Urteil des BPatG vom 24.04.2007

BPatG: verwechslungsgefahr, ältere marke, eugh, kennzeichnungskraft, verbraucher, begriff, vorname, international, englisch, haushalt

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 167/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Marke 396 27 522
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. April 2007 durch …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Widersprechende hat gegen die am 10. Januar 1997 veröffentlichte Eintra-
gung der am 22. Juni 1996 angemeldeten, für
„Elektrische Bügeleisen, elektrische Wasserkessel und Wärmfla-
schen, elektrische Reinigungsgeräte für den Haushalt, nämlich
Staubsauger, Bohnermaschinen, elektrische Türschließer, elektri-
sche Shampooniergeräte für Teppiche und Teppichböden; Kü-
chenwaagen; Schaltuhren; Webstoffe und Textilwaren, nämlich
Textilstoffe, Gardinen, Rollos, Haushaltswäsche, Tisch- und Bett-
wäsche; Bett- und Tischdecken; Taschentücher aus textilem Mate-
rial; textile Lederimitationsstoffe; Vliesstoffe (Textilien); Beklei-
dungsstücke, Schuhwaren, einschließlich Bekleidungsstücke aus
Leder, Lederimitationen oder aus Pelz, Papierbekleidungsstücke,
Sportbekleidung, -schuhe, Fußballschuhe und Stollen hierfür;
Kopfbedeckungen; Miederwaren“
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geschützten Marke Nr. 396 27 522
Widerspruch eingelegt aus ihrer am 11. November 1993 international registrierten
und in der Bundesrepublik Deutschland für
„classe
09:
Disques phonographiques, musicassettes, disques
CD;
classe 16: Imprimés et magazines de mode et musique;
classe 25: Articles d'habillement, chapeaux, chaussures;
classe 41: Production de films et, en particulier, de films pour la
télévision“
geschützten Marke Nr. IR 610 651
JAM
Bei Widerspruchseinlegung wies die Widersprechende darauf hin, dass die Um-
schreibung der Inhaberschaft der international registrierten Widerspruchsmarke
von der noch eingetragenen früheren Inhaberin, der A… S.
r.
I. auf
sie beantragt sei. Ein entsprechender Umschreibungsantrag ist in den Akten nicht
enthalten, im ROMARIN-Auszug vom 23. September 1998 ist aber die B…
GmbH + Co. als Markeninhaberin eingetragen.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 13. Juli 2005 den Widerspruch mit der Begründung zurück-
gewiesen, die angegriffene Marke halte selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe
den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Eine klangliche
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Ähnlichkeit scheide dabei aus, weil beachtliche Teile des Verkehrs die
Widerspruchsmarke englisch wie „Dschäm“ aussprächen, weil es sich bei dem
Markenwort „JAM“ um einen bekannten englischen Begriff handele, während die
angegriffene Marke wie der deutsche männliche Vorname wiedergegeben werde.
In schriftbildlicher Hinsicht schließlich reiche angesichts der extremen Kürze bei-
der Zeichen der Unterschied am jeweiligen Wortende aus, um Verwechslungen
auszuschließen. Da Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr aus sonstigen
Gründen weder vorgetragen noch ersichtlich seien, sei der Widerspruch zurück-
zuweisen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie
hält eine schriftbildliche wie klangliche Verwechslungsgefahr für gegeben. Schrift-
bildlich reduziere sich der Unterschied auf einen bloßen Strich, den die ältere
Marke zusätzlich aufweise. In klanglicher Hinsicht würden beachtliche Teile des
Verkehrs die Widerspruchsmarke in deutscher Aussprache wiedergeben, wodurch
sie von der angegriffenen Marke kaum noch zu unterscheiden sei; dabei sei auch
zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen irrtümlich wie das andere Zeichen
gelesen und identisch ausgesprochen werden.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist dem unter pauschaler Bezugnahme auf
die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet, entgegengetreten.
Beide Beteiligte haben keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Ihren Hilfsantrag auf
Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende mit
Schriftsatz vom 16. August 2006 zurückgenommen.
II
A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat
zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den
Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmar-
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ken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG
zurückgewiesen.
