Urteil des BPatG vom 07.01.2008

BPatG: wissenschaft und forschung, unbestimmter rechtsbegriff, erfindung, verwertung, kernfusion, mutwilligkeit, inhaber, patentgesetz, gebrauchsmuster, sicherheit

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
5 W (pat) 15/08
_______________________
betreffend das Gebrauchsmuster 20 2004 016 856
hier: Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungs-
gebühr für das 4. bis 6. Schutzjahr
durch den Vorsitzenden Richter Müllner sowie die Richter
Baumgärtner und Guth
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
am 4. September 2008
- 2 -
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beschlossen:
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle
des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. Januar 2008 wird
zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist In-
haber des am 27.
Oktober
2004 angemeldeten Gebrauchsmusters
20 2004 016 856, das unter der Bezeichnung „Anlage zur Durchführung von Io-
nenstößen in gegenläufigen Ionenströmen, die auf eine Fusionsreaktion abzielen“
das Register beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen worden ist.
, um die Vermutung auszuräumen, dass die Aufrechterhaltung des
ebrauchsmusters mutwillig sei. Der Antragsteller führte daraufhin mit Schriftsatz
et der gesteuer-
ten Kernfusion werde seit Jahrzehnten intensiv, aber bisher ohne durchschlagen-
den Erfolg geforscht. Die vorliegende Erfindung sei daher als Baustein auf dem
in
Dem Beschwerdeführer ist von der Gebrauchsmusterstelle bereits Verfahrens-
kostenhilfe für das Anmeldeverfahren gewährt worden. Mit Schriftsatz vom
25. Juni 2007 bzw. vom 18. September 2007 beantragte er sinngemäß nunmehr
auch Verfahrenskostenhilfe für die Zahlung für die Aufrechterhaltungsgebühr für
das 4. bis 6. Schutzjahr und legte eine Erklärung über die persönlichen und wirt-
schaftlichen Verhältnisse sowie ergänzende Unterlagen vor.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2007 forderte die Gebrauchsmusterstelle den Be-
schwerdeführer dazu auf, Nachweise für ernsthafte Verwertungsversuche einzu-
reichen
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vom 6. November 2007 aus, auf dem hier angesprochenen Gebi
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Weg zu einer industriellen N
ung zu verstehen. Die J…l
.V., deren Mitglied der Beschwerdeführer sei, habe sich an das In-
ie beigefügten Schreiben belegten.
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haltung des
ebrauchsmusters entspreche daher nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen
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stitut für Kernphysik in Jülich und an das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in
Greifswald gewandt und darum gebeten, die Herstellung experimenteller Anlagen
zu prüfen, was d
Mit Beschluss vom 7. Januar 2008 hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen
t- und Markenamts den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für
rste Aufrechterhaltungsgebühr zurückgewiesen. Der Antragsteller habe we-
achweise für die Erfolg versprechende Verwertung des Gebrauchsmusters
cht noch erscheine eine wirtschaftliche Verwertung in absehbarer Zeit mög-
oder wahrscheinlich. Auch die Schreiben der J…
änderten daran nichts. Die weitere Aufrechter
G
Handelns.
n diese Zurückweisung richtet sich die Beschwerde, mit der der Beschwer-
rer seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe weiterverfolgt. Er weist darauf
ass sein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe rein formal und bürokratisch be-
elt worden sei. Insbesondere habe sich die Gebrauchsmusterstelle nicht hin-
end mit dem Gegenstand der Erfindung auseinandergesetzt. Betrachte man
n müsse man zum Ergebnis kommen, dass Mutwilligkeit nicht vorliege, da es
esen der Forschung auf dem Gebiet der gesteuerten Kernfusion liege, dass
gebenenfalls verhältnismäßig schnell einen Durchbruch zu einer industriellen
ng geben könne, auch wenn dies unsicher sei. Weiterhin verweis der Be-
erdeführer auf seine Ausführungen im Verfahren vor der Gebrauchsmuster-
.
n weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
eschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Gebrauchs-
erstelle hat den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe im Ergebnis zu Recht zu-
ewiesen.
Nach Auffassung des Senats ist die Begründung des angefochtenen
Beschlusses zwar recht knapp und pauschal, so dass sich durchaus die
Frage stellt, ob nicht ein Begründungsmangel vorliegen könnte. Dies kann
hier jedoch dahingestellt bleiben. Jedenfalls sieht der Senat aus Gründen der
Verfahrensökonomie auch im Fall, dass ein Verfahrensfehler vorläge, von ei-
ner Zurückverweisung an die Gebrauchsmusterstelle ab und entscheidet
selbst in der Sache (§ 18 Abs. 2 GebrMG, § 79 Abs. 3 PatG).
Die B
must
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1.
2.
Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1
GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Auf-
rechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die
Bewilligung ist - wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe - § 114 ZPO
entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfah-
renskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Er-
folg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschrän-
kungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrens-
führung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten.
Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur,
die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des
Rechtsschutzes einander anzunähern. Verfassungsrechtlich ist keine voll-
ständige Gleichstellung geboten, sondern nur eine weitgehende Anglei-
chung. Wirtschaftlich schwache Personen sollen nicht allein aufgrund ihrer
Vermögensverhältnisse von der Verwirklichung des Rechtsschutzes ausge-
schlossen werden.
