Urteil des BPatG vom 12.10.2005

BPatG (marke, safe, verkehr, verwechslungsgefahr, bestandteil, papier, begriff, bundesrepublik deutschland, überwiegende wahrscheinlichkeit, kennzeichnungskraft)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 194/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die IR-Marke 791 059
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 12. Oktober 2005 unter Mitwirkung des Richters Baumgärtner als
Vorsitzendem und der Richterinnen Fink und Dr. Mittenberger-Huber
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Schutzerstreckung der am 31. Oktober.2002 international registrierten
und am 26. Dezember 2002 veröffentlichten Wortmarke IR 791 059
HOLOSAFE
eingetragen für die Waren und Dienstleistungen
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Cartes de crédit; cartes magnétiques; cartes à mémoire ou à microprocesseur.
Credit cards; magnetic cards; memory cards or smart cards.
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Papier, carton et produits en ces matières, non compris dans d'autres classes,
y compris papier de sécurité (papiers infalsifiables) et matériaux d'emballage;
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matières plastiques pour l'emballage, non comprises dans d'autres classes,
y compris pellicules en matières plastiques.
Paper, cardboard and goods made from these materials, not included in other
classes, including security paper (safety papers) and packaging materials; plastic
materials for packaging, not included in other classes, including plastic films.
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Produits en matières plastiques mi-ouvrées; sachets, enveloppes, pochettes
en caoutchouc; feuilles de cellulose régénérée (autres que pour l'emballage);
pellicules en matières plastiques (autres que pour l'emballage); feuilles de
sécurité.
Products made of semi-processed plastics; sachets, envelopes, pouches made of
rubber; foils of regenerated cellulose (other than for packing); plastic films (other
than for wrapping); security foils.
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Traitement de matériaux, y compris traitement des surfaces du papier, des
feuilles et des pellicules, des matières plastiques et des cartes pour la protection
contre la falsification.
Treatment of materials, including treatment of surfaces of paper, foils and films,
plastics and cards for protection against forgery
wurde Widerspruch erhoben aus der prioritätsälteren Wort-/Bildmarke
Nr
395 30 687
eingetragen am 7. November 1995 für die Waren
Papier, Karton und Waren aus diesen Materialien (soweit in
Klasse
16 enthalten), Kunststoff- und Metallfolien, sowie
Druckereierzeugnisse, insbesondere aus vorstehenden Materia-
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lien hergestellte und in diese Materialien integrierte, abziehbare,
selbstklebende, beschriftbare Etiketten.
Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren der Klasse 16.
Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den
Widerspruch mit Beschluss vom 12. August 2004 (Bl 36 ff dVA) zurückgewiesen.
Die Gefahr von markenrechtlichen Verwechslungen bestehe nicht, da die
Vergleichszeichen in ihrem Gesamteindruck unterschiedlich seien. Die jüngere
Marke bilde eine begriffliche Einheit, so dass der Verkehr nicht zu einer
Verkürzung auf „safe“ komme. Die beiden Wortbestandteile „holo“ und „safe“
stünden gleichwertig nebeneinander, keinem der Teilbegriffe komme eine
selbständig kollisionsbegründende Stellung zu. Es könne deshalb dahingestellt
bleiben, ob der Einwand der Nichtbenutzung greife, da jedenfalls eine
Verwechslung der Zeichen nicht zu befürchten sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom
10. September 2004 (Bl 5 d.A.). Auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninha-
berin hin hat sie mit Schriftsatz vom 29. Juli 2004 (Bl 30 VA) im Verfahren vor der
Markenstelle Benutzungsunterlagen vorgelegt. Sie trägt weiter vor, der Begriffsge-
halt der Widerspruchsmarke „safe“ werde im Deutschen mit dem Begriff „Tresor“
gleichgesetzt. Für „Papier“-Waren assoziiere der Verkehr daher mit „Safe/Tresor“
in phantasievoller Weise einen Sicherheitsstandard und damit eine Beschaffen-
heitsangabe von Papierwaren. Bei dem angegriffenen jüngeren Zeichen würde der
Verkehr den Bestandteil „holo“ entweder nicht verstehen und ihn daher weglas-
sen, oder er halte ihn für eine Verfremdung von „hohl, leer“. Der als Substantiv
erkennbare Begriff „Tresor“ würde auch im zweiten Fall lediglich adjektivisch be-
schrieben, weshalb der - auch im Einwortzeichen dominante - Begriff „safe“ allein
prägend sei.
