Urteil des BPatG vom 28.01.2008

BPatG (marke, bestandteil, verwechslungsgefahr, beschreibende angabe, gesamteindruck, verkehr, beschwerde, medizin, kennzeichnungskraft, zeichen)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 113/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 304 19 950
BPatG 152
08.05
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hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 28.
Januar
2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Vogel von Falckenstein, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hin
wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 21. April 2006 insoweit aufgeho-
ben, als darin die Marke 304 19 950 hinsichtlich der Waren „phar-
mazeutische und chemische Erzeugnisse zur Gesundheitspflege;
diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungser-
gänzungsmittel für nicht-medizinische Zwecke hauptsächlich be-
stehend aus Vitaminen, Spurenelementen, Mineralstoffen“ ge-
löscht wurde. Der Widerspruch aus der Marke 399 44 992 wird
auch insoweit zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Eingetragen seit dem 27. Oktober 2004 unter der Nummer 304 19 950 u. a. für die
Waren
„pharmazeutische und chemische Erzeugnisse zur Gesundheits-
pflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nah-
rungsergänzungsmittel für nicht-medizinische Zwecke hauptsäch-
lich bestehend aus Vitaminen, Spurenelementen, Mineralstoffen“
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ist die Wortmarke
Ortho-bio.
Widerspruch wurde erhoben aus der am 5.
Oktober
1999 unter der Num-
mer 399 44 992 für die Waren
„Arzneimittel; Diagnostika für medizinische Zwecke; Präparate für
die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische
Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke;
Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke, haupt-
sächlich bestehend aus Vitaminen, Spurenelementen, Mineralien;
Nahrungsergänzungsmittel für nicht medizinische Zwecke, haupt-
sächlich bestehend aus Eiweißen; Nahrungsergänzungsmittel für
nicht medizinische Zwecke, hauptsächlich bestehend aus Kohlen-
hydraten“
eingetragenen Wortmarke
ORTHO-BIOSYN.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
angegriffene Marke teilweise, nämlich im Umfang der obengenannten Waren ge-
löscht und im Übrigen den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie
im Wesentlichen angeführt, bei identischen Waren in der Klasse 5 und durch-
schnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarke sei der zu fordernde deutli-
che Markenabstand nicht mehr eingehalten, da sich die Vergleichsmarken ledig-
lich im Wortende „-SYN“ unterschieden, das bei relativ langen Wörtern oft „ver-
schluckt“ werde, zumal der Wortbeginn in der Regel stärker beachtet werde. Im
vorliegenden Fall gebe es für eine stärkere Beachtung des zweiten Wortteils kei-
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nen Anlass. So sei das Wortende auch nicht allein prägend, da der Bestandteil
„bio“ ebenfalls beschreibend sei und es sich bei „BIOSYN“ lediglich um einen nicht
unterscheidungskräftigen Firmenhinweis handele.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat hiergegen Beschwerde eingelegt. Sie
hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Grundsatz, wonach der Wortanfang
stärker beachtet werde, hier keine Anwendung finde, da der Wortanfang „Ortho-„
offensichtlich beschreibend und werbeüblich sei, so dass der Verkehr verstärkt auf
die unterschiedlichen Wortendungen „-bio“ gegenüber „-BIOSYN“ achte. Zudem
bemerke der Verkehr im Gesundheits- und Lebensmittelbereich bereits geringe
Unterschiede. Bei den Markenelementen „Ortho“ und „bio“ handele es sich um Ab-
wandlungen freihaltungsbedürftiger Angaben (orthos bzw. bios), auf deren Über-
einstimmung nicht allein abgestellt werden dürfe. Der Bestandteil „BIOSYN“ müs-
se als Firmenbezeichnung außer Betracht bleiben, so dass sich „Ortho-bio“ und
„ORTHO“ gegenüberstünden und damit keine Verwechslungsgefahr bestehe.
Sie beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
21. April 2006 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke
399 44 992 zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widersprechende schließt sich dem Beschluss der Markenstelle an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr
nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht besteht.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände,
insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähn-
lichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesonde-
re ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der
Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st.
Rspr. vgl. GRUR 2005, 513 - MEY/Ella May; GRUR 2004, 865, 866 – Mustang;
GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBO-
LEX/NEURO-FIBRAFLEX).
