Urteil des BPatG vom 16.02.2006

BPatG: stand der technik, luft, patent, vergleich, aufgabenbereich, akte, erfindung, anteil

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 70/02
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Februar 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 100 35 603.6-12
hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2006 unter Mitwirkung …
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für
Klasse F 16 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Juli 2002 gerichtet,
mit dem die vorliegende Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen worden
war, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem entgegengehaltenen
Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent zu erteilen auf der Grundlage des Anspruchs 1 vom
25. Juni 2002 sowie der geltenden Patentansprüche 2 bis 8 vom
21. Juli 2000 und der Beschreibung vom 16. Februar 2006 (Seiten
1 bis 3) und vom 21. Juli 2000 (Seiten 5 bis 32) und Figuren 1
bis 10 vom 21. Juli 2000,
hilfsweise
auf der Grundlage des Ansprüche 1 bis 6 vom 13. Februar 2006,
überreicht am 16.
Februar
2006, und der Beschreibung vom
16. Februar 2006 (Seiten 1 bis 11) und Figuren 1 bis 7 vom
21. Juli 2000,
hilfsweise
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auf der Grundlage des Ansprüche 1 bis 7 vom 13. Februar 2006,
überreicht am 16.
Februar
2006, und der Beschreibung vom
16. Februar 2006 (Seiten 1 bis 11) und Figuren 1 bis 7 vom
21. Juli 2000.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
„Stahlkäfig für ein Wälzlager mit einer durch Nitrierung auf einer
Oberfläche desselben erzeugten Verbundschicht, dadurch ge-
kennzeichnet, dass diese Verbundschicht eine dichte Schicht (2)
mit einer Dicke von 3 bis 20 µm und eine poröse Schicht (3) mit
einer Dicke von 2 bis 25 µm aufweist, wobei die genannte poröse
Schicht (3) auf der genannten dichten Schicht (2) ausgebildet ist.“
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I lautet:
„Stahlkäfig für ein Wälzlager mit einer durch Oxonitrierung auf ei-
ner Oberfläche desselben erzeugten Verbundschicht, dadurch ge-
kennzeichnet, dass diese Verbundschicht eine dichte Schicht (2)
mit einer Dicke von 3 bis 20 µm und eine poröse Schicht (3) mit
einer Dicke von 2 bis 25 µm aufweist, wobei die genannte poröse
Schicht (3) auf der genannten dichten Schicht (2) ausgebildet ist,
und dass die Verbundschicht in ihrer Oberfläche eine durch-
schnittliche Sauerstoffkonzentration von 1,0 bis 25,0 Gew.-% auf-
weist.“
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II lautet:
„Stahlkäfig für ein Wälzlager mit einer durch Oxonitrierung auf ei-
ner Oberfläche desselben erzeugten Verbundschicht, dadurch ge-
kennzeichnet, dass diese Verbundschicht eine dichte Schicht (2)
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mit einer Dicke von 3 bis 20 µm und eine poröse Schicht (3) mit
einer Dicke von 2 bis 25 µm aufweist, wobei die genannte poröse
Schicht (3) auf der genannten dichten Schicht (2) ausgebildet ist,
und dass die Verbundschicht in ihrer Oberfläche eine durch-
schnittliche Sauerstoffkonzentration von 1,0 bis 25,0 Gew.-% auf-
weist, und dass der Stahlkäfig einer Oxonitrierung unter Verwen-
dung von Sauerstoff, Luft oder überhitztem Wasserdampf unter-
zogen worden ist.“
Zur Fassung der jeweiligen Unteransprüche wird auf die Akte verwiesen.
Zur Begründung macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, dass die vorlie-
gende Erfindung nunmehr einen speziellen Dickenbereich einerseits für die poröse
Schicht und andererseits für die dichte Schicht definiere, während der Stand der
Technik die Dicke der einzelnen Schichten lediglich in Relation zur Gesamtdicke
der Verbundschicht angebe.
Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, sie hat aber keinen Erfolg.
1. Die Gegenstände der geltenden Ansprüche sind in den ursprünglich
eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit
zulässig.
Die Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag ergeben sich aus den ursprünglichen
Ansprüchen 1 bis 8.
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Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprü-
chen 1 und 4 i. V. m. S. 16, Abs. 2, die Ansprüche 2, 3, 5 und 6 entsprechen den
ursprünglichen Ansprüchen 2, 3, 6 und 7 und der Anspruch 4 ergibt sich aus
S. 17, Abs. 1.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprü-
chen 1 und 4 i. V. m. S. 16, Abs. 2 und S. 17, Abs. 1, die Ansprüche 2, 3, 5, 6 und
7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2, 3, 6, 7 und 8 und der An-
spruch 4 ergibt sich aus S. 17, Abs. 1.
2. Der Stahlkäfig nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nicht patentfähig, da
seine Lehre nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Aus der von der Anmelderin selbst genannten JP 10147855 A ist es bekannt, auf
einer Oberfläche eines Werkstücks durch Nitrierung eine Verbundschicht zu er-
zeugen, die eine dichte Schicht und eine poröse Schicht aufweist, wobei die po-
röse Schicht auf der dichten Schicht ausgebildet ist. In der JP 10147855 A wird für
die poröse Schicht eine Dicke von 1 bis 20 µm und für die dichte Schicht eine
Dicke von 10 bis 50 % der Dicke der Verbundschicht angegeben ist (vgl. insbes.
den Abstract).
Anmeldungsgemäß dagegen soll die poröse Schicht eine Dicke von 2 bis 25 µm
und die dichte Schicht eine Dicke von 3 bis 20 µm aufweisen.