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Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt (Bl 5 d.A.),
den Beschluss der Markenstelle vom 12. August 2004 aufzuheben
und dem Widerspruch stattzugeben.
Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt (Bl 10 d.A.),
die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Markeninhaberin auf den Beschluss des Senats vom
11. Mai 2005 im Verfahren 29 W (pat) 84/03 DIGISAFE gegen
, der zwischen
denselben Parteien geführt wurde.
II.
Die gemäss § 66 Abs 1, 2 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet, da die
Gefahr von Verwechslungen nicht besteht. Der angegriffenen Marke ist der Schutz
für die Bundesrepublik Deutschland daher nicht zu versagen (§§ 107, 114 Abs 3
iVm § 42 MarkenG).
1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9
Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den
einzelnen Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder
-ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der
Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der
Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRsp; vgl
BGH GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwil-
ling/Zweibrüder). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall für das
Publikum keine Verwechslungsgefahr.
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1.1. Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in
zulässiger Weise gemäss § 43 MarkenG im Laufe des Beschwerdeverfahrens
bestritten. Die 5-Jahresfrist für die am 7. November 1995 eingetragene Marke ist
am 7.
November
2000, und damit vor Veröffentlichung der Eintragung der
angegriffenen Marke am 26. Dezember 2002, abgelaufen. Der gemäss § 43 Abs 1
S 1 und S 2 MarkenG relevante Benutzungszeitraum liegt damit einerseits in der
Zeit vom 26. Dezember 1997 bis 26. Dezember 2002 und andererseits vom
12. Oktober 2000 bis zum 12. Oktober 2005 als dem Zeitpunkt der Entscheidung
über die Schutzerstreckung.
Die Beurteilung der Glaubhaftmachungsunterlagen hat verfahrensorientiert und
ohne erfahrungswidrige Überspannungen zu erfolgen, eine volle Überzeugung des
Gerichts ist hierbei nicht erforderlich, vielmehr genügt eine überwiegende
Wahrscheinlichkeit (Ströbele/Hacker, MarkenG, 7.
Aufl, §
43 Rn
66). Der
Nachweis der Benutzung ist in Abgrenzung zur bloßen Scheinhandlung zu
verstehen, die nur zu dem Zweck vorgenommen wird, die formalen
Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung von Rechten aus einer Marke zu
erfüllen. Daher müssen Benutzungshandlungen objektiv nach Art, Umfang und
Dauer einer ernsthaften wirtschaftlichen Verwendung der Marke als
Herkunftshinweis im geschäftlichen Verkehr entsprechen (Ströbele/Hacker, aaO,
§ 26 Rn 9 - 11). Die Widersprechende hat die Benutzung für „Hinterklebte
Vordrucke aus Papier, maschinenlesbare Etiketten und Aufkleber“ insgesamt
ausreichend glaubhaft gemacht, zum einen durch Vorlage einer eidesstattlichen
Versicherung des geschäftsführenden Gesellschafters vom 21. Juni 2004. Zum
anderen hat sie fünf Lieferscheine aus dem Jahr 2004 nebst einem Original einer
„Safe“-Card beigefügt. Sie hat außerdem einen mit „safe“-IT für die Firma Q…
erstellten Überweisungsträger zu den Akten gereicht. Letztlich kommt es
allerdings auf Benutzungsfragen nicht an, da keine Verwechslungsgefahr besteht.