1. Bei
seiner
Entscheidung hat der Senat mangels anderer Anhaltspunkte eine
normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit zugrun-
de gelegt. Zwar lassen sich in den Bestandteilen der Widerspruchsmarke be-
schreibende Anklänge an „ortho“ = „gerade, aufrecht, richtig, recht“ und an „bio“ =
„lebens-„, „Lebens-„ sowie an „-syn“ für „Miteinander, Zusammenwirken“ erkennen
(vgl. Duden-Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim CD-ROM), wo-
durch gewisse Hinweise auf Anwendungsgebiet, Zusammensetzung oder Herstel-
lungsverfahren der Widerspruchswaren gegeben werden. So wird der Bestandteil
„Ortho“ in Bezug auf die hier beanspruchten Waren Arzneimittel und Nahrungser-
gänzungsmittel in Zusammensetzungen – so auch von den Beteiligten – häufig als
Hinweis auf die sog. Orthomolekulare Medizin verwendet. Diese alternativmedizi-
nische Methode setzt neben gesunder Ernährung Vitamine, Mineralstoffe und an-
dere sog. Vitalstoffe bzw. orthomolekulare Substanzen zur Behandlung von Krank-
heiten ein (vgl. „Orthomolekulare Medizin“ in dem Werk „Orthomolekulare Medizin“
ein Leitfaden für Apotheker und Ärzte, 2. Aufl. 2002, S. 4 f.). Im Arzneimittelbe-
reich und im Gesundheitsbereich allgemein sind jedoch häufig mehr oder weniger
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deutliche Sachhinweise in den Zeichen enthalten, die aber regelmäßig nicht zu ei-
ner Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke führen, wenn diese insgesamt
eine ausreichend eigenständige Abwandlung einer beschreibenden Angabe dar-
stellt (vgl. BGH GRUR 1998, 815 - Nitrangin). Das ist vorliegend der Fall, da die
einzelnen Bestandteile in der Widerspruchsmarke je für sich beschreibende An-
klänge haben mögen, jedoch in dieser Kombination ohne konkrete Aussage und
insgesamt hinreichend phantasievoll zusammengefügt sind, so dass hier jeden-
falls keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtmarke angenom-
men werden kann.
2. Ausgehend von der Registerlage können die Vergleichsmarken wegen der
weitreichenden Warenoberbegriffe in beiden Marken zur Kennzeichnung identi-
scher und eng ähnlicher Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist hierbei,
dass bei den vorliegenden pharmazeutischen Erzeugnissen und Arzneimitteln kei-
ne Rezeptpflicht festgeschrieben ist, so dass allgemeine Verkehrskreise uneinge-
schränkt zu berücksichtigen sind. Dann ist grundsätzlich nicht auf einen sich nur
flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informier-
ten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, des-
sen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl.
BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbesondere allem,
was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizu-
messen pflegt (vgl. BGH GRUR 1995, 50 – Indorektal/Indohexal).
3. Der unter diesen Umständen gebotene sehr deutliche Markenabstand wird
von der angegriffenen Marke noch eingehalten. Die vorhandenen Unterschiede
reichen nach Auffassung des Senats aus, um Verwechslungen der Marken mit
hinreichender Sicherheit ausschließen zu können.
a) Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildli-
chen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Dabei kommt es auf den je-
weiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies ent-
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spricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form
aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zer-
gliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Be-
trachtung unterzieht. Demzufolge kann auch ein Bestandteil, der einer beschrei-
benden Angabe entnommen ist, zum Gesamteindruck beitragen. Zudem ist bei
der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen
Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede ab-
zustellen (vgl. BGH a. a. O. NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
b) Für die Frage der klanglichen Verwechslungsgefahr sind die sich gegenüberste-
henden Marken in ihrer Gesamtheit zu vergleichen, ohne dass im vorliegenden
Fall einer der Markenbestandteile zu vernachlässigen wäre, oder in verwechs-
lungsbegründender Weise hervortritt.
Es ist zwar grundsätzlich verwehrt, aus einer angegriffenen jüngeren Marke ein
Element herauszugreifen und allein auf dieser Grundlage eine Verwechslungsge-
fahr mit der älteren Marke festzustellen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 – Sprin-
gende Raubkatze). Jedoch kann auch ein Markenbestandteil eine selbständig kol-
lisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck einer mehr-
gliedrigen Marke prägt, indem er eine eigenständige kennzeichnende Funktion
aufweist (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH; Ströbele/
Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 232 m. w. N.). Dies ist hier bei dem mit
dem Anfangsbestandteil der angegriffenen Marke übereinstimmenden Bestandteil
„ORTHO“ der Widerspruchsmarke „ORTHO-BIOSYN“ nicht der Fall.
