Urteil des BPatG vom 12.06.2006

BPatG: internet, verkehr, unterscheidungskraft, eugh, telekommunikation, integration, wortmarke, software, datenbank, aufzeichnung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 94/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 305 08 991.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 12. Juni 2006 unter Mitwirkung …
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke Nr. 305 08 991
voipdiscount
soll für Waren und Dienstleistungen der
Klasse 9: Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wieder-
gabe von Ton und Bild; Geräte zur Integration von
Computern mit dem Fernsprechwesen; Netzwerkver-
mittlungsverteiler für die Internet-Telefonie;
Klasse 38: Telekommunikation; Bereitstellen von Telekommuni-
kationsverbindungen zu einem weltweiten Com-
puternetzwerk; Betrieb und Vermietung von Ein-
richtungen für die Telekommunikation; Email-Dienste;
Leitungs-, Routing- und Verbindungsdienstleistungen
für die Telekommunikation; Bereitstellen von
Informationen im Internet; Bereitstellen von Inter-
netzugängen (Software); Bereitstellung von Plattfor-
men im Internet; Bereitstellung von Portalen im Inter-
net;
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Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und
Software; Bereitstellung von Computerprogrammen in
Datennetzen; Datenverwaltung auf Servern; Dienst-
leistungen einer Datenbank; Hard- und Softwarebe-
ratung; Konvertieren von Computerprogrammen und
Daten; Zurverfügungstellung von Speicherplätzen im
Internet; Integration von Computern mit dem Fern-
sprechwesen
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung des Zeichens „voipdiscount“ als Wortmarke mit Schreiben vom
27. April 2005 beanstandet und mit Beschluss vom 23. Juni 2005 zurückgewiesen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt vertritt die Auffassung, dass dem Anmelde-
zeichen als unmittelbar beschreibender, freihaltebedürftiger und nicht unterschei-
dungskräftiger Sachangabe die Eintragung zu versagen sei. Die Abkürzung „voip“
stehe für „voice over internet protocol“, worunter man das Telefonieren über ein
Computernetzwerk auf der Grundlage eines Internetprotokolls verstehe. Mit dem
genannten Begriffsinhalt weise das Zeichen im Zusammenhang mit den bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen ausschließlich darauf hin, dass es sich
dabei um besonders günstige Angebote im Bereich des „Voice over IP" handele.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde vom 1. August 2005 trägt die Anmel-
derin vor, dass das angemeldete Zeichen weder beschreibend noch freihaltebe-
dürftig sei. Bei dem Wortbestandteil „Voip“ handle es sich um eine fremdsprachige
Bezeichnung, die nicht in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eingegan-
gen sei. Sie diene auch nicht als Kürzel für „voice over internet protocol“, da die
Einzelbuchstaben dann durch Punkte voneinander getrennt sein müssten. Dar-
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über hinaus seien die Zeichen „VOIP“ in Alleinstellung ebenso wie „Discount“ oder
„Telebillig“ als Marken im Register eingetragen worden.
Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 23. Juni 2005 aufzuheben.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur Verwendung der
Wortfolge „voipdiscount“ sowie deren beider Bestandteile wurde der Anmelderin
übersandt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da dem Zeichenwort
„voipdiscount“ ein Schutzhindernis gem. §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
entgegensteht.
1. Nicht schutzfähig nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist ein Zeichen, dem die kon-
krete Eignung fehlt, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke
erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen
anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Die Hauptfunktion der Marke besteht
nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienst-
leistungen zu gewährleisten (st.
Rspr.; EuGH Mitt.
2005, 511 -
Rn.
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- THOMSON LIFE/LIFE; GRUR 2004, 1027 - Rn. 42 ff. - DAS PRINZIP DER
BEQUEMLICHKEIT; GRUR 2003, 604 - Rn. 62 - Libertel; BGH GRUR 2005, 257
-
Bürogebäude; GRUR
2003, 1050 -
Cityservice; GRUR
2001, 1153, 1154
- antiKALK). Die Unterscheidungskraft einer Wortmarke fehlt unter anderem dann,
wenn das Zeichenwort eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im
Vordergrund stehende Sachangabe darstellt oder es sich um ein gebräuchliches
Wort der deutschen oder einer gängigen Fremdsprache handelt, das der Verkehr
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stets nur als solches versteht (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 - YES; GRUR 2005,
417, 418 - BerlinCard). Diese Grundsätze gelten auch für die Beurteilung der Un-
terscheidungskraft von Wortfolgen. Zu prüfen ist daher, ob die Wortfolge einen
ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus
eine - wenn auch noch so geringe - Unterscheidungskraft für die angemeldeten
Waren und Dienstleistungen zukommt. Die Annahme mangelnder Unterschei-
dungskraft ist daher nur bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und
Werbeaussagen allgemeiner Art gerechtfertigt. Anhaltspunkte für die Unterschei-
dungskraft einer Wortfolge können hingegen Kürze, eine gewisse Originalität und
Prägnanz einer Wortfolge ebenso wie die Mehrdeutigkeit oder Interpretationsbe-
dürftigkeit einer Werbeaussage sein (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 35 ff.
- DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2000, 321, 322 - Radio
von hier; GRUR 2000, 323, 324 - Partner with the Best; GRUR 2002, 1070, 1071
- Bar jeder Vernunft). Es spielt dabei keine Rolle, ob eine konkret angemeldete
Wortzusammensetzung lexikalisch nachweisbar ist oder nicht, da das Verständnis
einer Wortverbindung nicht lediglich davon abhängt, dass sie in einem Wörterbuch
verzeichnet ist (vgl. EuGH MarkenR 2004, 111 - BIOMILD; BGH WRP 2002, 982,
984 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I). Maßgeblich ist allein, ob das angesprochene Pub-
likum sie als sachbeschreibenden Hinweis versteht.
1.1. Die aus zwei englischen Begriffen bestehende Wortkombination „voipdis-
count“ ist dem inländischen Publikum als Hinweis auf preisgünstige Internet-Tele-
fonie ohne weiteres verständlich. Im Rahmen der markenrechtlichen Prüfung ist
dabei davon auszugehen, dass breite Teile des inländischen Publikums über aus-
reichende Grundkenntnisse der englischen Sprache verfügen, um die angemel-
dete Wortfolge in dem dargestellten Sinngehalt zu verstehen. Das Kürzel „VoIP“,
und zwar in der Schreibweise ohne Punkte nach den Einzelbuchstaben, bedeutet
„Voice over internet protocol“ und ist auf dem hier einschlägigen Dienstleistungs-
sektor ein werbeüblicher Hinweis auf das Telefonieren über einen Internet-An-
schluss (vgl. connect 1/2006, S. 76; „Schnäppchen-Telefonie: Wann sich VoIP
wirklich lohnt“, c’t 2/2006, S. 94). Der Einwand der Anmelderin, es handle sich bei
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„voip“ nicht um diese Abkürzung, sondern eine Wortschöpfung ist insoweit unbe-
achtlich als es auf die Aufnahme des Zeichens durch den Verkehr ankommt. Da
bei Wortmarken der Schutzgegenstand neben der angemeldeten auch andere
verkehrsübliche Formen umfasst (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8
Rn. 16), was insbesondere im Hinblick auf die Groß- und Kleinschreibung gilt, wird
der Verkehr gerade die o. g. Abkürzung in dem Wortbestandteil „voip“ erkennen.
Darüber hinaus wird der Begriff „voice over IP“ von Anbietern entsprechender
Dienstleistungen benutzt und ist zumindest einem erheblichen Teil des inländi-
schen Publikums entsprechend bekannt (vgl. computer Bild 12/2005; „Voice over
IP wird zur ernsthaften Festnetz-Konkurrenz“ c’t 2/2006 S. 88 ff.). Der Begriff „dis-
count“ bedeutet „Rabatt, Skonto“ (Collins, Globalwörterbuch Englisch, Bd. 1,
1. Aufl. 2001, S. 329) bzw. „Preisnachlass“ im Sinne (1) einer Einkaufsmöglichkeit,
bei der Waren in Selbstbedienung verbilligt erworben werden können bzw. (2)
Discountgeschäft (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003 [CD-
ROM]) und gehört zu den im inländischen Sprachgebrauch zwischenzeitlich übli-
chen Anglizismen. Dem Verkehr ist der Gebrauch von „Discount“ dabei nicht nur
im Einzelhandel, sondern auch als „Discount-Tarif“ in der Telekommunikation ge-
läufig (http://providerliste.ch/deu/provider; http://mobilfunk-guenstiger.de/service/-
handy-billigtarife.php).
Neben den Einzelbegriffen sind dem Verkehr weitere zusammengesetzte Begriffe
mit VoIP bekannt, wie z. B. „VoIP-Anbieter“, „VoIP-TK-Anlagen“, „VoIP-Protokoll“,
„VoIP-Adapter“, „VoIP-Gespräche“ etc. (vgl. connect 1/2006, S.
78, S.