1.2. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs
die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüber-
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stehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen
Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung
sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende
Waren oder Dienstleistungen. Eine die Verwechslungsgefahr begründende
Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum aufgrund der Branchenübung im
maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor annimmt, dass die Waren oder
Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen
stammen (stRsp; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn 23 - Canon; BGH WRP 2004,
357, 359 – GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 – Canon II; GRUR 1999, 586, 587
- White Lion).
Vorliegend stehen sich aufgrund der Glaubhaftmachung die Waren „Hinterklebte
Vordrucke aus Papier, maschinenlesbare Etiketten und Aufkleber“ und die Waren
„Papier, carton et produits en ces matières, non compris dans d'autres classes,
y compris papier de sécurité (papiers infalsifiables) et matériaux d'emballage;
matières plastiques pour l'emballage, non comprises dans d'autres classes,
y
compris pellicules en matières plastiques.“ gegenüber, die im engen
Ähnlichkeitsbereich liegen. Die jüngere angegriffene Marke muss daher einen
großen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalten.
1.3. Die Widerspruchsmarke ist eine Wort-/Bildmarke, deren Bildanteil sich darauf
beschränkt, dass unterschiedliche Buchstaben des Wortes „
“ in
unterschiedlichen Schrifttypen dargestellt sind. Dies entspricht einer
werbeüblichen Gestaltung und kann daher im Hinblick auf die
Kennzeichnungskraft keinen erweiterten Schutzbereich begründen. Der
Wortbestandteil „safe“ ist ein Begriff, der der englischen Sprache entstammt und
dort als Substantiv „Safe, Panzerschrank, Tresor“, als Adjektiv „sicher, in
Sicherheit, unverletzt“ bedeutet (Collins, Globalwörterbuch Englisch, Band
I,
S 1137). Dieses Wort ist im Deutschen als Synonym für „feuerfester Geldschrank“
gebräuchlich (Wahrig, Universalwörterbuch Rechtschreibung, 2002, S 922), wird
jedoch auch als „sicher“ verstanden (zB „safer
sex“, aaO). Bezogen auf
Papierwaren verbinden die angesprochenen Verkehrskreise mit dem Begriff „safe“
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keinen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt. Allenfalls assoziative Anklänge im
Hinblick auf einen besonderen Sicherheitsstandard im Bereich der Vordrucke sind
denkbar, was grundsätzlich zu einer Schwächung der Widerspruchsmarke führen
könnte. Selbst wenn man allerdings zugunsten der Widersprechenden eine
durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt, fehlt es
an der erforderlichen Markenähnlichkeit.
1.4. Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt
anhand des Gesamteindrucks der Marken zu beurteilen, wobei insbesondere die
sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Der
angesprochene Durchschnittsverbraucher nimmt Marken regelmäßig in der Form
auf, in der sie ihm entgegentreten ohne sie einer analysierenden
Betrachtungsweise zu unterziehen, dh er achtet nicht auf die verschiedenen
Einzelheiten, sondern nimmt die Marken als Ganzes wahr (vgl EuGH GRUR Int
2004, 843 Rn 29 – MATRATZEN; BGH GRUR 1999, 241, 243 – Lions; GRUR
1999, 735, 736 –
MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR
2004, 783, 784 -
NEU-
RO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Die angegriffene Marke „HOLOSAFE“ stimmt mit der Widerspruchsmarke „safe“ in
einem von zwei Bestandteilen identisch überein, wobei der Bildanteil der
Widerspruchsmarke sich darin erschöpft, dass innerhalb des Wortes ein Wechsel
