Urteil des BPatG vom 08.01.2002

BPatG (stand der technik, form, patentanspruch, mathematik, stand, technik, patent, fachmann, auflage, körper)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 46/00
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
8. Januar 2002
In der Patentnichtigkeitssache
betreffend das deutsche Patent 197 34 289
BPatG 253
9.72
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hat der 4.Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 08. Januar 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Schwendy, der Richter Dipl.-Ing. Dr. C. Maier und Dr. agr. Huber, der
Richterin Schuster und des Richters Dipl.-Ing. Kuhn
für Recht erkannt:
1. Das deutsche Patent 197 34 289 wird dadurch teilweise für nichtig
erklärt, dass an die Stelle der erteilten Ansprüche 1 und 2 folgen-
der neuer Anspruch 1 tritt:
„Viehputzmaschine mit einer an einer Haltevorrichtung dreh-
bar befestigten, mittels eines Motors (10) antreibbaren Bürst-
einrichtung, die eine einzige schrägstehende, rotationssym-
metrische Bürstenwalze (1) umfasst, dadurch gekennzeichnet,
dass die Bürstenwalze (1) die Form eines Rotationshyperbo-
loids hat, das derart ausgestaltet ist, dass die Bürstenwalze
(1) gleichzeitig sowohl mit einer Seite als auch zumindest teil-
weise mit dem Rücken des zu bürstenden Viehs in Anlage
bringbar ist.“
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechts-
streits.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von € 10.000.-, für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von € 5000.- vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des am 08. August 1997 angemeldeten
deutschen Patents 197 34 289 (Streitpatent), das eine „Viehputzmaschine“ betrifft
und 9 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 hat in der erteilten Fassung
folgenden Wortlaut:
„1. Viehputzmaschine mit einer an einer Haltevorrichtung drehbar
befestigten, mittels eines Motors (10) antreibbaren Bürsteinrichtung,
dadurch gekennzeichnet, dass die Bürsteinrichtung aus einer rota-
tionssymmetrischen Bürstenwalze (1) mit einer im Längsschnitt
konkaven Außenumfangsfläche (4) besteht.“
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Pa-
tentansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Mit der Behauptung, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent für nichtig zu erklä-
ren. Zur Begründung beruft sie sich auf die Druckschriften DE 79 04 082 U1 (D1),
US 3 175 537 (D2) und EP 0 287 176 A1 (D3).
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 197 34 289 in vollem Umfang für nichtig zu er-
klären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass an die Stelle der er-
teilten Ansprüche 1 und 2 der mit Schriftsatz vom 22. Februar 2001
vorgelegte Anspruch 1 tritt.
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Er ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent im
verteidigten Umfang für bestandsfähig. In diesem Zusammenhang verweist der
Beklagte noch auf Bronstein-Semendjajew "Taschenbuch der Mathematik",
16. Auflage (1976), welches auszugsweise vorgelegt wird (Seiten 195, 196).
Die Klägerin vertritt die Auffassung, der neu vorgelegte Patentanspruch 1 sei ge-
genüber dem erteilten Anspruch unzulässig erweitert und auch gegenüber dem
Stand der Technik nicht erfinderisch.
Im patentrechtlichen Prüfungsverfahren war noch das Gebrauchsmuster
DE 91 03 341 U1 in Betracht gezogen worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, mit der der in § 22 Abs 2 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG vorge-
sehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird
ist teilweise begründet
1. Das Streitpatent ist zunächst ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklä-
ren, als es über die von der Beklagten in zulässiger Weise beschränkt vertei-
digte Fassung hinausgeht (vgl BGH GRUR 1962,294 - Hafendrehkran -;
GRUR 1996, 857,858 - Rauchgasklappe -; Busse, PatG, 5. Aufl., § 83 Rdn 45
mwNachw).
Im übrigen, d.h. soweit der Beklagte das Patent verteidigt, hält es der Nach-
prüfung stand.