c) Die angesprochenen Verkehrskreise werden insbesondere den Firmennamen
der Inhaberin der Widerspruchsmarke „Biosyn“, der zugleich Bestandteil der
Widerspruchsmarke ist, im Erinnerungsbild nicht vernachlässigen. Zwar ist in der
Rechtsprechung des BGH anerkannt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 279),
dass bei zusammengesetzten Marken ein Bestandteil, der zugleich ein bekanntes
oder für den Verkehr als solches erkennbares Unternehmenskennzeichen ist, im
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Allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktritt, weil der Ver-
kehr die eigentliche Produktkennzeichnung in dem oder den anderen Markenbe-
standteilen sieht (vgl. BGH GRUR 2001, 164, 166 – Wintergarten; Ströbele/Hacker
a. a. O. § 9 Rdn. 280 ff. m. w. N.). Gleichwohl ist aufgrund der Umstände des Ein-
zelfalls ein von diesem Erfahrungssatz abweichendes Ergebnis möglich. So kann
insbesondere nicht von kennzeichnungsmäßigem Zurücktreten des Firmenna-
mens hinter dem anderen Bestandteil ausgegangen werden, wenn diesem nur
eine geringe Kennzeichnungskraft zukommt (vgl. BGH GRUR 2002, 342, 345
- ASTRA/ESTRA-PUREN). Zu diesen Umständen gehören insbesondere die Ver-
kehrsauffassung und Gepflogenheiten in der jeweiligen Branche (Ströbele/Hacker
a. a. O. § 9 Rdn. 285). Im Bereich der Arzneimittel hat deren Bedeutung für die
Gesundheit und die Gewöhnung des Fachverkehrs daran, dass das Unterneh-
menskennzeichen in Marken angesichts eines eher beschreibenden Charakters
des anderen Markenteils häufig eine kennzeichnende Bedeutung hat, zur Folge,
dass weniger mit einer Verkürzung der Marke auf die übrigen Bestandteile durch
den Verkehr zu rechnen ist (vgl. BGH a. a. O. - ASTRA/ESTRA-PUREN; a. a. O.
- Indorektal/Indohexal; vgl. auch BPatG 25 W (pat) 191/02 - Pantohexal/PANTO;
25 W (pat) 089/04 - Haldomerck/HALDOL, PAVIS PROMA CD-ROM).
Soweit man annehmen kann, dass dem Fachverkehr der Firmenname „biosyn“
nicht unbekannt ist, ist in dem soeben beschriebenen Sinne jedenfalls der Zei-
chenbestandteil „ORTHO“ so kennzeichnungsschwach, dass er innerhalb der Ge-
samtmarke keine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist. Der Bestand-
teil „ORTHO“, der wie oben ausgeführt, nicht unwesentlichen Teilen des Verkehrs
aus dem Begriff „orthomolekular“ bekannt ist und damit einen gewissen Hinweis
auf die mutmaßliche Indikation des Präparats bzw. Verwendung der beanspruch-
ten Waren gibt, bleibt trotz seines beschreibenden Anklangs bei der Feststellung
des Gesamteindrucks zwar nicht außer Betracht, hat aber keine selbständig kenn-
zeichnende Bedeutung.
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Was die ebenfalls zu berücksichtigenden Endverbraucher anbelangt, sieht der Se-
nat keine ausreichende Grundlage für die Feststellung, dass der Name der Inha-
berin der Widerspruchsmarke dort einen solchen Bekanntheitsgrad erlangt hat,
dass bei einer klanglichen Benennung der Firmenname „biosyn“ in der Wider-
spruchsmarke stets auch als solcher begrifflich erfasst wird. Nicht unbeachtliche
Teile des Verkehrs werden vielmehr die Widerspruchsmarke als reines Phantasie-
wort ansehen.
d) Sind somit die Vergleichsmarken einander in ihrer Gesamtheit gegenüberzu-
stellen, kommt die angegriffene Marke „Ortho-bio“ der Widerspruchsmarke
„ORTHO-BIOSYN“ in ihrer Gesamtheit nicht so nahe, dass selbst bei identischen
Waren eine Verwechslungsgefahr zu befürchten wäre. Obwohl die angegriffene
Marke vollständig in der Widerspruchsmarke enthalten ist und beide Marken in
vier von fünf Silben am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang übereinstim-
men, ist die Ähnlichkeit der Marken jedoch insgesamt gering. Sie unterscheiden
sich in Wortlänge, Silbenzahl und Lautfolge deutlich. Die in der Widerspruchsmar-
ke nach dem zweiten – mit Bindestrich verbundenen Markenelement „BIO“ ange-
fügte betonte Silbe „SYN“, deren Buchstabe ”y” als ”ü” - wie in Synergie, Synthe-
se, Synopse – ausgesprochen wird (vgl. auch Duden, Aussprachewörterbuch
S. 95), findet bei der angegriffenen Marke keine Entsprechung und bewirkt zudem
eine abweichende Betonung und einen unterschiedlichen Sprechrhythmus. Außer-
dem handelt es sich bei dem Element „BIO“ um einen beschreibenden Bestandteil
ohne kennzeichnende Funktion, so dass sich der Verkehr stärker an abweichen-
den oder zusätzlichen Elementen orientiert. Zudem tritt die Lautfolge „Bio“ in dem
Bestandteil „BIOSYN“ der Widerspruchsmarke nicht als selbständiger Teil hervor.