Dies vermag eine erfinderische Tätigkeit jedoch nicht zu begründen.
Zum einen bedarf es nämlich nur einer einfachen Rechenoperation, um die im
Stand der Technik nach der JP 10147855 A als prozentualer Anteil der Gesamt-
dicke der Verbundschicht angegebene Dicke der dichten Schicht in einen exakten
numerischen Wert umzurechnen, zum anderen erhält der Fachmann durch die
JP 10147855 A bereits einen Hinweis, in welchem numerischen Bereich sich die
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einzelnen Schichtdicken bewegen. Wenn er aber diese prinzipiell geeigneten
Dickenbereiche bereits kennt, so kann er empirisch durch übliche Versuche und
Messreihen ohne Schwierigkeiten die jeweils günstigsten Dickenbereiche ermit-
teln. Solche Versuche, die nur der Ermittlung der günstigsten Lösung, dem Aus-
probieren im Rahmen des Bekannten, der experimentellen Feststellung der be-
sonders guten Eignung eines bekannten Bereichs oder der empirischen Ermittlung
noch brauchbarer Werte dienen, liegen für den Fachmann jedoch nahe und gehö-
ren zu seinem alltäglichen Aufgabenbereich. Sie vermögen daher eine erfinderi-
sche Tätigkeit nicht zu begründen. Denn eine Auswahlerfindung, bei der aus ei-
nem größeren Bereich ein nicht ausdrücklich erwähnter Teilbereich gezielt aus-
gewählt wird, für den im Vergleich zum größeren Bereich besondere Wirkungen,
Eigenschaften, Vorteile oder Effekte geltend gemacht werden, ist aus den vorste-
hend genannten Gründen hier nicht gegeben.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich somit aus der
JP 10147855 A in Verbindung mit dem üblichen Fachkönnen des hier zuständigen
Fachmannes.
3. Der Stahlkäfig nach Anspruch
1 gemäß Hilfsantrag
I ist ebenfalls nicht
patentfähig, da seine Lehre nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß
Hauptantrag dadurch, dass die Verbundschicht durch eine Oxonitrierung erzeugt
wird und dass die Verbundschicht in ihrer Oberfläche eine durchschnittliche
Sauerstoffkonzentration von 1,0 bis 25,0 Gew.-% aufweist.
Das Aufbringen von Verbundschichten mittels Oxonitrierung ist der Fachwelt hin-
länglich bekannt, wie beispielsweise die Anmelderin selbst ausführt (vgl. S. 16,
Abs. 2 oder S. 17, Abs. 1 und 2 der Anmeldungsunterlagen). Bei dieser Oxonitrie-
rung wird das Werkstück zunächst einer Nitrierung und danach einer Oxidation mit
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Sauerstoff, Luft, überhitztem Wasserdampf o. dgl. unterworfen, wodurch sich in
der Oberfläche der behandelten Schicht Sauerstoff o. dgl. ablagert.
Somit war es bekannt, auf der Oberfläche eines Werkstücks durch Oxonitrierung
eine Verbundschicht zu erzeugen, die eine dichte Schicht und eine poröse Schicht
aufweist, wobei die genannte poröse Schicht auf der genannten dichten Schicht
ausgebildet ist, und wobei die Verbundschicht in ihrer Oberfläche eine durch-
schnittliche Sauerstoffkonzentration aufweist.
Von einem solchen Werkstück unterscheidet sich der Gegenstand des An-
spruchs 1 gemäß Hilfsantrag I durch die Angabe spezieller Dickenbereiche für die
poröse und die dichte Schicht sowie durch eine Angabe, in welchem Bereich sich
die Sauerstoffkonzentration in der Oberfläche bewegen soll.
Da jedoch die JP 10147855 A bereits Werte in der hier beanspruchten Größen-
ordnung für die poröse und die dichte Schicht nennt und auch die hier angege-
bene Sauerstoffkonzentration nur den technisch überhaupt sinnvollen Bereich
ausnutzt (eine Sauerstoffkonzentration unter 1 Gew.-% ist nahezu nicht möglich
und über 25
Gew.-% wegen Festigkeitsproblemen technisch nicht sinnvoll),
brauchte der Fachmann lediglich durch übliche Versuche und Messreihen empi-
risch die jeweils günstigsten Bereiche ermitteln. Dies ist jedoch nicht erfinderisch,
wie bereits weiter oben ausgeführt worden ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I ergibt sich somit aus der
JP 10147855 A in Verbindung mit dem üblichen Fachkönnen und -wissen des hier
zuständigen Fachmannes.
4. Der Stahlkäfig nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II ist ebenfalls nicht
patentfähig, da seine Lehre nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
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Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß
Hilfsantrag II dadurch, dass die Oxonitrierung unter Verwendung von Sauerstoff,
Luft oder überhitztem Wasserdampf erfolgt.
Dies ist aber bei der Oxonitrierung Gang und Gäbe, wie die Anmelderin selbst
ausführt und als bekannt ausweist (vgl. S. 17, Abs. 1 der Anmeldungsunterlagen).
Diese Maßnahme kann somit eine erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht begrün-
den, da sie nur bei der Oxonitrierung übliche Verfahrensschritte nennt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II ergibt sich somit ebenfalls
aus der JP 10147855 A in Verbindung mit dem üblichen Fachkönnen und –wissen
des hier zuständigen Fachmannes.
5. Die jeweiligen Unteransprüche fallen mit dem jeweils nicht gewährbaren An-
spruch 1, da über den Antrag der Anmelderin nur einheitlich entschieden werden
kann.
gez.
Unterschriften