zwischen Groß- und Kleinbuchstaben stattfindet, der werbeüblich ist. Die Marken
unterscheiden sich lediglich durch den zusätzlichen Bestandteil „holo“ der
jüngeren Marke. Aufgrund der höheren Silbenzahl und der größeren Wortlänge
der jüngeren Marke ist die Sprachmelodie und das Schriftbild der beiden Marken
so unterschiedlich, dass weder eine unmittelbare klangliche noch eine
unmittelbare schriftbildliche oder begriffliche Verwechslung anzunehmen ist. Da
Unterschiede am Wortanfang vom Verkehr regelmäßig besonders
wahrgenommen werden (BGH GRUR 2002, 1067, 1070 – DKV/OKV), rufen die
beiden zusätzlichen Silben am Wortbeginn der jüngeren Marke „HOLOSAFE“
beim Verkehr einen anderen Gesamteindruck hervor als die Marke „safe“. Es sind
keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb der Verkehr den relativ kurzen
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Gesamtbegriff „HOLOSAFE“ nach prägenden Einzelelementen durchsuchen und
den mit dem zweiten Bestandteil „safe“ zu einem Einwortzeichen verbundenen,
vorangestellten Begriff „holo“ weglassen sollte. Im Gegenteil, die beiden
Bestandteile fügen sich harmonisch zu einem geschlossenen, zusam-
mengehörend wirkenden Phantasiewort zusammen. Aber auch wenn man im
vorliegenden Fall zugunsten der Widersprechenden annähme, der Verkehr
erkenne in „HOLOSAFE“ eine aus den beiden Bestandteilen „holo“ und „safe“
zusammengesetzte Kombinationsmarke, ließe sich daraus keine (unmittelbare)
Verwechslungsgefahr der beiden Marken ableiten. Diese könnte nur dann bejaht
werden, wenn der Gesamteindruck der mehrbestandteiligen jüngeren Marke
gerade durch den übereinstimmenden Begriff geprägt wird und der Bestandteil
„holo“ in einer solchen Weise gegenüber dem Bestandteil „safe“ in den
Hintergrund träte, dass er vernachlässigt werden könnte (vgl EuGH, GRUR Int
2004, 843, 844 - Rn 13 – MATRATZEN; BGH GRUR 2003, 880, 881 – City Plus).
Dies kann dann der Fall sein, wenn der übereinstimmende Bestandteil als isoliert
auftretendes Zeichen aufgrund seiner tatsächlichen Benutzung im Verkehr für
Dritte eine erhöhte Kennzeichnungskraft erlangt hat. Hat eine Bezeichnung durch
ihre isolierte Verwendung im Geschäftsverkehr eine zunehmend herkunfts-
hinweisende Funktion erhalten, führt dies nicht nur zur Steigerung der
Kennzeichnungskraft der älteren einbestandteiligen Marke, sondern bewirkt
zugleich, dass dem Zeichen vom Verkehr auch dann ein Hinweis auf den Inhaber
der älteren Marke entnommen wird, wenn es ihm nicht isoliert, sondern als
Bestandteil eines anderen - zusammengesetzten - jüngeren Zeichens begegnet
(BGH, aaO). Von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist
nach dem oben Gesagten allerdings nicht auszugehen.
Das Wortelement „holo“ ist im Hinblick auf die eingetragenen Waren der Klasse 16
zudem nicht beschreibend, selbst wenn es assoziative Anklänge an „Hologramm“
oder „Holografie“ gibt. „Holo“ leitet sich von dem griechischen Wort „holos“ ab, das
„ganz, vollständig, unversehrt“ bedeutet. „Holo…“ ist in der deutschen Sprache nur
in Zusammensetzungen gebräuchlich (holomorph; holoedroisch; Holocaust) und
bedeutet „ganz, in vollem Umfang; vollkommen, komplett, restlos“
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(www.wissen.de).In Bezug auf die eingetragenen Waren der jüngeren Marke trägt
„holo“ damit jedenfalls auch zum Gesamteindruck bei, und kann bei dessen
Feststellung nicht gänzlich außer Betracht bleiben. In Kombination mit dem Begriff
„safe“, der für Papier ebenfalls wiederum nicht unmittelbar beschreibend ist,
sondern allenfalls assoziative Anklänge hat, wird der Gesamtbegriff damit von
keinem der beiden Bestandteile geprägt. Der Widerspruchsmarke „safe“ steht also
die unverkürzte Einwortmarke „HOLOSAFE“ gegenüber, zwischen denen keine
unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht.