2. Das Streitpatent betrifft eine Viehputzmaschine mit einer an einer Haltevorrich-
tung drehbar befestigten, mittels eines Motors antreibbaren Bürsteinrichtung,
die eine einzige schrägstehende rotationssymmetrische Bürstenwalze umfasst.
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a) Im Stand der Technik ist, wie die Patentschrift ausführt, eine Viehputzma-
schine mit zwei Walzenbürsten bekannt, die an einem Tragerahmen in ei-
nem Winkel von 100° zueinander angeordnet und mit einem Wellengelenk
verbunden sind. Die Walzen seien dabei so angeordnet, dass sie gleichzei-
tig die Seite und den Rücken des unter der Maschine stehenden Tieres
bürsteten. Nachteilig bei dieser Maschine sei jedoch, dass sie relativ kom-
pliziert aufgebaut und kostspielig zu fertigen sei.
b) Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, eine
Viehputzmaschine der genannten Art zu schaffen, die einfach aufgebaut,
kostengünstig zu fertigen und besonders zuverlässig in der Anwendung ist
(Sp 1, Z 20 bis 23 der Streitpatentschrift).
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in seiner verteidigten
Fassung gemäß Patentanspruch 1 eine Viehputzmaschine mit einer Bürstein-
richtung mit folgenden Merkmalen vor:
1.
Die Bürsteinrichtung ist an einer Haltevorrichtung drehbar
befestigt.
2.
Die Bürsteinrichtung ist mittels eines Motors antreibbar.
3.
Die Bürsteinrichtung umfaßt eine einzige Bürstenwalze.
3.1 Die Bürstenwalze ist schrägstehend.
3.2 Die Bürstenwalze ist rotationssymmetrisch.
3.3 Die Bürstenwalze hat die Form eines Rotationshyperbo-
loids.
3.3.1 Das Rotationshyperboloid ist derart ausgestaltet, daß die
Bürstenwalze gleichzeitig sowohl mit einer Seite als auch
zumindest teilweise mit dem Rücken des zu bürstenden
Viehs in Anlage bringbar ist.
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Dem Zweck des vereinfachten Aufbaues der Viehputzmaschine dienen vor-
nehmlich die Merkmale 3. und 3.1 gemäß Merkmalsgliederung, nämlich die
Verwendung von nur einer einzigen Bürstenwalze, welche schrägstehend
(darunter ist gemäß Sp 2, Z 8 bis 10 der Streit-PS zu verstehen, dass die
Walze mit der Wand einen Winkel von etwa 45° einschließt) angeordnet ist.
Dadurch wird ein einfacher Aufbau (nur eine Walze) erreicht, wobei diese eine
Walze möglichst große Bereiche der Oberfläche einer zu bürstenden Kuh
überstreichen soll. Die beanspruchte geometrische Grundform der
Bürstenwalze (Rotationshyperboloid) und deren Ausgestaltung gemäß
Merkmalen 3.3 und 3.3.1 gestatten eine optimale Anpassung an die Form des
Tierkörpers im Sinne der aufgabengemäßen zuverlässigen Anwendung, so
dass möglichst große Bereiche des Walzenkörpers mit dem Tierkörper in
Kontakt kommen und somit gleichzeitig sowohl eine Seite als auch Teile der
Rückenpartie des Tieres gebürstet werden können.
