Urteil des BPatG vom 13.10.2004

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, klasse, beschwerde, verwendung, sache, inhalt, verbraucher, mode, kennzeichnungskraft)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 20/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
13. Oktober 2004
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 301 72 754
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel, des Richters Paetzold und der Richterin Schwarz-Angele
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 14 des DPMA vom
23. Oktober 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch auch
für die Waren der Klasse 25 zurückgewiesen worden ist.
Wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke
EU 874 748 wird die Löschung der angegriffenen Marke
(301 72 754) für sämtliche Waren der Klasse 25 angeordnet.
G r ü n d e
I.
Gegen die für die Waren der Klassen 14, 18, 3 und
25: Bekleidungsstücke für Damen, Herren, Kinder, ein-
schließlich zugehörige Accessoires aus Textil, nämlich Tü-
cher und Schals, Schuhwaren
eingetragene Wort/Bildmarke 301 72 754
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siehe Abb. 1 am Ende
ist aus der für die Waren
Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckun-
gen
eingetragenen prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke EU 874 784
siehe Abb. 2 am Ende
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat eine
Verwechslungsgefahr mit der Begründung verneint, beide Marken bestünden nur
aus der Kombination von beschreibenden Markenteilen, die Widerspruchsmarke
sei in ihrer Gesamtaussage („für dich und mich“) daher äußert schwach, eine Ver-
wechslungsgefahr scheide aus Rechtsgründen aus.
Die Widersprechende hat gegen diesen Beschluss, beschränkt auf die Waren der
Klasse 25, Beschwerde mit der Begründung eingelegt, es liege zumindest eine
Verwechslungsgefahr in begrifflicher Hinsicht vor, denn der Markenabstand be-
schränke sich auf die bloße Vertauschung der Wort-Reihenfolge.
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Die Markeninhaberin weist darauf hin, dass gerade diese Verschiedenheit in der
Wortfolge bedeutsam sei, denn die Widerspruchsmarke („ich und du“) werde als
unhöflich empfunden. Zudem sei ihr Schutzumfang wegen der Verwendung von
werbeüblichen Bestandteilen nur eingeschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 165 Abs 4 MarkenG) und hat in der Sache Erfolg,
denn zwischen den Marken besteht Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG.
Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert – unter Berücksichti-
gung aller Umstände des Einzelfalls - eine Gewichtung der Faktoren Waren/
Dienstleistungsidentität oder –ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und
Kennzeichnungskraft der älteren Marke in dem Sinn, dass der höhere Grad einer
der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen wer-
den kann (st. Rspr zB BGH MarkenR 2004, 253 – d-c-fix/CD-FIX). Können sich
wie hier die Marken auf identischen Waren begegnen, so kann die Verwechs-
lungsgefahr nur dann verneint werden, wenn die Marken einen deutlichen Abstand
zueinander einhalten oder aber wenn der Rechtsanspruch der älteren Marke auf
Innehaltung eines deutlichen Markenabstandes wegen ihrer Kennzeichnungs-
Marken wirken in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht, die Übereinstim-
mung in nur einer dieser Wirkungsweisen genügt in der Regel um eine Verwechs-
lungsgefahr zu bejahen (st Rspr zB BGH, MarkenR 2004, 348 – Zwilling/
Zweibrüder). Hier kommt die jüngere Marke der älteren zumindest in begrifflicher
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Hinsicht derart nahe, dass der Verkehr beide Zeichen aus der Erinnerung heraus
nicht mehr hinreichend sicher auseinander halten kann. Der Gesamteindruck bei-
der Marken wird allein durch deren jeweilige Wortbestandteile „you and me“ bzw
„me and you“ geprägt - soweit diese englischen Grundbegriffe übersetzt werden,
also durch deren deutsche Bedeutung „du und ich“ - denn die grafische Ausgestal-
