Urteil des BPatG vom 14.09.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 128/05
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
14. September 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 304 34 744.2
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2006 durch …
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 25. Mai 2005 die Anmeldung der für
„Rettungsapparate und -instrumente; Schwimmhilfen; Schwimm-
flügel; Kautschuk, Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Wa-
ren daraus, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind; Waren aus
Kunststoffen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isolier-
material; Schläuche (nicht aus Metall); Spiele, Spielzeug, insbe-
sondere aufblasbares Wasserspielzeug; Turn- und Sportartikel,
soweit sie in dieser Klasse enthalten sind“
als Wortmarke beanspruchten Kennzeichnung
Schwimmlernflügel
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr.
1 und 2 MarkenG als nicht unter-
scheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe zurückgewiesen, weil das
angemeldete Wort nach allgemeinem Sprachverständnis den Begriffsinhalt einer
in Form von Flügeln gestalteten Vorrichtung zum Lernen des Schwimmens habe;
mit dieser Bedeutung stelle es sich aber für die beanspruchten Schwimmhilfen
und Schwimmflügel als Gattungsangabe und für die übrigen Waren als Be-
stimmungsangabe dar.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält die
Anmeldemarke für schutzfähig, weil der bislang nicht gebräuchliche Begriff
„Schwimmlernflügel“ von den üblichen Begriffen, wie Schwimmflügel und
Schwimmhilfen, deutlich abweiche und daher unterscheidungskräftig und nicht
freihaltungsbedürftig sei.
II
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender
Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt,
hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37
Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG versagt. Die Beschwerdebegründung
bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.
Die Anmeldemarke besteht nämlich zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutun-
gen (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] – DOUBLEMINT) ausschließ-
lich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen
der Waren oder Dienstleistungen dienen können und bei denen es sich um für den
Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie be-
deutsame Umstände handelt (vgl. hierzu BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR
YOU; GRUR 2000, 211, 232 – FÜNFER), die hinreichend eng mit einer Ware oder
Dienstleistung selbst in Bezug stehen (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 – Berlin
Card).
Der Begriff „Schwimmlernflügel“ ist aus sich heraus in dem von der Markenstelle
dargestellten Sinne den Verbrauchern unmittelbar verständlich. Dass es sich um
einen bislang nicht gebräuchlichen Begriff handelt, steht dem nicht entgegen,
denn bei unmittelbarer Verständlichkeit eines neuen Begriffs ist seine Schutzfä-
higkeit auch dann zu verneinen, wenn er bislang nicht in Lexika eingetragen oder
gar gebräuchlich ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 146, 147 [Rz. 32] - DOUBLEMINT;
BGH WRP 2002, 982, 984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I).
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In dieser Bedeutung ist die angemeldete Bezeichnung aber nur ein
Gattungsbegriff für die Waren „Schwimmhilfen; Schwimmflügel“; gleiches gilt für
die Waren „Rettungsapparate und -instrumente“ sowie „Spiele, Spielzeug, insbe-
sondere aufblasbares Wasserspielzeug; Turn- und Sportartikel“, da unter diese
Oberbegriffe auch Schwimmhilfen und -flügel fallen. Für die Waren „Kautschuk,
Guttapercha, Gummi, Asbest, Glimmer und Waren daraus; Waren aus Kunststof-
fen (Halbfabrikate); Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial; Schläuche (nicht
aus Metall)“, bei denen es sich um die - sich regelmäßig nur an den Fachverkehr
richtenden - Ausgangsmaterialien für Schwimmflügel und -hilfen handelt, kommt
die Anmeldemarke als mögliche Bestimmungsangabe in Betracht, also als Hin-
weis darauf, dass diese Materialien zur Herstellung von Schwimmhilfen und -flü-
geln bestimmt und - vor allem - geeignet sein können.
Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht daher das in § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG zum Ausdruck kommende im Allgemeininteresse liegende Ziel entge-
gen, dass Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren bzw.
Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden und
nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke zugunsten eines Unternehmens mono-
polisiert werden können (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – CHIEMSEE;
GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36 – BIOMILD).
Da die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH
GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2) Abnehmer in
der angemeldeten Marke wegen deren vorgenannten, für die angemeldeten Wa-
ren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts (vgl. BGH
GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service;
BGH, GRUR
2001, 162, 163 m.
w. N.
– RATIONAL
SOFTWARE
CORPORATION) in der angemeldeten Marke keinen Hinweis auf die Herkunft
dieser Waren aus einem Unternehmen mehr sehen, fehlt der
Anmeldemarke trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st.
Rspr., vgl. BGH GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415
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- SWATCH) zugleich auch die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche
Unterscheidungskraft, also nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR
2003, 187, 190 [Rz.
41] -
Gabelstapler,
WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs
(vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 – Unter
Uns) die Eignung, von den Abnehmern, an welche sich die beanspruchten Waren
oder Dienstleistungen richten, als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten
Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer
Unternehmen aufgefasst zu werden.
Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintra-
gung wegen wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG
versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.
gez.
Unterschriften