Unter der Bezeichnung Rotationshyperboloid ist nach Auffassung des Senats
ein rotationssymmetrischer Körper zu verstehen, dessen Mantellinie in einem
mittig geführten Längsschnitt entlang der z-Achse (hier: entlang der Bürsten-
walzenachse (2)) die Form einer Hyperbel hat. Die Hyperbelform dieser Man-
tellinie (Erzeugende) ist gekennzeichnet durch eine mittige Krümmung, wobei
sich der weitere Verlauf des Kurvenzuges zu beiden Seiten der Krümmung
jeweils asymptotisch einer Geraden nähert. Nachdem gemäß Merkmal 3. nach
Merkmalsgliederung des Anspruchs 1 nur eine einzige Bürstenwalze vorgese-
hen sein soll, kommt bei deren Form (Rotationshyperboloid) lediglich ein ein-
schaliges Hyperboloid in Betracht, wie es z.B. aus Abb. 215 auf S 196 des im
Verfahren befindlichen "Taschenbuchs der Mathematik" (16. Aufl., 1976) prin-
zipiell ersichtlich ist, während ein zweischaliges Hyperboloid (vgl Abb 216) ein
aus zwei einzelnen Bürsten zusammengesetztes Bauteil erfordern würde, was
jedoch bei verständiger Würdigung im Kontext zu Merkmal 3. des Anspruchs 1
ausgeschlossen ist.
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4. Mit dem verteidigten Patentanspruch 1 ist das Patent in zulässiger Weise be-
schränkt.
Im verteidigten Anspruch 1 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 das Merk-
mal hinzugefügt, dass die Viehputzmaschine "eine einzige schrägstehende"
Bürstenwalze umfasst, die statt einer "im Längsschnitt konkaven
Außenumfangsfläche" (erteilte Fassung) nunmehr "die Form eines
Rotationshyperboloids hat, das derart ausgestaltet ist, dass die Bürstenwalze
(1) gleichzeitig sowohl mit einer Seite als auch zumindest teilweise mit dem
Rücken des zu bürstenden Viehs in Anlage bringbar ist".
Die Form der Bürstenwalze als Rotationshyperboloid ist im erteilten
Anspruch 2 offenbart. Mit dieser Anspruchsänderung ist die zunächst weiter
gefasste Definition der Außenumfangsfläche der Bürstenwalze aus dem
erteilten Anspruch 1, nämlich als "im Längsschnitt konkave Außenumfangs-
fläche" ersetzt durch die erheblich enger gefasste Definition der Form der
Bürstenwalze als Rotationshyperboloid. Dies hat zur Folge, dass die
Außenumfangsfläche im Längsschnitt nunmehr eine Hyperbel (zur Definition
vgl Punkt 3. der Entscheidungsgründe) darstellt und somit nicht mehr jedem
beliebigen konkaven (d.h. nach innen gewölbten) Kurvenzug folgen kann.
Nachdem die Hyperbel aber eine Sonderform aus der Vielfalt der konkaven
Kurvenzüge darstellt, bedeutet ein Rückzug auf die Hyperbelform im An-
spruch 1 eine Beschränkung im Rahmen dessen, was ursprünglich offenbart
worden war und auch der Erteilung zugrunde gelegen hat.
Die Klägerin verneint die Zulässigkeit des verteidigten Anspruchs 1 u.a. auch
deshalb, weil nach ihrer Auffassung Hyperbel-Formen denkbar seien, die nicht
einem konkaven Kurvenzug folgen, so dass zumindest die ersatzlose Strei-
chung des Ausdrucks "konkave Außenumfangsfläche" im Anspruchstext eine
Erweiterung bedeute. Sie begründet dies damit, dass z.B. ein geometrischer
Körper in Form eines Doppelkegels gemäß Abb. 217 auf Seite 196 des "Ta-
schenbuchs der Mathematik" (16. Aufl., 1976) als Hyperboloid bezeichnet
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werden könne, obwohl dessen Außenumfangsfläche im Längsschnitt einem
Polygonzug und nicht einem konkaven (gewölbten) Kurvenzug folge.
Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Zwar lässt der von dem
Beklagten vorgelegte Auszug aus dem "Taschenbuch der Mathematik" (Seiten
195 und 196) zu Abbildung 217 keine textliche Beschreibung mehr erkennen,
weil die den Abbildungen zugeordneten Texte mit der Beschreibung der ein-
schaligen und zweischaligen Hyperboloide gemäß Abbildung 215 und 216
enden. Dass jedoch der Körper gemäß Abbildung 217 zweifelsfrei als (Dop
pel-)Kegel und nicht als Hyperboloid angesprochen werden muss, erschließt
sich auch aus einer dem Senat zugänglichen älteren Auflage von Bronstein-
Semendjajew "Taschenbuch der Mathematik", 13.