1. Die Beschwerde ist allerdings nicht schon wegen einer Unzulässigkeit des Wi-
derspruchs unbegründet, weil dieser durch die zu diesem Zeitpunkt noch nicht als
Markeninhaberin eingetragene Widersprechende eingelegt worden war. Nach § 28
Abs. 2 Satz 1 MarkenG kann auch der Rechtsnachfolger das durch die Eintragung
begründete Recht geltend machen, wenn der Antrag auf Eintragung des Rechts-
übergangs dem Patentamt zugegangen ist. Da die Umschreibung vorliegend wie
versichert bei Widerspruchseinlegung bereits beim Italienischen Patentamt bean-
tragt war, weil andernfalls eine Umschreibung nicht erfolgt wäre, war die Wider-
sprechende zur Widerspruchseinlegung berechtigt.
2. Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr mit-
einander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Marken-
ähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH
GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei
ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähn-
lichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl.
EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923
Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), ist der Grad der Ähnlichkeit der
gegenüberstehenden Marken selbst im Bereich identisch beanspruchter Waren
der Klasse 25 und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke nicht so groß, dass die Annahme einer Verwechslungsgefahr gerechtfertigt
wäre.
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden scheidet dabei eine klangliche Ver-
wechslungsgefahr von vornherein aus. Es gibt nämlich keinen tatsächlichen An-
haltspunkt für die Annahme, nicht nur unmaßgebliche Teile der angesprochenen
Verkehrskreise würden die Widerspruchsmarke in einer deutschen Aussprache
wiedergegeben. Bei dem Markenwort „JAM“ handelt es sich um einen zum engli-
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schen Grundwortschatz gehörenden Begriff, der den betroffenen Teilen des Ver-
kehrs geläufig ist; denn nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäi-
schen Gerichtshofs ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr allein auf die
durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzu-
stellen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944
- SAT. 2), bei denen Kenntnisse der englischen Sprache weitgehend vorhanden
sind; nach diesem Verbraucherleitbild haben demgegenüber die Teile des Ver-
kehrs, bei denen dies nicht der Fall ist, bei der Beurteilung der Verwechslungsge-
fahr außer Betracht zu bleiben. Wird die Widerspruchsmarke aber von den für die
Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Teilen des Verkehrs englisch
wie „[dschäm]“ ausgesprochen, werden sie dieses Zeichen ohne jede Mühe klang-
lich von der erkennbar mit dem bekannten deutschen Vornamen identischen jün-
geren Marke unterscheiden können.
Aber auch eine Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht ist entgegen der
Auffassung der Widersprechenden nicht zu befürchten. Zwar unterscheiden sich
beide Marken, wie die Widersprechende geltend gemacht hat, nur durch den zu-
sätzlichen senkrechten Strich, den die Widerspruchsmarke zur optischen Wieder-
gabe und Wahrnehmung des letzten Buchstabens „M“ gegenüber dem letzten
Buchstaben „N“ in der jüngeren Marke aufweist. Dem steht aber gegenüber, dass
es sich bei beiden Zeichen um nur aus einer einzigen Silbe bestehende Kurzwör-
ter handelt, deren voneinander abweichender Sinngehalt - „JAM“ bedeutet im Eng-
lischen u. a. „Marmelade, Stau“, „JAN“ wiederum ist ein im Inland geläufiger Vor-
name - von den angesprochenen Durchschnittsverbrauchern, an deren Wahrneh-
mungsfähigkeiten wegen des vorgenannten Verbraucherleitbildes des Europäi-
schen Gerichtshofs keine geringen Anforderungen zu stellen sind, ohne weiteres
Nachdenken sofort erfasst wird. Wegen der extremen Kürze beider Markenwörter
steht auch nicht zu befürchten, dass dieser abweichende Sinngehalt infolge eines
Verlesens nicht erkannt wird, denn bei Kurzwörtern entgehen dem durchschnittlich
informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher die Einzelheiten eines
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Zeichens - anders als dies bei längeren Zeichenfolgen der Fall sein kann - gerade
nicht.
Da Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr aus sonstigen Gründen weder
vorgetragen noch sonst wie ersichtlich sind, hat die Markenstelle somit zutreffend
den Widerspruch der Widersprechenden zurückgewiesen; deren hiergegen ge-
richteten Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.
B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1
Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei
zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten
selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
gez.
Unterschriften