhang, weil beide Anträge, über die das Deutsche Patent-
und Markenamt in den angefochtenen Beschlüssen vom 22.04.2009 und
23.04.2009 entschieden hat, die Löschung derselben Marke betreffen. Es führt
das Verfahren 26 W (pat) 136/09.
2.
Die zulässigen Beschwerden des Antragsgegners gegen die angefochtenen Be-
schlüsse haben in der Sache keinen Erfolg. Denn die Feststellung des Deutschen
Patent- und Markenamtes, die angemeldete dreidimensionale Marke sei nicht un-
terscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG und daher gem.
§§ 54, 50 Abs. 1 MarkenG zu löschen, ist frei von Rechtsfehlern.
Unterscheidungskraft weist eine Marke, gleich welcher Art oder Kategorie, nur
dann auf, wenn sie geeignet ist, die Waren und/oder Dienstleistungen als von ei-
nem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von
denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2003, 514, 517
Rdn. 40 und 47 - Linde, Winward Rado; a. a. O. Rdn. 48 - Henkel). Auch dieses
Eintragungshindernis ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihm
zugrunde liegt, und das darin besteht, den freien Waren- und Dienstleistungsver-
kehr zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 805, 809 - Philips). Für kenn-
zeichnungsrechtliche Monopole ist damit nur Raum, soweit eine als Marke bean-
spruchte Bezeichnung geeignet ist, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der
bezeichneten Waren und/oder Dienstleistungen zu garantieren und damit die Her-
kunftsfunktion der Marke zu erfüllen (EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 - BRAVO).
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Marken, die aus der Form der Ware bestehen, weisen - wie die Markenstelle zu-
treffend festgestellt hat - die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung
nur auf, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweichen
(EuGH a. a. O. - Rdn. 49 - Henkel). Das Gleiche gilt für dreidimensionale Marken,
die aus der Verpackung einer Ware bestehen, die aus mit der Art der Ware selbst,
wie z. B. ihrer flüssigen Konsistenz, zusammenhängenden Gründen verpackt Ge-
genstand des Wirtschaftsverkehrs sind (EuGH a. a. O. Rdn. 37 - Henkel). Die an-
gemeldete Marke ist für Weine inklusive Apfelwein und andere Fruchtweine sowie
Honigwein eingetragen worden, die in Flaschen in den Verkehr gebracht werden.
Ihre Eintragung setzt daher voraus, dass das Erscheinungsbild des Weinflaschen-
etiketts als aufklappbares, mehrseitiges, geheftetes oder gebundenes Heftchen
bzw. Büchlein erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht. Wie eine
Internetrecherche zeigt, ist es nicht unüblich, Weinflaschen mit Anhängeetiketten
zu versehen (vgl. „die Weinfla-
sche schmückt ein Anhänger mit Hinweisen zum richtigen Öffnen und Verkosten
des alten Weines“; Interpretationshilfen für Lebensmittelgesetzgebung, Verband
der Kantonschemiker der Schweiz, Interpretationshilfe Nr. 7 „Dürfen Weinflaschen
anstelle der aufgeklebten Etikette lediglich mit einer Anhängeetikette gekenn-
zeichnet werden? - Ja, sofern die Anhängeetikette an der Flasche sicher fixiert ist
(z. B. mit einem Siegel)“;.www.borgsen-buschmann.de/content… Anhängeetiket-
ten, „der Werbekalender an der Weinflasche“ -„Ihr Anhänger bleibt am gewünsch-
ten Ort - ganz sicher, Anhänger ungefalzt oder gefalzt, geheftet oder gestanzt,
Format min. 25 x 16 Millimeter bis max. 150 x 250 Millimeter, Schlaufenlänge min.
35 Millimeter bis max. 180 Millimeter, Faden: Gummi, Kunstseide, Baumwolle,
Hanf in verschiedenen Stärken und allen Farben“). Das letzte Beispiel zeigt, dass
die im Handel erhältlichen Weinflaschenetiketten durchaus die der angemeldeten
Marke innewohnenden Eigenschaften aufweisen und als aufklappbares, mehrsei-
tiges, geheftetes oder gebundenes Heftchen oder Büchlein ausgestaltet sind. Die
Verbindung des Etikettes durch ein geschlossenes Band, welches durch ein Loch
in der oberen linken Ecke des Etikettes geführt wird, lässt keine andere Beurtei-
lung zu: Denn dieses Merkmal, dass sich auch bei im Handel erhältlichen Anhän-
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geetiketten weiterer Hersteller findet, dient ausschließlich der Herbeiführung einer
technischen Wirkung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (vgl. hierzu auch
BGH I ZB 53/07 - Legostein).