Auflage, Verlag Harri
Deutsch, Zürich und Frankfurt/M, 1973. Dort ist der identische Körper
ebenfalls als Abbildung 217 dargestellt (S 196) und in der nachfolgenden Be-
schreibung (S 197, Z 1 ff.) als "Kegel" bezeichnet.
Eine Erweiterung kann – anders als die Klägerin meint – auch nicht darin
gesehen werden, dass der Begriff Hyperboloide des verteidigten Anspruchs 1
zweischalige Hyperboloide umfasst, die keine konkave Außenumfangslinie
aufweisen. Da anspruchsgemäß nur eine einzige Bürstenwalze vorgesehen
ist, kommt ein zweischaliger Hyperboloid der stets zwei Bürsten bilden würde,
nicht in Betracht (vgl hierzu auch Punkt 3.).
Die bemessende Beschreibung der Bürstenwalze dahingehend, dass sie
gleichzeitig mit einer Seite als auch zumindest teilweise mit dem Rücken des
zu bürstenden Viehs in Anlage bringbar ist (Merkmal 3.3.1) sowie die schräg-
stehende Anordnung der Bürstenwalze (Merkmal 3.1) finden ihre Stütze in der
Beschreibung Spalte 2, Zeilen 8 – 13 der Streitpatentschrift. Die Verwendung
von lediglich einer einzigen Bürstenwalze ist – soweit nicht schon aus dem
erteilten Anspruch 1 ersichtlich – auch in Spalte 1, Zeilen 32 – 35 als erfin-
dungswesentliches Merkmal offenbart.
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5. Die weiterhin geltenden Unteransprüche 3 bis 9 sind inhaltlich gegenüber der
erteilten Fassung nicht geändert worden und können auch dem verteidigten
Hauptanspruch nachgeordnet werden, ohne dadurch Rückbeziehungen zu
schaffen, die denen der erteilten Fassung widersprechen würden.
6. Der Gegenstand nach dem verteidigten Patentanspruch 1, dessen gewerbli-
che Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, weist die erforderliche Neuheit auf.
Vom Stand der Technik nach dem DE 79 04 082 U1 (D1) unterscheidet sich
der Patentgegenstand nach Anspruch 1 durch die Form und Ausgestaltung
der Bürste als Rotationshyperboloid (Merkmale 3.3 und 3.3.1, vgl Merkmals-
gliederung gemäß Punkt 3.).
Von den Viehputzmaschinen nach der US 3
175
537 (D2), der EP
0 287 176 A1 (D3) sowie dem DE 91 03 341 U1 unterscheidet sich die patent-
gemäße Vorrichtung nach Anspruch 1 bereits dadurch, dass sie mit lediglich
einer einzigen Bürstenwalze arbeitet (Merkmal 3.), welche schrägstehend an-
geordnet ist (Merkmal 3.1). Die Form der Bürste als Rotationshyperboloid
(Merkmal 3.3) ist bei keiner der genannten Entgegenhaltungen verwirklicht,
auch nicht bei den Vorrichtungen gemäß D2 und D3, die lediglich Bürstenwal-
zen mit im Längsschnitt konkaven Außenumfangsflächen erkennen lassen,
welche sich entweder über die gesamte Breite (D3) oder nur über einen Mit-
tenabschnitt der Bürstenwalze erstrecken (D2). Auch die patentgemäße Aus-
gestaltung der Bürstenwalze im Sinne von Merkmal 3.3.1 ist dort nicht verwirk-
licht, da bei den Vorrichtungen gemäß D2, D3 und DE 91 03 341 U1 immer
jeweils mit zwei Bürstenwalzen gearbeitet wird, wobei die eine den Rücken
und die andere die Seitenpartie des Tieres behandelt.