tung beider Marken ist untergeordnet und wird bei der Benennung und dem Sinn-
gehalt der Marken nicht einfließen. Dies gilt auch für die ältere Marke, denn die
spiegelbildliche Verdoppelung ist nichts derart Ungewöhnliches, dass sie der Ver-
braucher in Worte fassen oder als bedeutsam in der Erinnerung behalten wird. Der
Sinngehalt von „ich und du“ bzw „du und ich“ aber ist übereinstimmend, es ist
nichts erkennbar, was es ermöglichen würde die eine Wortfolge besser in Erinne-
rung zu behalten als die andere. Die möglicherweise unhöfliche Wortfolge der älte-
ren Marke ist es nicht, denn zum einen kann die Voranstellung des „ich“ nur in ei-
nem Satzzusammenhang als unpassend empfunden werden, zum anderen wäre
für eine solche Erkenntnis des Verbrauchers die genaue Betrachtung und Wertung
der älteren Marke notwendig, was aber bei Kennzeichnungen in aller Regel nicht
erfolgt und wozu die Marke selbst hier auch keine Veranlassung bietet. „ME &
YOU“ ist ebenso wie „YOU & ME“ eine kurze, aussagekräftige Wortkombination
mit dem Sachhinweis, dass die Mode „für dich und mich“ ist. Die Wortstellung
spielt dabei keine Rolle und schon beim direkten Vergleich der Marken ist sie nur
schwer merkbar, aus der Erinnerung heraus ist eine richtige Zuordnung nahezu
unmöglich. Beide Marken haben den gleichen Inhalt, nämlich dass Mode für jeder-
mann, oder auch Bekleidung als Partnerlook angeboten wird. Eben dieser Aussa-
gegehalt wird dem Verbraucher in Erinnerung bleiben; kennt er die eine Marke, so
wird er sie ohne weiteres mit der anderen verwechseln können.
Diese Verwechslungsgefahr wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die
Widersprechende nur einen geringen Schutzumfang in Anspruch nehmen könnte.
Der Markeninhaberin ist zuzugestehen, dass im Bekleidungssektor beschreibende
Hinweise in der Art von „für Sie“, „für Ihn“ beliebt sind; dies allein genügt jedoch
nicht, um im konkreten Fall von einer Schwächung des Schutzumfangs der älteren
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Marke auszugehen. Eingetragene Marken genießen in der Regel einen durch-
schnittlichen Schutzumfang, soll hingegen von einer nur unterdurchschnittlichen
Kennzeichnungskraft ausgegangen werden, bedarf es ausreichender Anhalts-
punkte dafür, dass eben diese Marke auf dem konkreten Warenbereich einen be-
schreibenden Inhalt hat oder sich an einen solchen anlehnt. Die Erkenntnismög-
lichkeiten des Markenamtes und des Gerichts sind hierbei begrenzt, bloße Vermu-
tungen sind aber für die Bejahung eines eingeschränkten Schutzumfanges nicht
ausreichend, es ist also in erster Linie Sache der Markeninhaberin, diesen für sie
günstigen Umstand unter Vorlage entsprechender Verwendungsbeispiele substan-
tiiert darzulegen. Derartiges ist auch zumutbar, denn als unmittelbare Mitbewerbe-
rin sind ihr in der Regel die auf dem konkreten Markt herrschenden Bezeichnungs-
gewohnheiten geläufig. Im vorliegenden Fall spricht zwar vieles dafür, dass es
derartige Sachhinweise gibt, es fehlen aber konkrete Nachweise für die Verwen-
dung eben dieser Wortkombination, deren behauptete schutzunfähige Bestandtei-
le gerade auch von der jüngeren Marke verwendet werden. In der Verwendung
dieser beiden Begriffe in der konkreten Reihenfolge genießt die Widerspruchsmar-
ke also einen durchschnittlichen Schutzumfang (ebenso BPatG 27 W (pat) 314/03,
veröffentlicht bei PAVIS, siehe auch BGH, MarkenR 1999, 351 – FOR YOU). Für
die Schutzfähigkeit des Wortbestandteils spricht auch die Eintragung der Wortmar-
ke „ME & YOU“ als Gemeinschaftsmarke.
Vor diesem Hintergrund stehen sich die Marken angesichts ihrer Übereinstimmung
in begrifflicher Hinsicht zu nahe um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Damit hatte die Beschwerde Erfolg. Eine Kostenentscheidung war nicht veran-
lasst, § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG.
Stoppel Paetzold
Schwarz-Angele
Ko
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Abb. 1
Abb. 2