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2.1.
rlich, wie sich aus der gesetzlichen
2.2.
bei
objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Si-
Ob Mutwilligkeit vorliegt, entscheidet sich nach h. M. danach, ob auch eine
nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechts-
lage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der
Antragsteller (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 130 Rn. 34 m. w. N.;
Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 130 Rn. 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997,
443 m. w. N.). Mutwilligkeit ist danach ein unbestimmter Rechtsbegriff, der
nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets
fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegen-
den Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender
Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in werten-
der Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein
exakter Nachweis ist dabei nicht erforde
Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG a. a. O. m. w. N.).
Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere
Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskosten-
hilfe aus. Die Rechtswahrnehmung des Beschwerdeführers entspricht
tuation. Die Gebrauchsmusterstelle hat insoweit zu Recht darauf abgestellt,
ob der Beschwerdeführer bisher ernsthaft versucht hat, das Streitgebrauchs-
muster wirtschaftlich zu verwerten. Denn im Fall der Aufrechterhaltungsge-
bühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die
Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht,
danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei
verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich seines
Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Das Ziel
eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Ver-
wertung. Dies spiegelt sich u. a. in der Schutzvoraussetzung der gewerbli-
chen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintra-
gung verbundenen Benutzungs- und Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wi-
der.
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Es mag zwar sein, dass es technische Gebiete gibt, auf denen eine Erfin-
dung lediglich als ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer bislang noch nicht
möglichen wirtschaftlichen Verwertung eines von der Forschung angestreb-
ten Endergebnisses anzusehen ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass
gerade auch umfangreiche Forschungsprojekte mit ungewissem Ausgang
ganz erheblich subventioniert werden, um die erforderlichen personellen und
achlichen Mittel bereitzustellen. Diese Finanzierung betrifft neben Material-
eshalb wird sich auch auf dem hier angesprochenen Gebiet der gesteuer-
2.3.
hat der Antragsteller die Kopien zweier im Wesentlichen gleichlautende
seiner Schutzrechte anstrebt. Auch liegen keinerlei
Anhaltspunkte vor, ob und inwieweit die Adressaten der Schreiben Verwer-
tungsmöglichkeiten für die erwähnten Erfindungen sehen, zumal es sich
rbei offenbar um neue, re
edankenansätze handelt, deren
technische Ausführbarkeit zum Teil noch detaillierterer Entwicklungen der
einzelnen Komponenten der Anlage bedarf. Außerdem würde die Verw
chung der Erfindungen wohl erhebliche und kostenintensive Veränderungen
an bestehenden Forschungsanlagen oder einen völligen sehr kostenintensi-
s
und Personalkosten etc. natürlich u. a. auch Lizenzengebühren an techni-
schen Schutzrechten, die im Rahmen des Projekts eingesetzt werden. Es
kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen einer For-
schungs- und Entwicklungsarbeit verwendbare Erfindungen grundsätzlich
wirtschaftlich schlecht verwertbar seien.
D
ten Kernfusion ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber insbeson-
dere in der ersten Zeit nach Eintragung seines Schutzrechts ernsthaft um
dessen Vermarktung bemühen. Dass der Beschwerdeführer dies getan hat,
lässt sich seinen Eingaben nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.
Zwar
Schreiben der Jüdischen Innovationsgesellschaft IWIS e.V. an das Institut für
Kernphysik in Jülich und an das Max-Planck-Institut in Greifswald vorgelegt,
in der die Erfindung vorgestellt wird. Aus den Schreiben ist aber nicht konkret
ersichtlich, dass der Antragsteller eine - wie oben ausgeführt - mögliche wirt-
schaftliche Verwertung
hie
lativ globale G
irkli-
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ven Neubau erfordern. Eine Bewilligung von solchen erheblichen finanziellen
Mitteln wäre aber von zahlreichen wirtschaftlichen und für die Kernenergie im
Moment eher ungünstigen politischen bzw. ideologischen Rahmenbedingun-
gen abhängig und ist daher nicht hinreichend konkret absehbar. Insoweit hat
der Beschwerdeführer auch keine auf konkreten Tatsachen beruhende sub-
stantiierte Prognosen vorgebracht.
Eine weitere Verwertungstätigkeit behauptet der Beschwerdeführer nicht.
Auch ein weiterer, die Verwertungsbemühungen intensivierender Schriftver-
kehr - etwa über Vorträge und Ausstellungen - oder sonstige diesbezügliche
Unterlagen, die eine günstige Vertriebsentwicklung erwarten lassen, wurden
nicht eingereicht und sind auch nicht ersichtlich.
Angesichts dieser Sachlage kann somit nicht davon ausgegangen werden,
dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung
der Sach- und Rechtslage weitere Mittel einsetzen würde, um das Streit-
gebrauchsmuster aufrechtzuerhalten. Allein für die bloße weitere Existenz
des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht wer-
den.
Insbesondere besteht auch kein Bedürfnis, ein technisches Schutzrecht aus
altruistischen Gründen für die Forschung aufrechtzuerhalten. Denn auch und
gerade dann, wenn das Schutzrecht erloschen ist, ist es jedermann - also
auch der Wissenschaft und Forschung - gestattet, die Erfindung für beliebige
Zwecke zu benutzen.
Müllner Baumgärtner
Guth
Pr/Cl