Die S 195, 196 aus dem "Taschenbuch der Mathematik", 16. Auflage (1976)
lassen lediglich die geometrischen Formen und ihre Berechnungsgrundlagen
u.a. von Rotationshyperboloiden erkennen, jedoch ohne Bezug zu der in Rede
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stehenden Vorrichtung, so dass die Neuheit des Anspruchsgegenstandes
hierdurch nicht in Frage gestellt ist.
7. Der Gegenstand nach dem verteidigten Patentanspruch 1 beruht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
Objektives Ziel der patentgemäßen Lehre ist es, bei einer Viehputzmaschine
eine einzige Bürstenwalze zu verwenden, wobei diese derart geformt ist, dass
das betreffende Rind gleichzeitig an einer Seite und am Rücken gebürstet wird
(vgl Streitpatentschrift, Sp 1, Zeilen 32 bis 35).
Zwar arbeitet auch die motorgetriebene Bürsteinrichtung nach dem DE
79 04 082 U1 mit einer einzigen Bürstenwalze (3, vgl Fig 1), welche zunächst
in gleicher Weise wie beim Patentgegenstand schrägstehend angeordnet ist.
Da die Bürsteinrichtung nach der entgegengehaltenen Vorrichtung jedoch zy-
lindrisch ausgebildet ist, kann sie bei einer bestimmten Winkelstellung zur
Wand bzw. Halterung (Stütze 7) nur relativ geringe Teile des Fells der Tiere
behandeln. Dies hat der Anmelder der Entgegenhaltung DE 79 04 082 auch
erkannt und schlägt daher vor, die Schrägstellung (d.h. den Winkel der Wal-
zenachse z.B. zur senkrechtstehenden Halterung (7)) von Tag zu Tag zu än-
dern, um (jedenfalls im Laufe mehrerer Tage ) alle wichtigen Haut- und Fellbe-
reiche der Tiere erreichen zu können (vgl S 5, Z 10 bis 13). Somit konnte die
Vorrichtung gemäß dem DE 79 04 082 U1 dem zuständigen Fachmann, ei-
nem in der Herstellung von Stalleinrichtungs- bzw Tierhaltungszubehör tätigen
Techniker bzw Fachhochschulingenieur, keinerlei Anregungen vermitteln, eine
als Rotationshyperboloid ausgestaltete Bürstenwalze vorzusehen (Merkmal
3.3), welche gleichzeitig größere Seiten- und Rückenbereiche der Tiere bear-
beitet (Merkmal 3.3.1). Vielmehr führt die technische Lösung gemäß der Ent-
gegenhaltung, welche mit veränderten Winkelstellungen der zylindrisch aus-
gebildeten Walze arbeitet, um nach und nach die Fellbereiche an Rücken und
Seite der Tiere zu erreichen, den Fachmann von der patentgemäßen Zielset-
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zung der gleichzeitigen Behandlung von Seiten- und Rückenpartien durch eine
einzige entsprechend ausgestaltete Walze weg.
Die Viehputzmaschine nach der US 3 175 537 (D2) vermag den Fachmann
schon aufgrund ihrer aus zwei Walzen, nämlich einer senkrecht zur Behand-
lung der Seitenpartien angeordneten Walze (42, vgl Fig 1) und einer im we-
sentlichen waagrecht angeordneten Walze (27) zur Behandlung der Rücken-
partien der Tiere nicht dazu anzuregen, die patentgemäße Zielsetzung mit
dem gemäß Patentanspruch 1 vorgeschlagenen Mittel einer einzigen Walze
für Seiten- und Rückenpartien zu verwirklichen. Die konkaven
Mittenabschnitte (60) bzw (41) der Walzen (42) bzw (27) vermögen auch nicht
die Form eines Rotationshyperboloids vorwegzunehmen oder nahezulegen,
da deren Kurvenzug einem Kreisbogensegment gleicht, welches sich überdies
auch nicht über den gesamten Walzenbereich, sondern eben nur auf dessen
Mittenabschnitt erstreckt.