4. Entgegen der Ansicht der Markenstelle ergeben sich keine Anhaltspunkte da-
für, dass die nach den Ausspracheregeln vorliegend betonte und prägnante End-
silbe „SYN“ der Widerspruchsmarke „verschluckt“ würde und damit für den klangli-
chen Gesamteindruck nicht zu berücksichtigen wäre. Dieser deutliche Silben- und
Lautunterschied bleibt selbst bei ungünstigeren Übermittlungsbedingungen oder
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etwas undeutlicherer Aussprache der Wörter gut vernehmbar und gewährleistet
eine hinreichend sichere Unterscheidung.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Endsilbe „SYN“ des Mar-
kenbestandteils „BIOSYN“ der Widerspruchsmarke wegen eines möglichen be-
schreibenden Anklangs oder als eine im Arzneimittelbereich häufig verwendete
Endung für den Gesamteindruck völlig in den Hintergrund tritt. Auch kennzeich-
nungsschwache oder sachbeschreibende Bestandteile bleiben bei der Feststel-
lung des Gesamteindrucks eingliedriger Marken nicht außer Betracht, sondern tra-
gen grundsätzlich zur Prägung des Gesamteindrucks bei (vgl. BGH GRUR 1996,
200, 2001 -
Innovadiclophlont; GRUR 2004, 779, 782 -
Zwilling/Zweibrüder;
a. a. O. - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Bei der Endsilbe „-SYN“ der
Widerspruchsmarke handelt es sich insbesondere nicht um eine beschreibende
Angabe zu Beschaffenheit, Wirkweise oder Darreichungsform des Arzneimittels
wie z. B. „oral, forte, retard“, denen die beteiligten Verkehrskreise keinerlei für die
Betriebskennzeichnung auch nur mitbestimmende Bedeutung zumessen (vgl.
BPatG GRUR, 122, 124 - BIONAPLUS; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 9
Rdn. 309 m. w. N.), weil der Endsilbe „SYN“ kein dementsprechender Hinweis ent-
nommen werden kann.
Der Unterschied beider Marken in ihrem Gesamteindruck ist somit aufgrund der
zusätzlichen Silbe „SYN“ auf Seiten der Widerspruchsmarke sowohl in klanglicher
als auch in schriftbildlicher Hinsicht noch so deutlich, dass auch unter Berücksich-
tigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge erfolgenden
Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufigen undeutlichen Erinnerungsbil-
des (vgl. dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 – Lloyd/Loints) ein sicheres Ausein-
anderhalten selbst unter strengen Anforderungen an den Markenabstand jederzeit
gewährleistet ist.
5. Es besteht ebenfalls nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander
in Verbindung gebracht werden können.
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Die Annahme einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass
die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichs-
marken erkennen und insoweit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen.
Sie werten gleichwohl einen in beiden Marken identisch oder zumindest wesens-
gleich enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke,
messen diesem Stammbestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunfts-
funktion bei und sehen deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch
als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers
der älteren Marke an (vgl. BGH GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem; GRUR
2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK 24).
In solchen Ausnahmefällen sprechen die zu vergleichenden (abweichenden) Mar-
kenteile gegen eine mittelbare Verwechslungsgefahr, wenn sie sich mit dem ge-
meinsamen Bestandteil zu eigenen, in sich geschlossenen Gesamtbegriffen ver-
binden, die von der Vorstellung wegführen, es handele sich um Serienmarken ei-
nes Unternehmens (vgl. BGH GRUR 1998, 932, 934 - MEISTERBRAND; a. a. O.
- POLYFLAM/MONOFLAM). Der für die Annahme einer mittelbaren Verwechs-
lungsgefahr erforderliche Hinweischarakter des gemeinsamen Stammbestandteils
ist zudem kennzeichnungsschwachen Markenteilen abzusprechen, so dass be-
schreibende Angaben bzw. daran angelehnte Bezeichnungen nicht als Stammbe-
standteile von Serienmarken in Betracht kommen (vgl. BGH GRUR 2003, 1040
- Kinder).
Alles dies liegt hier vor. Weder kommt der kennzeichnungsschwache Bestandteil
“ORTHO“ als Stammbestandteil einer Markenserie in Frage, noch die Kombination
„ORTHO-BIO“, da der Bestandteil „BIO“ mit dem Element „SYN“ in der Wider-
spruchsmarke zu einem neuen Phantasiebegriff verschmilzt und nicht mehr eigen-
ständig in der Widerspruchsmarke hervortritt.
Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslun-
gen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.
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Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hatte daher Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen An-
lass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Dr. Vogel von Falckenstein
Paetzold
Hartlieb
Ko