Vom umfangreichen Formenschatz an Anhängeetiketten, die am Markt auch für
Weinflaschen angeboten werden, hebt sich die angemeldete Marke somit nicht
deutlich ab. Da sie lediglich die Form des Anhängeetikettes, nicht aber seine
Farbgebung oder einen besonders auffälligen Druck betrifft, wird der aufmerksame
durchschnittliche Weinkonsument allein aus dem Umstand, dass einer Weinfla-
sche mittels eines Bändchens eine mehrseitige geheftete oder gebundene Bro-
schüre umgehängt ist, nicht auf einen bestimmten Hersteller des Produktes
schließen.
Die Argumentation des Antragsgegners, die Markenstelle habe die angesproche-
nen Verkehrskreise unzulässigerweise auf dem Markt für Markenetiketten und
nicht auf dem Markt für Weinkonsumenten gesucht, geht fehl. Da Weinerzeuger
üblicherweise Anhängeetiketten nicht selbst produzieren, entsprechen die im
Weinhandel erhältlichen Etiketten an Weinflaschen denjenigen Produkten, die zu-
vor von Etikettenherstellern für ihren Kundenkreis, darunter die Erzeuger von Wei-
nen, gefertigt worden sind.
Da es auch Mitbewerbern gestattet bleiben muss, ihre Weinflaschen künftig mit
Anhängeetiketten zu versehen, die die Form der angemeldeten Marke aufweisen,
besteht zugleich ein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG.
Nach diesen Ausführungen muss dem Antragsgegner der Erfolg seiner Be-
schwerden versagt bleiben.
3.
Sein auf die Rückzahlung einer Beschwerdegebühr gerichteter Antrag ist hinge-
gen zulässig und begründet. Nach Maßgabe des § 71 Abs. 3 MarkenG ist dem
Antragsgegner aus Billigkeitsgründen eine Beschwerdegebühr zu erstatten (vgl.
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hierzu Knoll in Ströbele/Hacker a. a. O., § 71 Rn. 32 unter Hinweis auf die in
Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl. 2008, § 73 Rn. 134 ff.; Busse/Keukenschrijver,
Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, § 80 Rn. 97 ff.; Benkard/Schäfers, Patentgesetz,
11. Aufl. 2006, PatG § 80 Rn. 26 ff. aufgeführten Beispiele).
Nachdem sich beide Antragsteller auf dieselben Löschungsgründe gestützt und im
Wege der insoweit zulässigen Popularklage dasselbe Rechtsschutzziel verfolgt
haben, hätte die Markenstelle bei zutreffender Sachbehandlung entweder beide
Verfahren verbinden oder mit einer Entscheidung im zweiten Verfahren zuwarten
müssen und sodann die beabsichtigte Löschung der Marke nur einmal ausspre-
chen dürfen, um der Gefahr sich widersprechender, auf dasselbe Rechtsschutzziel
gerichteter Entscheidungen vorzubeugen. Zwei sich widersprechende Entschei-
dungen können aus der vorgenannten Ausgangssituation heraus entstehen, wenn
der Antragsgegner von zwei die Löschung anordnenden Beschlüssen nur einen
angreift und mit seiner Beschwerde obsiegt.
Die unrichtige Sachbehandlung des Deutschen Patent- und Markenamtes war
auch ursächlich dafür, dass der Antragsgegner zweifach Beschwerde einlegen
musste, um erfolgversprechend gegen die Löschung seiner eingetragenen Marke
vorgehen zu können. Ohne den Verfahrensverstoß wäre für den Antragsgegner
lediglich eine Beschwerdegebühr angefallen, um den dann nur einmal ergehenden
Löschungsbeschluss anzugreifen. Aufgrund dieser besonderen Umstände wäre es
unbillig, beide vom Antragsgegner gezahlten Beschwerdegebühren einzubehalten.
Die Sachlage ist mit derjenigen vergleichbar, in welcher das Deutsche Patent- und
Markenamt über mehrere Widersprüche entscheidet und die Beschwerde eines
unterlegenen Widersprechenden gegenstandslos wird, weil der Markeninhaber
seinerseits gegen die Löschung seiner Marke wegen eines anderen Widerspruchs
kein Rechtsmittel eingelegt hat. Auch in diesem Fall ist die Rückzahlung der Be-
schwerdegebühr an den unterlegenen Widersprechenden angezeigt (vgl.
BPatGE 1, 217, 219; 3, 75, 77 ff.; 12, 249, 250; 39, 160, 161; Albrecht
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GRUR 1998, 987, Knoll, Ströbele/Hacker, MarkenG 9. Aufl., Rdn. 33 zu § 66
Rdn. 33 zu § 71 MarkenG m. w. Nachw.).
Im Übrigen verbleibt es beim Grundsatz, wonach jeder Verfahrensbeteiligte die
ihm im Beschwerdeverfahren erwachsenen Kosten selbst trägt (§ 71 Abs. 1 Satz 2
MarkenG).
Dr. Fuchs-Wissemann
Reker
Dr. Schnurr
Bb