Der Senat weicht im hier zu entscheidenden Verfahren im übrigen nicht von der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ab. Dieser prüft - nach wie vor -,
ob bei zwei Marken, von denen die jüngere das Markenwort der älteren gänzlich in
sich aufnimmt und lediglich um einen weiteren Begriff ergänzt, das „gemeinsame“
Element im maßgeblichen Gesamteindruck so dominiert, dass dann die Gefahr
von Verwechslungen anzunehmen ist. Die beiden Entscheidungen des
Europäischen Gerichts Erster Instanz (Verfahren vom 25.
November
2003
T-286/02 - KIAP MOU/MOU und vom 4. Mai 2005 T-22/04 – Westlife/West)
führen zu keiner anderen Beurteilung. Die dort vertretene Ansicht der Zweiten
Kammer des Gerichts Erster Instanz, dass zwei Marken „regelmäßig als ähnlich
anzusehen sind“ (aaO, Rn 37 – Westlife/West), „wenn eines von zwei Wörtern,
aus denen eine Wortmarke besteht, bildlich oder klanglich mit dem einzigen Wort
identisch ist, aus dem eine ältere Wortmarke besteht, und wenn diese Wörter
insgesamt oder für sich genommen für die betreffenden Verkehrskreise keine
begriffliche Bedeutung haben,
…“, bezieht sich auf die Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs zu MATRATZEN (EuGH GRUR Int
2004, 843
ff
-
MATRATZEN). Die Zweite Kammer schlussfolgert, dass bei derartigen
Konstellationen „regelmäßig“ eine Verwechslungsgefahr anzunehmen sei. Der
Europäische Gerichtshof (aaO, Rn 32 und 33) hat allerdings unter Hinweis auf die
zugrundeliegende Entscheidung der Vierten Kammer des Gerichts Erster Instanz
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier
Marken nicht bedeute, dass nur ein Bestandteil einer zusammengesetzten Marke
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zu berücksichtigen und mit der anderen Marke, sondern vielmehr die Marken als
Ganzes miteinander zu vergleichen seien. Die Vierte Kammer hat deshalb in ihrer
Entscheidung auch ausdrücklich festgestellt (EuG GRUR Int. 2003, 243, 244
- Rn 31 - MATRATZEN), dass im von ihr zu entscheidenden Fall das Wort
„MATRATZEN“ zwar die Wortmarke der älteren Marke und zugleich ein
Bestandteil des Zeichens sei, aus dem die jüngere Marke bestehe. Diese
Feststellung genüge allein jedoch nicht für die Annahme, dass die beiden
fraglichen Marken, „die im Verhältnis zueinander jeweils als Ganzes zu betrachten
sind, auch einander ähnlich sind“ (aaO, Rn 31). Zur Verwechslungsgefahr kommt
die Vierte Kammer nur deshalb, weil sie davon ausgeht, dass das dominierende,
dh prägende, Element der jüngeren Wort-/Bildmarke der Bestandteil
„MATRATZEN“ ist, und sich deshalb „MATRATZEN“ und „MATRATZEN“
gegenüberstanden.
Im Ergebnis scheidet auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr aus. Zum einen
handelt es sich bei „safe“ nicht um das Firmenschlagwort der Widersprechenden.
Zum anderen besteht auch nicht die Gefahr, dass die angegriffene Marke im
Verkehr gedanklich unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbildung mit der
Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht werden könnte (BGH GRUR 2002,
542, 544 – BIG; GRUR 2002, 544, 547 – BANK 24). Für eine solche Art der
Verwechslungsgefahr, bei deren Annahme grundsätzlich Zurückhaltung geboten
ist, gibt es keine Anhaltspunkte.
Unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr be-
gründenden Faktoren ergibt sich daher, dass diese trotz der Warenähnlichkeit
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und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund
des deutlichen Zeichenabstands zu verneinen war.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs 1 S 2 MarkenG).
Baumgärtner Fink
Dr.
Mittenberger-Huber
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