Ähnliches gilt auch für die ebenfalls und in gleicher Weise mit zwei
Bürstenwalzen arbeitende Viehputzmaschine gemäß Figuren 3 und 4 der EP
0 287 178 A1 (D3) (die übrigen Ausführungsbeispiele dieser Entgegenhaltung
arbeiten entweder mit nicht rotierenden Bürsten an starren Rahmen, vgl Figu-
ren 1 und 2, oder mit noch mehr als zwei Bürstenwalzen, vgl Figuren 5 und 6,
und sind daher im Hinblick auf den Streitpatentgegenstand irrelevant). Bereits
die Anordnung von zwei Walzen, von denen eine die Seitenpartien und die
andere die Rückenpartien des zu bürstenden Tieres behandelt (vgl Fig 3 und
4, Bürstenwalzen 46 und 48), führt den Fachmann von der Verwendung einer
einzigen Bürstenwalze für Rücken- und Seitenpartien der Tiere weg. Auch die
Walzenform eines Rotationshyperboloids kann durch diesen Stand der Tech-
nik nicht nahegelegt oder vorweggenommen werden, denn die Bürstenwalzen
der Vorrichtung gemäß Figur 3 sind zylindrisch ausgestaltet, während die Wal-
zen in der Abbildung gemäß Figur 4 eine taillierte Außenumfangsfläche er-
kennen lassen, die jedoch in ihrer perspektivischen Darstellung den Kurven-
zug dieser Linie, der entweder ein Kreisbogensegment oder ein zusammen-
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gesetzter Doppelkegel sein könnte, nicht eindeutig und klar definieren kann.
Die textliche Offenbarung dieser Entgegenhaltung spricht in Spalte 2, Zeilen
46 bis 51 allgemein davon, dass die Bürstenwalzen der Form des Tierkörpers
durch Kurvenform besser angepaßt werden können. Zur Geometrie dieser
Kurvenform wird in Spalte 2, Zeilen 51 bis 53 lediglich ausgeführt, dass diese
eine flache Doppelkegel-Form einnehmen könne (... mildly double-conical
form ...). Die Form eines Doppelkegels aber weist – anders als ein Rotations-
hyperboloid – geradlinige Erzeugende auf, so daß diese Form – entgegen der
Auffassung der Klägerin – nicht zu den Hyperboloiden (Hyperbeln als Erzeu-
gende) gehört, wie auch aus dem "Taschenbuch der Mathematik" (z.B.
13. Aufl., 1973) ersichtlich ist (vgl hierzu auch Ausführungen gemäß Punkt 4.).
Nach alledem könnte der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1
auch durch eine Übertragung der Bürstenformen aus der D2 und der D3, die
ihrerseits keine Rotationshyperboloid-Formen lehren, auf die D1, die mit einer
einzigen schrägstehenden Bürstenwalze arbeitet, nicht erreicht werden.
Der weitere noch im Verfahren befindliche Stand der Technik war nicht mehr
Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wie aus dem Neuheitsvergleich er-
sichtlich, liegt dieser vom Patentgegenstand weiter ab und vermag diesen
auch nicht nahezulegen.
Der Patentanspruch 1 hat somit Bestand.
Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen abhängigen Unteransprüche 3 bis 9
haben als weitere Ausgestaltungen mit jenem Bestand, sie werden durch ihre
Rückbeziehung mitgetragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen be-
dürfte (vgl BPatGE 34, 215).
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8. Die
Kostenentscheidung
beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1
ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm
§ 709 ZPO.
Dr. Schwendy
Dr. Maier
Dr. Huber
Schuster
Kuhn
Pr