79;
c’t 2/2006, S. 88, S. 90), so dass der Verkehr an entsprechende Wortverbindun-
gen gewöhnt ist und auch die angemeldete Wortfolge nur im Sinne einer im Vor-
dergrund stehenden Sachangabe, nicht jedoch als Herstellerhinweis verstehen
wird. Dem aus zwei beschreibenden Einzelbestandteilen gebildeten Zeichen
kommt damit kein über die Summe der Bestandteile hinausgehender eigener
Sinngehalt zu (vgl. EuGH GRUR 2004, 680 - BIOMILD).
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1.2. „Voipdiscount“ ist damit in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistun-
gen der Klasse 38 ein Fachbegriff, der vom Verkehr nur als Wort als solches, nicht
aber als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen aufgefasst
wird. Sämtliche Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Internet-Telefonie
stehen, sind nicht schutzfähig, da sich das angemeldete Zeichen insoweit lediglich
auf die Bedeutung „günstige Internet-Telefonie“ beschränkt. Gerade in diesem
Marktsegment spielt ein günstiger Preis bzw. die Tarifstruktur insgesamt eine
wichtige Rolle (vgl. „Schnäppchen-Telefonie: Wann sich VoIP wirklich lohnt“,
c’t 2/2006, S. 94; „Preisbrecher Voice over IP: Billiger telefonieren; Internet-Tele-
fonie: Tarife, Geräte, Praxis“ Titelblatt c’t 2/2006, 9. Januar 2006).
Im Hinblick auf die beanspruchten Geräte der Klasse 9 „Geräte zur Aufzeichnung,
Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Geräte zur Integration von Com-
putern mit dem Fernsprechwesen; Netzwerkvermittlungsverteiler für die Internet-
Telefonie“ handelt es sich um solche, deren Zweckbestimmung der Einsatz in der
Internet-Telefonie ist. Der Verkehr weiß, dass Modems und damit Hardware erfor-
derlich sind, damit das Telefonieren über einen Internetanschluss möglich wird
(Großer VoIP-Shop: „besuchen Sie auch unser VoIP Discount Shop. Sie finden
alles rund um VoIP. Alle Produkte sind für jeden VoIP/SIP Provider einsetzbar.“
http://providerliste.ch/deu/provider…). Das Publikum kennt bereits „VoIP-Adapter
für SIP“ (c’t 2/2006, S. 95) oder „VoIP-Router von AVM“ (a. a. O., S. 88), deren
Einsatzgebiet dieses Telekommunikationssegment ist. Es wird deshalb auch das
angemeldete Zeichen auf einem entsprechenden Gerät für einen sachbeschrei-
benden Hinweis für die jeweilige Verwendungsmöglichkeit halten.
Auch die Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und
Software; Bereitstellung von Computerprogrammen in Datennetzen; Datenver-
waltung auf Servern; Dienstleistungen einer Datenbank; Hard- und Softwarebera-
tung; Konvertieren von Computerprogrammen und Daten; Zurverfügungstellung
von Speicherplätzen im Internet; Integration von Computern mit dem Fernsprech-
wesen“ können sich mit der Entwicklung auf dem Segment der Voice over IP oder
auf Telefondaten aus der Internet-Telefonie oder der Beratung zu einer günstige-
ren Tarifstruktur o. ä. auf diesem Gebiet beziehen.
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Insgesamt überlagert das angemeldete Zeichen damit als Wort als solches die
angemeldeten Waren und Dienstleistungen, da der Verkehr darin einen Fachbe-
griff sieht und nicht einen herstellerbezogenen Hinweis.
1.3. Die Anmelderin kann sich zur Frage der Schutzfähigkeit auch nicht auf
eingetragene Drittzeichen berufen. Selbst eine Reihe von Eintragungen gleicher
oder ähnlicher Marken kann nicht zu einer Selbstbindung des Patentamts führen
und ist erst recht für das Bundespatentgericht unverbindlich (EuGH GRUR 2006,
233 - Rn. 48 - Dreidimensionale Formen von Standbeuteln; GRUR 2006, 229
- Rn. 47 - BioID; GRUR 2004, 428, 432 - Rn. 65 - Waschmittelflasche). Die Frage
nach der Eintragbarkeit einer Marke ist keine Ermessens- sondern eine Rechts-
frage. Das ergibt sich auch daraus, dass eingetragene Marken nachträglich wieder
gelöscht werden können (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2.
Auflage, §
8
Rn. 29; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rn. 25; BPatG GRUR 1998,
1021, 1023 - MONA LISA).
2. Ob neben der fehlenden Unterscheidungskraft zudem noch ein Freihalte-
bedürfnis gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht kann insoweit dahingestellt
bleiben.
gez.
Unterschriften